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KulTOUR: „Wolke Sieben“ mit Regenbogen

Caputher Schlossnacht und „Kunsttour“ mit Fernweh-Gefühlen und einigen Entdeckungen

Stand:

Von Gerold Paul

Schwielowsee - Die Caputher Schlossnacht versteht sich ausdrücklich als Revers zu ihrer größeren Schwester in Potsdam, dem Treffpunkt Zigtausender. Sie findet nur alle zwei Jahre statt, gibt sich ein rechtschaffendes Thema, limitiert die Zahl der Besucher, ist ohnehin viel flexibler, was wohl am treuen Ehrenamte liegt. Auch das Programm ist mehr auf Ruhe als auf Sturm ausgelegt, selbst dann, wenn mal ein paar Karten übrigbleiben, wie bei der fünften Schlossnacht am Samstag.

Trotzdem war dieser Wochen-Ausklang die „Wolke Sieben“ am kulturgestirnten Himmel für Caputh: Nachmittags sah man etliche Leute mit Flyern durch die „Kunsttour“ wuseln, am Abend dann das Fest auf Churfürstlichem Boden für höchstens dreihundert Bürgerliche. Diese Zahl reichte, der Stülerkirche zum Eröffnungskonzert mit „Bachs Erben“ etliche Stehgäste zu bescheren. Ein kräftiger Regenguss zwang die Veranstalter – neben den „Caputher Musiken“ auch die Stiftung – zum Gang vom Schloss über die Straße in die Kirche. Den dazugehörigen Regenbogen haben vielleicht weniger bemerkt als den spät aufgehenden Romantiker-Mond.

Das Caputher Schlossfest unter dem nicht gerade taufrischen Thema „Sehnsucht nach Italien“ versuchte eine Montage von Fernweh-Gefühlen auf leicht vermindertem Niveau. Bach plus Söhne plus Italien also mit dem begeisterungsfähigen Jugendbarockorchester Sachsen-Anhalt, das neben Johann Christian auch den alten Vater Bastel mit seinem vierten Brandenburgischen ehrte. Im Gefühl „historischer Aufführungspraxis“ wurden auch Vivaldi und Marcello gegeben: Ein Berliner Tanz-Ensemble, welches sich unter dem Namen „Tarantascalza“ folkloristischer und vor allem tarantelgesteuerter Tradition verpflichtet fühlte. Als Höhepunkt das „exklusiv aus Apulien eingeflogene“ Musikensemble „Uaragniaun“, es gab schon der regenfeuchten Tor-Öffnung eine wärmende Note. Später präsentierte es auf der Freilichtbühne im Schlosshof ein breitgefächertes Liedprogramm aus süditalienischen Traditionals. Ohne den Park wirklich genutzt zu haben, endete die fünfte Schlossnacht mit einem bescheidenen Barock-Feuerwerk zwischen Häusl und Ufer. Klein, aber fein das Ganze, leider fehlten Wortbeiträge, zweisprachige Lyrik zum Beispiel, die modernere Repräsentation einer unstillbar virtuellen Sehnsucht im 20. Jahrhundert. Konzeptionssache. Vielleicht war dieser Abend deshalb mehr Darbietung als Ereignis? Aber viel Beifall für die Hauptstücke des Programms.

Den Part „Aktualität“ lieferte indes die immer besser florierende „Kunsttour“ mit achtundzwanzig Künstlern an dreizehn exponierten Orten. Der Werderaner Maler und „Galgenvogel“ Günter Ihle etwa stellt im Heimathaus expressionistisch anmutende Heimat-Landschaften aus. Hineindenken lohnt, denn dieser nicht mehr junge Maler sucht kraftvoll nach dem Ganzen, außerdem kann man bei ihm handverlesene „Caputher Spaßvögel“ erwerben. Eine Entdeckung auf dem Berge ist Philipp-Johannes Müller, ein „Graffphoto“-Mann im Selbstverständnis. Er verarbeitet Bildvorlagen bei Rep-Musik am Rechner. Von Hand aus ist er „Sprüher“, ein geordneter freilich, denn er hat nichts dagegen, seine Künste an abgelegenen, längst aufgegebenen Industriestandorten zu erproben, die ihm irgendein Amt huldvoll zuweist. Ein paar Jahre noch, dann wird er ein anderer sein. Uferwärts, bei „elisabeth am see“, zeigt Peter Gratzer-Schick, was er unter Malerei versteht - den Übergang zum papiernen Ornament, sehr interessant. Der Weg zu Oda Schielicke zum Caputher See hinauf scheint der Pfad in die Märchen zu sein. Ihre neuesten Arbeiten verraten einen großen Sprung zur künstlerischen Reife: Nicht Außenlandschaften sieht man jetzt, eher solche einer ruhebedürftigen Seele.

Alles zusammen, mit Regenbogen und Mond, das ließ schon „Wolke Sieben“ fühlen. Mehr geht wirklich nicht.

Zur Caputher Kunsttour wird noch einmal am 1., 4. und 5. September jeweils von 11 bis 18 Uhr eingeladen. Weitere Infos unter www.kunsttour-captuth.de

Gerold Paul

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