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Granit Xhaka, Jonathan Tah, Edmond Tapsoba und Florian Wirtz kassierten in Liverpool eine heftige 0:4-Klatsche.

© dpa/Federico Gambarini

Bayer Leverkusen spielt nicht mehr meisterlich: Xabi Alonso und das Ende der Herrlichkeit

In Liverpool kann man verlieren, auch mit 0:4. Trotzdem ist offensichtlich, dass Bayer Leverkusen in dieser Saison Probleme hat. Die Gründe dafür sind vielfältig.

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Xabi Alonso hatte einen Plan. Wie so oft, wenn große Spiele von Bayer Leverkusen anstehen, wollte der Bayer-Trainer den Gegner mit einer besonderen Taktik überraschen. Das funktionierte eine Halbzeit lang beim FC Liverpool durchaus passabel: Alonso hatte sein Mittelfeld derart dicht gestaffelt, dass den Gastgebern an der Anfield Road offensiv nicht viel einfiel.

Leverkusen selbst fand zwar vor dem gegnerischen Tor in den ersten 45 Minuten auch nicht statt, defensiv aber ging Alonsos Plan auf. Doch die Reaktion von Liverpool hatte er offenbar nicht vorhergesehen. Trainer Arne Slot nämlich ging ins Risiko: „Leverkusen hat das Mittelfeld immer wieder überladen. Wir haben uns dann in der Halbzeitpause angepasst“, erzählte Slot nach dem Spiel.

Genau genommen habe Liverpool fortan „überall eins gegen eins“ gespielt. Und erzielte nach der Pause vier Tore, am Ende stand ein klarer 4:0-Sieg für die Engländer. Hatte sich Xabi Alonso an diesem 4. Spieltag der Champions League womöglich vercoacht oder wurde er schlicht von seiner Mannschaft im Stich gelassen?

Vor der Saison war klar, dass Bayer Leverkusen nicht noch einmal derart durch eine Saison rauschen würde, wie das 2023/24 der Fall war. National blieb das Team in 41 Pflichtspielen gänzlich unbesiegt und auch in Europa stürmte das Team ins Endspiel, wo es erst im Finale die einzige Niederlage überhaupt gab.

Die Neuzugänge spielen bisher keine prägende Rolle

Leverkusen hatte Woche für Woche mehr Selbstvertrauen aufgebaut und gewann zwischenzeitlich auch Spiele, die eigentlich nicht zu gewinnen waren. Alles kam zusammen: Glück, Spielkunst und Mentalität. Dazu funktionierte praktisch jeder im Kader, obwohl Alonso immer wieder kräftig rotierte.

Im Sommer gab es personell kaum gravierende Änderungen. Auch der von den Bayern umworbene Jonathan Tah blieb und einzig Josip Stanisics Rückkehr nach München schmerzte wirklich. Es schien beinahe so, als hätte sich Bayer sogar noch verstärkt: Mit Martin Terrier und Aleix Garcia kamen zwei neue Spieler, die ihr Potenzial schon nachgewiesen hatten.

Tatsächlich aber hat keiner der Zugänge bisher das Spiel des Meisters wirklich prägen können. Im Vorjahr noch hatten die neu verplichteten Granit Xhaka, Victor Boniface, Alejandro Grimaldo und Jonas Hofmann Spielweise und Stimmung im Team nachhaltig verändert und damit die Richtung vorgegeben.

Frische Impulse sucht man in der aktuellen Leverkusener Mannschaft vergebens und doch ist das nur eine Erklärung für die Schwierigkeiten beim Deutschen Meister. Wobei Bayer jetzt in etwa wieder dasteht, wo der Klub in der Vergangenheit meistens stand. Oben dabei, aber eben nicht spitze.

15
Gegentore hat Leverkusen in der Bundesliga in neun Spielen bereits kassiert. In der Vorsaison wurde diese Marke erst am 22. Spieltag erreicht.

In der Bundesliga wurde bisher nur ein Spiel verloren und das überaus überflüssig gegen RB Leipzig mit 2:3 nach 2:0-Führung im eigenen Stadion. Allerdings gab es daneben einige schwer erklärbare Unentschieden, wie gegen Holstein Kiel, bei Werder Bremen und zuletzt gegen Stuttgart.

Gegen den VfB war Bayer am vergangenen Freitag deutlich überlegen, hinterher sprach Xabi Alonso von der „vielleicht besten Leistung“ der Saison. Nur, dass eben am Ende kein Sieg heraussprang, sondern nur ein 0:0. Leverkusen vergab reihenweise Hochkaräter, das ominöse Spielglück hat die Mannschaft ganz offensichtlich verlassen. Oder anders ausgedrückt: Das Selbstverständnis bei Bayer Leverkusen ist weg.

Ganz viel hat das auch mit der anfälligen Defensive zu tun. 15 Gegentore stehen in der Bundesliga nach neun Spielen zu Buche, in der Meistersaison dauerte es bis zum 22. Spieltag, bis diese Marke erreicht wurde.

Ein Gesicht, das 1000 Bände spricht. Xabi Alonso ist nach vier Gegentoren an alter Wirkungsstätte bedient.

© dpa/Federico Gambarini

Auffällig sind die wiederkehrenden individuellen Fehler in der Abwehr. Was die Frage nach Jonathan Tah aufwirft. Dass er nicht nach München wechseln konnte, hat ihm nicht gefallen. Vor diesem Hintergrund sind seine Leistungen in dieser Saison immer noch solide. Aber überragend ist er eben nicht mehr.

Dazu hat im defensiven Mittelfeld Granit Xhaka seine fast schon furchteinflößende Präsenz verloren. Die Leverkusener Passmaschine wirkt zuweilen müde, die lange letzte Spielzeit inklusive der Fußball-Europameisterschaft hat ihm spürbar zugesetzt. Auch deswegen schafft es Bayer nicht, die unglaubliche Dominanz aus dem Vorjahr weiter auf den Platz zu bringen.

Zwar ist die Saison noch jung, in der Liga hat Leverkusen aber bereits sieben Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Bayern München. Die Zweifel mehren sich und nehmen den Spielern die Leichtigkeit. Victor Boniface vergibt immer wieder Großchancen, Florian Wirtz dreht zuweilen einen Kringel zu viel und über die Flügel fehlt Leverkusen das Überraschungsmoment, auch weil Alejandro Grimaldo und Jeremie Frimpong aktuell mehr Abwehrarbeit verrichten müssen.

Für Trainer Xabi Alonso ist diese Situation eine Herausforderung. Es ist eine, der er sich bewusst gestellt hat, als er im März erklärte, vorerst in Leverkusen bleiben zu wollen. Von einer Krise ist er mit seinem Team auch immer noch weit entfernt, trotzdem wartet nun viel Arbeit auf ihn.

Dabei kann Alonso mit taktischen Kniffen helfen, übertreiben aber darf es damit auch nicht. Sonst könnte das wie in Liverpool am Mittwoch auch noch häufiger schiefgehen. Klar ist: Xabi Alonso kann mit Leverkusen trotz des wackligen Starts noch viel erreichen. Historisch wird die Saison 2024/25 aber ziemlich sicher nicht.

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