Potsdam-Mittelmark: Zurück auf den Grenzelwiesen
Landwirt Jürgen Frenzel und die Flächenagentur Brandenburg haben die Nieplitz nach Hause geholt
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Beelitz – Weit reicht der Blick übers grüne Land: Im Nordosten ragt der Beelitzer Kirchturm aus den Bäumen, auf der anderen Seite zeichnet sich die „Skyline“ von Reesdorf ab. Der Spaziergang führt durch hohes Gras, mitten durch eine Senke, und bei jedem Schritt quietscht es leise unter den Sohlen. Es ist ein weitläufiges Moor, das die Nieplitz hier in kurzer Zeit geschaffen hat. Der kleine Fluss ist auf die Grenzelwiesen zurückgekehrt – zumindest teilweise. Im Rahmen eines Renaturierungs-Projektes wird sein Wasser seit diesem Jahr mittels eines Grabens und einer künstlichen Rinne über das bis vor Kurzem noch als Weideland genutzte Gebiet geführt. Schon jetzt ist dadurch eine malerische Luchlandschaft am Rande des Naturparks Nuthe-Nieplitz entstanden, in dem der Kiebitz brütet und so manche seltene Wildpflanze wuchert.
Landwirt Jürgen Frenzel kann sich noch erinnern, wie hier früher Heu gemacht wurde: Rückwärts mussten die Bauern ihre Fuhrwerke über aufgeschüttete Wege manövrieren, um an die Mahd heranzukommen – so feucht war der Boden, erzählt der geborene Elsholzer. Ab den 1960er Jahren aber intensivierte die Beelitzer LPG dann Ackerbau, Viehzucht und Grünlandbewirtschaftung und legte die Grenzelwiesen durch Melioration trocken. Jürgen Frenzel hat später selbst in der Genossenschaft gearbeitet und fühlt sich mitverantwortlich für die Verdrängung des Moores. Mit der Wiedervernässung will er der Natur etwas zurückgeben, wie er sagt.
Umgesetzt hat der Landwirt seine Idee zusammen mit der Flächenagentur Brandenburg. Das privatwirtschaftliche Unternehmen ist vor neun Jahren gegründet worden, einziger Gesellschafter ist heute die Stiftung Naturschutzfonds. Die Agentur hat sich überall im Land sogenannte „Flächenpools“ durch Ankauf und Verträge gesichert und will diese Stück für Stück renaturieren. „Der Wasserhaushalt ist das große Thema“, sagt Mitarbeiter Martin Szaramowicz. Zum Einen würde die extreme Trockenheit den Landwirten zu schaffen machen, zum anderen drohe gerade an den Flüssen immer öfter Hochwasser. Dem wolle man entgegenwirken.
Das Prinzip läuft so: Wenn jemand ein Bauprojekt umsetzt, muss er laut Gesetz für Ausgleich sorgen und zum Beispiel Bäume pflanzen. Die Flächenagentur übernimmt diese „Verursacherpflicht“ gegen Bezahlung und treibt mit dem Geld Projekte wie das in den Beelitzer Grenzelwiesen voran. Weitere „Flächenpools“ im Landkreis gibt es in den Krielower Wiesen, bei Schmergow und an der Quelle der Nuthe im Fläming. In Beelitz stehen insgesamt 40 Hektar zur Verfügung, angekauft wurden sie unter anderem von der Spargelstadt, wie Szaramowicz erklärt. 14 Hektar sind bereits renaturiert worden, unter anderem als Ausgleich für den zurzeit laufenden Bau des neuen Kreis-Gymnasiums in Stahnsdorf.
Ein Teil der Flächen gehört nach wie vor der Agrar-Gesellschaft Wittbrietzen, die Frenzel zusammen mit einem Kollegen nach der Wende gegründet hat. Das Unternehmen kann die Wiesen nun nicht mehr nutzen – aus rechtlicher Sicht wegen der Naturschutz-Auflagen, und aus praktischer Sicht, weil der Trecker versacken würde. „Wir haben das aus Idealismus gemacht“, sagt der Landwirt. Jürgen Frenzel und die Grenzelwiesen haben etymologisch übrigens nichts gemein: Der Name des Flurgebietes stammt noch aus dem Mittelalter, von einer längst wüstgefallenen Siedlung. Wie der Historiker Helmut Assing schreibt, hat die Stadt Beelitz das südwestlich gelegene Grenzel zur Gründungszeit übernommen und irgendwann verenden lassen. Die Einwohner müssen sich im nächstgelegenen Beelitzer Stadtteil angesiedelt haben, denn die Eigentümer, von denen die Flächen jetzt zur Renaturierung gekauft wurden, leben heute im südlichen Teil der Altstadt.
Die Tour durch das Grenzel-Moor wird zur Safari: Aufgeschreckt springt ein Reh aus dem hohen Gras und flieht, auch an anderer Stelle entdeckt Frenzel Liegemulden. Ein Stück weiter gluckert der kleine Kanal vorüber, der im Bogen die Wiesen bewässert. Hier mäanderte einst die Nieplitz entlang, wie Frenzel weiß. Die jüngere Geschichte dieses Flusses ist eine der stetigen Verdrängung: Erstmals griff man unter Friedrich dem Großen ein, um Platz für Siedlungen wie das Dorf Salzbrunn zu schaffen, dann wurde 1922 das Flussbett weiter begradigt und die Ufer befestigt, weil in Regenzeiten nach wie vor die Wiesen unter Wasser standen, wie die Salzbrunner Ortschronistin Marianne Kaiser schreibt. Die LPG rückte dann in den 1970ern mit Baggern an, um der Natur auch die restlichen Flächen abzuringen.
Mittlerweile haben die Grenzelwiesen das Wasser dankbar angenommen. Eine aus Steinen aufgeschüttete Furt in dem kleinen Kanal dient zur Regulierung der Feuchtigkeit im Moor. Hier sollen sich sogar schon Fische wie der seltene Schlammpeitzger wieder tümmeln. Zu sehen ist im Moment aber nur ein grüner Laubfrosch, der sich mit einem großen Satz ins Wasser stürzt und davonschwimmt – auf in Richtung Nieplitz. Die lässt sich nach langer Abwesenheit hier wieder öfter blicken.
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