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Potsdam-Mittelmark: Wie eine Puppenstube

Frisch sanierte Fischerkirche in Ferch ist Anziehungspunkt für Besucher aus ganz Deutschland

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Frisch sanierte Fischerkirche in Ferch ist Anziehungspunkt für Besucher aus ganz Deutschland Von Sandra Schipp Schwielowsee · Ferch - Lange bevor Christo in Berlin 1995 den Reichstag verhüllte, gab es in Ferch bereits eine ähnliche Aktion: Anfang der 80er Jahre wurde die Fischerkirche des kleinen Ortes in vier Tonnen Gewächshausfolie eingewickelt. Kunst war das damals allerdings nicht, sondern eine spektakuläre Rettungsaktion eines Denkmals, die weltweit in Wissenschaftlerkreisen Aufsehen erregte. In dem kleinen Gebäude wimmelte es nur so von Insekten, die das Holz zerfraßen und sich am Altar aus dem 17. Jahrhundert gütlich taten. Die komplette Begasung – damals ziemlich ungewöhnlich – war der einzige Weg, die Tierchen wieder loszuwerden. Benutzt wurde Blausäure. Drei Tage lang musste ein Wärter vor der Kirche stehen, um Neugierige von spontanen Besuchen mit tödlichem Ausgang abzuhalten. Das Experiment gelang: Die Kirche wurde gerettet – und mit ihr ein Kleinod, wie es in der nordostdeutschen Kirchenlandschaft kein weiteres gibt. Die königsblaue Decke mit grauweißen Wölkchen, ein freischwebender Taufengel in der Mitte, ein bemalter Kanzelaltar mit stilisierten Blumenranken an der Seite, und dann die schmale gelbe Hufeisenempore, unter der sich graue Bänke drängen - auf den ersten Blick wirkt die Fischerkirche wie eine bunte Puppenstube Die Gestaltung der Fischerkirche geht auf den Ursprung des Gotteshauses vor mehr als 300 Jahren zurück. Inneres und Äußeres wurden vor wenigen Jahren in mühevoller Kleinarbeit wiederhergestellt. Dabei sah es zunächst fast so aus, als wäre die Fachwerkkirche kaum noch zu retten. An dem Haus habe es immer schon Probleme gegeben, erzählt der ehemalige Pfarrer Gerhard Ruckert, der zu DDR-Zeiten noch in Feierabendarbeit an dem kleinen Gebäude gebastelt hat. Als 1999 die Bauarbeiten begannen, war der Kirchturm verfault, und fast die Hälfte des Holzes im Außenbereich völlig marode. Insekten hatten die Balken von innen ausgefressen, Hornissen und Wespen sich dort eingenistet. Möglich wurde die Rettung des Gotteshauses unter anderem durch die Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die aus Lottomitteln erhebliche Geldsummen zur Verfügung stellte. Als teuerste und schwierigste Angelegenheit entpuppte sich jedoch die blaugraue Holztonnendecke im Innenraum, die ebenfalls deutliche Verfallserscheinungen aufwies. Restauratoren legten gleich fünf historische Fassungen der Deckenmalerei frei, also wurden weitere Untersuchungen nötig. Und schließlich mussten die Wasserflecken retuschiert werden. 50000 Euro verschlang allein die Sanierung des einzigartigen „Wolkenhimmels“. Weit weniger auffällig, aber genauso ungewöhnlich sind die Totenbretter am Rand der Empore. Sie erinnern an Kinder und Jugendliche, die im späten 18. Jahrhundert auf dem benachbarten Friedhof begraben wurden. Ferch sei damals sehr arm gewesen und die Kindersterblichkeit entsprechend hoch, erzählt Kirchenältester Ralf Kostka. Solche Totenbretter allerdings gebe es sonst nur in Bayern. Von dort her kommen inzwischen Gläubige in die Fischerkirche - wie überhaupt aus ganz Deutschland. Das Fercher Kleinod habe sich zu einem beliebten Ort für Konzerte, Hochzeiten und Taufen entwickelt, erzählt Pfarrer Andreas Uecker. Und die Gäste nehmen gerne lange Anfahrtswege in Kauf, um in einem derart exotischen Ambiente zu feiern.

Sandra Schipp

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