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Potsdam-Mittelmark: Zwischen Pflege und aktivem Leben

Familienministerin Schröder erläuterte in Werder die Chancen des Alters

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Werder (Havel) - Kristina Schröder (CDU) kennt das noch aus dem Studium: Unangenehme Aufgaben schiebt man erst einmal vor sich her. „Meine Wohnung war immer besonders aufgeräumt, wenn eine Prüfung bevorstand“, erzählt die junge Frau ihren Parteifreunden in Werder (Havel). Ähnlich habe man es in Deutschland lange Zeit mit dem demographischen Wandel gehalten. Erst jetzt, wo die Überalterung nicht mehr von der Hand zu weisen ist, werde das Thema angepackt – und mittlerweile als Chance begriffen.

Mit Chancen kennt Schröder sich ebenfalls aus: Mit ihren 32 Jahren ist die promovierte Sozialwissenschaftlerin aus Wiesbaden schon Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Eine der Herausforderungen für die nächsten Jahre, sagt sie, sei ein besseres Miteinander der Generationen. Und das praktizierte sie am Mittwochabend im Schützenhaus: Zusammen mit Werders Bürgermeister Werner Große (60 Jahre alt) erläuterte Schröder die Konsequenzen des demographischen Wandels und ihre Rezepte, wie man sich darauf einstellt. Ein bisschen Wahlkampfhilfe für Große gab es dazu – immerhin stimmen die Werderaner am Sonntag über ihr Stadtoberhaupt ab.

„Werder muss sich darauf einstellen, dass die Bevölkerung älter wird“, sagte die CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche, die zu der Veranstaltung eingeladen hatte. In nur 15 Jahren werde die Hälfte der Bürger in der Blütenstadt über 50 Jahre alt sein, prognostizierte der Bürgermeister, und die Zahl der 80-Jährigen werde sich gegenüber dem heutigen Stand in Werder verdoppeln. Gleichwohl dürfe man den Nachwuchs nicht vergessen, befand Große, und deshalb werde die Stadt in den nächsten Jahren noch einmal fünf Millionen Euro in den Ausbau der Kita-Landschaft investieren.

Was der Bund für die Älteren tun kann, erläuterte die Ministerin und verwies auf ihre Idee der Familien-Pflegezeit. Demnach sollen Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf bis zu zwei Jahre Teilzeitbeschäftigung bei 75 Prozent des Gehalts bekommen. Dreiviertel Lohn bei halber Arbeitszeit? Auch in Werder wurde kritisch nachgehakt. Damit Arbeitgeber oder Steuerzahler nicht zuschießen müssen, erklärte Schröder, sollen die 75 Prozent nach der Pflegezeit beibehalten werden – bis das Geld wieder erwirtschaftet worden ist. Für die Unternehmen müsse dann allerdings eine Versicherung geschaffen werden – falls jemand nach der Pflegezeit nicht in den Job zurückkehrt, räumte sie ein. Momentan können Arbeitnehmer sich höchstens ein halbes Jahr freistellen lassen, wenn sie Angehörige pflegen – und das nur unbezahlt.

Der generelle Aspekt des Älterwerdens ist aber erfreulicher: „Im Alter zwischen 65 und 80 ist eine völlig neue aktive Lebensphase dazugekommen – das ist ein riesiges Pfund“, so Schröder. Rentner seien ein Wirtschaftsfaktor, die Kaufkraft der Über-60-Jährigen liege bei 316 Milliarden Euro. Mit speziellen Produkten wie seniorenfreundlichen Handys müsse die Wirtschaft darauf reagieren. Auch mit Ehrenämtern würden ältere Menschen die Gesellschaft bereichern. Ein Drittel engagiere sich bereits auf diesem Wege.

Dass es in Brandenburg aber noch einiges zu tun gibt, erläuterten die Gäste. Hans-Joachim Winter, Bürgermeister von Kyritz (Ostprignitz-Ruppin), forderte eine bessere ärztliche Versorgung auf dem Lande. Wolfgang Banditt, Kreistagsabgeordneter aus der Uckermark, bemängelte den geringen Stellenwert, den ältere Menschen bei der Jugend hätten. Andere forderten mehr Mitbestimmung, zum Beispiel durch Seniorenbeiräte. Dass die Parlamente nicht mehr repräsentativ für die Altersstruktur seien, bestätigte die Familienministerin mit Verweis auf den Bundestag: Kaum noch ein Abgeordneter sei über 70, der Altersdurchschnitt liegt unter 50. Kristina Schröder selbst ist nicht ganz unschuldig daran – was aber längst nicht schlecht sein muss. Thomas Lähns

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