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Von Klaus Büstrin Von Henry Klix: Zwei Namen, zwei Opfer Contra Pro

Das Jugendhilfezentrum „Anne Frank“ wird nach seiner jüdischen Gründerin in „Gertrud Feiertag“ umbenannt. Darf man den Namen „Anne Frank“ einfach austauschen?

Stand:

Wie Millionen von Altersgenossen habe ich als Jugendlicher mit Anne Frank in der Dachkammer vor den Nazis gezittert. Das war 1986, im gleichen Jahr wurde das Kinderheim in Caputh nach Anne Frank benannt. Man konnte und kann doch eigentlich nichts dagegen haben. Oder vielleicht doch? Die Namensgebung ist ein Beispiel für den ritualisierten Umgang der DDR mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit. Ja, da war mal eine „Judenschule“ in Caputh – aber unangenehme Erinnerungsarbeit? Dann doch lieber ein längst bekannter Name aus dem fernen Holland. SA-Männer, Lehrer, aufgestachelte Schüler und Mitglieder der Schützengilde – sie alle waren am 10. November 1938 an der Erstürmung des Jüdischen Landschulheims in Caputh beteiligt. Der Ort hat diese Vergangenheit bis heute kaum aufgearbeitet. Ein altes Versäumnis wird nachgeholt, wenn das Jugendhilfezentrum nach der jüdischen Gründerin benannt wird. Gertrud Feiertag arbeitete in Caputh sieben Jahre lang nach sozialpädagogischen Ideen, die heute Maß der Dinge sind. Ihrer Risikobereitschaft war es zu verdanken, dass das Heim bis 1938 als Insel des jüdischen Lebens erhalten blieb – Anne Frank war zu diesem Zeitpunkt längst mit ihrer Familie aus Frankfurt (Main) nach Amsterdam exiliert. Ihr Andenken ist durch ihr Tagebuch, unzählige Veröffentlichungen und weltweite Namensgebungen gesichert. Gertrud Feiertag hat es nötiger, vor dem Vergessen bewahrt zu werden – am wichtigsten Ort ihres Wirkens.

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