Potsdam-Mittelmark: Zur Wachsamkeit gemahnt
Kurage-Forum: Experten befürchten Wahlkampf der NPD und DVU auch in Werder
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Werder (Havel) - Sind die Rechten in Werder doch stärker aufgestellt als bisher angenommen? Wissenschaftler und Kenner der Szene mahnen zur Wachsamkeit in der Stadt, nicht nur im Hinblick auf die Kommunalwahl im September. Auf einer Veranstaltung des Aktionsbündnisses Kurage am Dienstagabend sollte es eigentlich um die soziale Demagogie der NPD gehen, um die Bürger gegen Auftritte der Rechtsextremen im Wahlkampf zu wappnen – rein präventiv. Denn bislang wurde davon ausgegangen, dass diese hier keine Strukturen aufbauen konnten und daher auch keine Kandidaten ins Rennen schicken werden. Das könnte sich als Irrtum erweisen, so das Ergebnis der Runde am Dienstagabend.
„Es ist zu vermuten, dass sie es sogar mit zwei rechtsextremen Parteien zu tun bekommen“, sagte Werner Treß vom Moses-Mendelssohn-Zentrum Potsdam, der kurzfristig den Vortrag an diesem Abend übernommen hatte. Zum einen könnte die NPD auch trotz ihrer schwachen Strukturen außerhalb Rathenows hier antreten, denn die Mitglieder seien hochmotiviert, zum anderen dürfe man die DVU nicht außer Acht lassen. „Der hiesige Kreisverband hält wieder monatliche Stammtische ab“, so der Experte. Wahrscheinlich würden diese sogar in Werder stattfinden – denn die Kontakttelefonnummer trage die örtliche Vorwahl 03327. Der sogenannte Deutschlandpakt, nachdem die beiden Parteien bei Wahlen nicht gegeneinander antreten, gelte nicht für die kommunale Ebene.
Ein düsteres Bild zeichneten drei junge Männer aus der örtlichen linken Szene, die an diesem Abend ebenfalls zugegen waren, namentlich aber nicht genannt werden wollen. Demnach gebe es längst organisierte Rechte in Werder mit engen Kontakten zu stärkeren Gruppierungen in Groß Kreutz und Potsdam, die bereits mit Plakat- und Aufkleber-Aktionen in Erscheinung getreten sind . Erst Ende April seien vor den Wohnsitzen linker Jugendlicher in Werder eindeutige „Warnungen“ in Aufkleber-Form aufgetaucht.
Die Vorwürfe der jungen Männer, dass solche Umtriebe in Werder nicht gesehen oder ignoriert werden würden, wiesen Kurage-Vertreter entschieden zurück. Stück für Stück werde hier die Zusammenarbeit mit allen demokratischen Kräften aufgebaut – und wenn es darauf ankommt, würden diese zusammenhalten, wie zuletzt beim Fußball-Spieltag für Menschlichkeit und Toleranz vor gut zwei Wochen (PNN berichteten). „Wer die NPD hier sieht, soll die Mitglieder benennen – ich sehe sie im Moment nicht", so Kurage-Sprecher Hans-Hartwig Lau.
Bei all diesen Grundsatzfragen geriet das eigentliche Thema des Abends, die soziale Demagogie der NPD, etwas ins Hintertreffen. Die vermeintlich sozialen Forderungen der Rechten widerlegte Werner Treß mit einigen Auszügen aus Parteiorganen wie der „Havelland-Stimme“. Statt einer Verschleierung der Themen wie bei der DVU lasse die NPD ihren Rassismus offen zutage treten, erklärte er. So werde ein Apartheidssystem in den Schulen angekündigt, in dem nicht-deutschstämmige Schüler ausgeschlossen werden. „Wer konkret davon betroffen ist, entscheidet offenbar allein die NPD“, so Treß. Ebenso verhalte es sich mit der Verweigerung rechtmäßig erworbener Sozialleistungen für einzelne Gruppen, „ganz gleich, ob jemand sein Leben lang Beiträge gezahlt oder sogar ein Unternehmen geführt hat.“ Das Soziale sei purer Sozialdarwinismus, der Wohlstand für alle soll finanziert werden, in dem Wenigen etwas weggenommen wird. „Das ist nicht nur fiskalisch unmöglich, sondern lässt sich auch nur in einer Diktatur umsetzen", so Treß. Und schließlich die Forderung der NPD nach einer „nationalen raumorientierten Volkswirtschaft“ – mit der eindeutigen Forderung eines Deutschlands in „seinen alten Grenzen“. Deutlicher lasse sich der Bezug zum Nationalsozialismus kaum herstellen.Thomas Lähns
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