Potsdam-Mittelmark: Wie Friedensglocken die Wende einläuteten
Seit 15 Jahren gibt es den „Peace Bell Choir“ in Caputh / Konzert am Wochenende
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Seit 15 Jahren gibt es den „Peace Bell Choir“ in Caputh / Konzert am Wochenende Von Thomas Lähns Schwielowsee · Caputh - Die Musik ist eine Brücke, über welche die Menschen in Kontakt miteinander kommen – aus diesem Gedanken wurde vor 15 Jahren der Caputher Handglockenchor geboren. Seitdem bauen und überqueren die Musiker diese Brücke immer wieder aufs Neue, begegnen Menschen auf Tourneen und Festivals, lassen sich auf Gespräche ein und entwickeln Freundschaften. Wenn am kommenden Sonnabend die Handglocken in der Caputher Kirche zum Chor-Geburtstag läuten, feiern sie nicht nur ein musikalisches Jubiläum, sondern auch viele herzliche Bekanntschaften mit Menschen im In- und Ausland. Es sei sehr interessant für Konzertbesucher, wenn elf Leute mit Glocken in den Händen ein Musikstück spielen – schon daraus würden sich Gespräche ergeben, erzählt die Caputherin Gisela Müller. Sie ist Mitglied im Chor von der ersten Stunde an. Das Musizieren mit diesen Instrumenten erfordere eine gute Koordination, sagt ihr Mann und Chorleiter Hans-Joachim. „Man ist aufeinander angewiesen“, darin bestehe der Reiz. Die Müllers sind – wie auch die anderen Chormitglieder – leidenschaftliche Musiker. Sie spielt darüber hinaus Blockflöte, er Trompete, einer der Söhne Horn und die Tochter Querflöte. 1987 habe alles angefangen, erinnert sich Hans-Joachim Müller. In Schlachtensee arbeitete zu dieser Zeit ein Pfarrer aus Amerika, der im Rahmen eines Austauschprogramms in die damalige DDR kam. Er organisierte einen Auftritt des „Festival Choir Fort Wayne“ aus dem US-Bundesstaat Indiana in Caputh. Die Handglockenspieler aus Übersee seien sehr interessiert an dem Leben in Deutschland gewesen, suchten die Gespräche mit den Caputhern und besuchten sie auch zu Hause. „Die Englisch-Kenntnisse der älteren Kirchengemeindemitglieder waren zwar nicht so gut, aber die Amerikaner zeigten viel Geduld“, erinnert sich Gisela Müller. Offensichtlich waren sie auch beeindruckt, denn für ihren nächsten Besuch in Caputh im Jahr 1989 hatten sich die Musiker des „Festival Choir Fort Wayne“ ein ganz besonderes Gastgeschenk einfallen lassen: Vier Oktaven, also 40 Glocken, und sämtliches Zubehör wie Handschuhe und sogar Tischdecken, wurden von einem „Voraustrupp“ mitgebracht. Die Amerikaner übten eine Woche lang mit den Caputhern, anschließend gab es das erste gemeinsame Konzert. Daraufhin wurde der frisch gegründete Caputher „Peace Bell Choir“ (Friedensglocken-Chor) in die USA eingeladen, die Gäste ließen Beziehungen spielen und sorgten sogar für ein Einladungsschreiben des US-Agrarministers. „Dennoch erschien es uns aussichtslos, die DDR verlassen zu können“, so Gisela Müller heute. Doch dann fiel die Berliner Mauer, und bereits ein Jahr später – im Juli 1990 – reisten die Caputher über den Atlantik. Gemeinsam mit ihren Freunden tourten sie durch den mittleren Westen der USA, gaben 20 Konzerte und freundeten sich mit vielen Menschen an. Die Deutschen lernten Amerika kennen und berichteten den Gastgebern aus ihrer Heimat. Erzählstoff gab es genug, in der DDR hatte der Handglockenchor Caputh schließlich die friedliche Wende mitgestaltet. Die Müllers blicken noch heute mit erhebenden Gefühlen auf das Adventskonzert 1989 in der Potsdamer Nikolaikirche zurück: „Plötzlich ging die Tür auf, und Mitglieder beider deutscher Regierungen kamen herein“, erzählt Hans-Joachim Müller. Zuvor habe man nie Politiker in einer Kirche sehen können, doch nach dem Mauerfall war alles anders. Sogar der damalige Präsident der Bundesrepublik Richard von Weizsäcker sei an diesem Abend dabei gewesen und habe die Friedensglocken läuten gehört. Der „Peace Bell Choir“ spielt am Sonnabend in der Caputher Kirche im Rahmen der Caputher Musiken. Beginn ist um 19 Uhr.
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