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Behindertensport in Aufruhr: Scharfe Reaktionen nach Entscheidung des Paralympischen Komitees
Ablehnung aus Deutschland und der Ukraine, Zustimmung aus Russland: Das IPC hebt Sanktionen auf. Wie sich das auf die Winter-Paralympics 2026 auswirkt, bleibt noch offen.
- André Ballin
- Christian Hollmann
Stand:
Die überraschende Entscheidung des Internationalen Paralympischen Komitees zu Russland war nur wenige Stunden alt, da kam entschiedener Widerspruch aus der Ukraine. Sportminister Matwij Bidnyj verurteilte die Aufhebung der IPC-Sanktionen gegen die Dachverbände Russlands und seines Verbündeten Belarus bei der Generalversammlung in Seoul.
Wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hatte das IPC beide Länder 2023 teilweise suspendiert. Erst votierte eine klare Mehrheit der Mitglieder am Samstag zunächst gegen einen Komplettausschluss der Russen. In einem weiteren Votum hob das Gremium dann mit 91:77 Stimmen auch die Teilsuspendierung auf. Ähnlich lief die Abstimmung über weitere Sanktionen gegen Belarus.
Ukraine lässt Teilnahme offen
Der Beschluss des IPC bedeutet, dass Russlands Behindertensportler bei den Paralympics in Mailand und Cortina d'Ampezzo im März 2026 unter eigener Flagge starten dürften. Ob dort dann aber tatsächlich russische Teilnehmer dabei sein werden, ist offen. Die finale Entscheidung über eine Zulassung liegt bei den jeweils für die Sportarten zuständigen Weltverbänden, die zuletzt noch die Sanktionen aufrechterhalten hatten.
Sportminister Bidnyj erklärte bei X, die Entscheidung über eine Teilnahme von Sportlerinnen und Sportlern der Ukraine werde erst zu einem späteren Zeitpunkt gemeinsam getroffen. Er appellierte an die europäischen Partner der Ukraine, nicht zuzulassen, dass Russlands Fahne gehisst werde, während der Krieg weitergehe. Entscheidend sei die Position von Gastgeberland Italien und des Organisationskomitees. „Wir arbeiten in dieser Angelegenheit bereits eng zusammen“, schrieb Bidnyi.
Wir können diese Entscheidung nicht nachvollziehen und akzeptieren, haben aber keine andere Wahl, als diesen demokratischen Beschluss zu respektieren
Karl Quade, Vizepräsident des Deutschen Behindertensportverbandes
Auch der Deutsche Behindertensportverband (DBS) reagierte mit Unverständnis. „Wir können diese Entscheidung nicht nachvollziehen und akzeptieren, haben aber keine andere Wahl, als diesen demokratischen Beschluss zu respektieren“, sagte Vizepräsident Karl Quade. „Aus unserer Sicht hat sich überhaupt nichts an der Situation im Vergleich zur Entscheidung vor zwei Jahren verändert. Wenn man zurückblickt, bleibt da viel Unverständnis“, betonte Quade.
Ähnlich reagierte der Schweizer Verband. „Entsprechend haben wir immer noch dieselbe Haltung und positionieren uns gegen eine Wiederaufnahme der nationalen Komitees von Russland und Belarus“, sagte Christof Baer, der Stiftungsratspräsident von Swiss Paralympic, im Radio SRF.
Lob aus Russland
Ganz anders fiel das Echo in Russland aus. Die Wiederherstellung der Rechte russischer Athleten sei das „Ergebnis einer großen Arbeit“, sagte Russlands Sportminister Michail Degtjarew der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge. „Ich bin sicher, dass dieser Präzedenzfall zum Orientierungspunkt sowohl für das IOC als auch für andere internationale Föderationen wird, die sich dann als gesprächsbereiter erweisen“, fügte er hinzu.
Bei den Paralympics in Paris durften die Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus im vorigen Jahr nur unter neutraler Flagge teilnehmen, bei Siegerehrungen wurden ihre Hymnen nicht gespielt. Zur Eröffnungsfeier waren Russen und Belarussen nicht zugelassen. Mannschaften aus beiden Ländern waren komplett von den Wettbewerben ausgeschlossen.
Durch die Entscheidung von Seoul würden die Behindertensportverbände aus Russland und Belarus nun ihre vollen Rechte zurückerhalten, teilte das IPC mit. „Das IPC wird mit den beiden Mitgliedern zusammenarbeiten, um so bald wie möglich praktische Vorkehrungen hierfür zu treffen“, hieß es.
Bei den Olympischen Winterspielen in Mailand und Cortina d'Ampezzo gelten unter Aufsicht des Internationalen Olympischen Komitees dagegen im kommenden Februar dieselben Auflagen wie in Paris. Teilnehmer aus Russland und Belarus dürfen nur unter neutraler Flagge starten, Teams sind nicht erlaubt.
Das IOC hatte Russlands Nationales Olympisches Komitee suspendiert, weil es die vier annektierten ukrainischen Gebiete Donezk, Cherson, Luhansk und Saporischschja aufgenommen hat. Dies wertete das IOC als Verstoß gegen die olympische Charta. (dpa)
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