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03.03.2023, Stuttgart: Menschen nehmen an einer Demonstration zum globalen Klimastreik am Schlossplatz teil. Die Klimaschutzbewegung Fridays For Future hatte für Freitag in zahlreichen Ländern zu neuen Protesten aufgerufen. Foto: Julian Rettig/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Julian Rettig

Schulterschluss für die Verkehrswende: Verdi und Aktivisten von Fridays for Future streiken gemeinsam

Die Aktivisten von Fridays for Future rufen am heutigen Freitag zusammen mit der Gewerkschaft Verdi zu Streiks und Demos auf. Im Fokus steht die Verkehrswende.

Erstmals hat sich die Klimabewegung Fridays for Future an diesem Freitag mit einer Gewerkschaft zusammengetan und tritt mit ihr gemeinsam auf. Während die Gewerkschaft Verdi in sechs Bundesländern zu Warnstreiks im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) aufrief, demonstrierten Klimaschützer von Fridays for Future an 200 Orten für eine Verkehrswende. Verdi und die Aktivistinnen wollten damit gemeinsam auf die Bedeutung des ÖPNV im Kampf gegen die Klimakrise aufmerksam machen.

Dieser Zusammenschluss war strategisch vorbereitet. Schon 2021 hatte die Klimaaktivistin Luisa Neubauer im Interview mit dem Fachinformationsdienst Tagesspiegel Background Energie & Klima gesagt: „Wenn wir Klimaschutz ernsthaft umsetzen wollen, müssen wir auch diejenigen in der Gesellschaft erreichen, die sich bisher nicht angesprochen fühlen. Wir kooperieren mit der Gewerkschaft Verdi, weil wir mehr und günstigeren ÖPNV wollen, aber gleichzeitig müssen stabile und gute Arbeitsverhältnisse für die Busfahrer gesichert werden.“

Damit reagierte Neubauer indirekt auf den Vorwurf, die Klimabewegung habe die sozialen Aspekte des großen Umbaus Richtung Klimaneutralität nicht genug im Blick. Am Freitag forderte die frühere Seenotretterin Carola Rackete von der Klimabewegung erneut mehr Aufmerksamkeit für die soziale Frage. Um wieder mehr Beteiligung zu erreichen, bräuchten Akteure wie Fridays for Future und die Letzte Generation eine breitere gesellschaftliche Verankerung, sagte Rackete der Berliner „taz“.
„Fridays for Future sind nicht mehr im Aufwind.“

Wenn wir Klimaschutz ernsthaft umsetzen wollen, müssen wir auch diejenigen in der Gesellschaft erreichen, die sich bisher nicht angesprochen fühlen.

Luisa Neubauer, Klimaaktivistin

Der Protestforscher Dieter Rucht sieht das etwas anders: „Wenn sich eine Bewegung zu breit aufstellt und einen Bauchladen mit Themen anbietet, ist das eher nachteilig“, sagte er dem Tagesspiegel. Wenn sie sich öffne und viele andere Themen aufnehme, könne das ein Zeichen der Schwäche sein.

Zusammenschluss von Verdi und Fridays for Future

„Diese Deutung trifft auf die jetzige Situation zu“, sagte Rucht. „Die Gewerkschaften sind schon länger in der Defensive und Fridays for Future sind auch nicht mehr im Aufwind. Die Massenmobilisierung im September 2019 war sehr stark, doch schon beim globalen Aktionstag im November 2019 waren es nur noch halb so viel Teilnehmer“, gab Rucht zu bedenken. Seitdem seien die Zahlen weiter zurückgegangen. Für Berlin hofften die Initiatoren von Fridays for Future für die Demo auf eine fünfstellige Zahl. „Das ist ein Ausdruck von Bescheidenheit“, sagte Rucht.

Den Zusammenschluss von Verdi und Fridays for Future könne man in zwei Richtungen deuten: „Positiv ist, dass sich beide Gruppierungen zusammenschließen, um ein jeweiliges Defizit auszugleichen. Negativ ist, dass beide nicht gerade in einer Phase der Stärke sind. Für die Gewerkschaften wird sich daraus kaum ein machtpolitischer Zuwachs ergeben“, glaubt der Experte. Verkehrssektor hinkt hinterher.

Das Thema Verkehr jedoch sei von den Fridays gut gewählt: „Es ist sicher richtig, nicht nur pauschal auf die Einhaltung der Klimaziele zu dringen, sondern sehr gezielt den Verkehr in den Mittelpunkt zu stellen“, sagte Rucht. Im Verkehrssektor sei bislang am wenigsten für den Klimaschutz getan worden. „Und der jetzt zuständige Minister steht auf der Bremse. Das zu thematisieren, ist strategisch richtig“, ordnete Rucht die Kritik an Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) ein.

Tatsächlich sind die Emissionen im Verkehrssektor seit 1990 weniger stark gesunken als in allen anderen Bereichen. Ein Sofortprogramm zur Senkung der Klimagase fiel im vergangenen August durch: Die vorgelegten Maßnahmen würde „eine erhebliche Überschreitung der Jahresemissionsmengen bis 2030 nicht verhindern“, schrieb ein von der Bundesregierung berufener Expertenrat in einem Gutachten.

Zu den Forderungen der Klimaaktivisten zählt nun, dass staatliche Mittel in Schieneninfrastruktur statt in Autobahnen fließen. Die Investitionen in ÖPNV und Schiene müssten sofort verdoppelt und fossile Subventionen dafür abgeschafft werden.

Und zuletzt: Eine Mobilitätswende gehe nicht ohne Beschäftigte. Höhere Löhne und mehr Personal würden die Mobilitätswende überhaupt erst möglich machen. (mit dpa, epd)

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