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Applaus für einen ganz Großen. Thomas Müller verlässt den FC Bayern nach dieser Saison.

© imago/Sven Simon/IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON

Auch die Ewigkeit ist endlich: Thomas Müller hätte einen würdigeren Abschied verdient

Vor knapp einer Woche war publik geworden, dass Thomas Müller beim FC Bayern München keine Zukunft hat. Jetzt ist es auch offiziell.

Stefan Hermanns
Ein Kommentar von Stefan Hermanns

Stand:

Wenn man nur eine einzige Qualität benennen müsste, die den Fußballer Thomas Müller zu dem gemacht hat, was er war, dann wären das wohl weder seine Technik noch seine Schussgewalt und auch nicht seine Schnelligkeit oder seine Dribbelkünste. Wovon Müller mehr hatte als die meisten anderen Fußballer, das war ein Gespür: ein Gespür für den Raum, für die Zeit und für das Spiel an sich.

Dass sich Müllers gutes Gespür nicht nur auf den Fußballplatz beschränkt, das hat er am Samstagvormittag bewiesen, als er eine wichtige Mitteilung in eigener Sache zu machen hatte. Thomas Müller gab offiziell bekannt, dass seine Zeit beim FC Bayern München nach dieser Saison, nach dann 17 Jahren als Profi, zu Ende gehen wird. Selbst die Ewigkeit ist also endlich.

Der Nachrichtenwert von Müllers Bekanntgabe war überschaubar. Dass die Bayern seinen Vertrag nicht verlängert würden, das war bereits vor gut einer Woche publik geworden – nachdem die Nachricht von wem auch immer an die Medien durchgestochen worden war.

Und so drängt sich die Vermutung auf, dass es bei dieser bewussten Indiskretion gar nicht in erster Linie um Thomas Müller ging. Müller war eher Mittel zum Zweck (was die ganze Sache nicht besser macht, im Gegenteil).

Noch im Januar hatte Max Eberl, der Sportvorstand der Bayern, die Vertragsverlängerung mit Müller mehr oder weniger zur Formsache erklärt. Seitdem aber hat er feststellen müssen, welche seltsamen Kräfte in diesem seltsamen Verein wirken.

Eberl, vor einem Jahr die Wunschlösung der Bayern für den Posten des Sportchefs, gilt inzwischen selbst als angeschlagen. Der Umgang mit der Vereinsikone Müller dürfte seine Beliebtheit im großen Bayern-Kosmos eher nicht gesteigert haben – unabhängig davon, dass niemand genau weiß, wer in diesem Schauspiel welche Rolle gespielt hat.

Eine gute Woche waberte die Information von der Scheidung der vermeintlichen Traumehe durch die Öffentlichkeit, ehe Thomas Müller mit seinem Statement die Deutungshoheit über seine Geschichte zurückerlangt hat. So verständlich die Entscheidung des FC Bayern München aus sportlicher Sicht auch gewesen sein mag, so unwürdig war der Umgang mit einem Spieler, der den Verein in der jüngeren Vergangenheit so geprägt hat wie kein anderer.

Es ist kein Trost, dass es anderen verdienten Spielern der Bayern nicht anders ergangen: Gerd Müller und Sepp Maier zum Beispiel in den goldenen Siebzigern oder auch Lothar Matthäus rund um die Jahrtausendwende. Im Profifußball muss man sich Sentimentalität auch leisten können. Oder wollen. Dass das bei dem Verein, der sich wie kein zweiter in Deutschland über Leistung und Erfolge definiert, grundsätzlich schwierig ist, liegt auf der Hand.

Persönliche Enttäuschungen sind gewissermaßen systemimmanent. Und trotzdem hätte Thomas Müller einen anderen Umgang durch seinen Verein verdient. Durch den Verein, dessen Gesicht er anderthalb Jahrzehnte lang gewesen ist.

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