
© dpa/Martin Rickett
Bei der Snooker-WM im Crucible von Sheffield: Die zehn denkwürdigsten Matches von Ronnie O’Sullivan
Seit 1993 hat Ronnie O’Sullivan keine Snooker-WM verpasst. Auch in diesem Jahr tritt er trotz langer Wettkampfpause wieder an. Ein Rückblick auf seine größten Matches im Crucible.
Stand:
Lange hat er die Snooker-Welt warten lassen und sich dann doch für eine Teilnahme an der Snooker-WM 2025 entschieden: Ronnie O’Sullivan spiele am Dienstag und Mittwoch in der ersten Runde gegen Ali Carter. Es war sein 33. Erstrundenmatch in Folge im legendären Crucible Theatre zu Sheffield – kein anderer Profi kann eine solche Serie vorweisen.
Wie gut Ronnie O’Sullivan in Form ist, darüber lässt sich trefflich philosophieren. „Ich habe nichts zu verlieren. Es überhaupt hierher geschafft zu haben, ist ehrlicherweise schon eine Leistung. Und wäre es irgendein anderes Turnier, hätte ich wahrscheinlich abgesagt“, begründete O’Sullivan seine Teilnahme im Gespräch mit der BBC im Vorfeld. Zuletzt hatte er im Januar ein professionelles Match gespielt, dabei in der Championship League sein Queue zerstört und war dann von der Bildfläche verschwunden.
Nun will er es also noch einmal wissen, und dass er auch ohne viel Matchpraxis Großes leisten kann, ist bekannt. Gegen Carter wirkte er in den ersten Frames am Dienstag noch etwas eingerostet, nach dem ersten Tag führte er dennoch 5:4. Am Mittwochnachmittag drehte er dann richtig auf und eilte mit drei Century-Breaks zum bemerkenswert ungefährdeten 10:4-Sieg. Im Achtelfinale bekommt er es nun mit dem Chinesen Pang Junxu zu tun.
Letztlich ist es bei O’Sullivan immer eine Frage der Motivation und inwieweit er Nebengeräusche ausblenden kann. „Mental bin ich immer bereit, das war nie ein Problem. Aber technisch bin ich ratlos, was mein Spiel angeht und in einer derartigen Situation war ich bisher noch nie in meinem Leben.“ Am Mittwoch war er gegen Carter zwischenzeitlich in seinem gefürchteten Rhythmus uind könnte in dieser Form noch weit kommen in Sheffield.
O’Sullivan wird in diesem Jahr 50, er ist jetzt schon der älteste Weltmeister im Crucible. Mit sieben WM-Titeln ist er überdies gemeinsamer Rekordhalter mit Stephen Hendry. Während der Schotte in den 1990ern dominierte und dort seine Weltmeisterschaften gewann, verteilen sich O’Sullivans Siege auf mehr als zwei Jahrzehnte. Trotzdem hat er neben großen Erfolgen auch große Niederlagen im Crucible einstecken müssen. Ein Rückblick auf seine zehn legendärsten Matches.
10 Achtelfinale 2018 – 9:13 gegen Ali Carter
2008 und 2012 hat O’Sullivan gegen Carter zweimal im WM-Finale gespielt und jeweils deutlich gewonnen (18:8 und 18:11). Doch diesmal ist alles anders. Das Spiel ist ausgeglichen, vor der finalen Session führt Carter 9:7. Im 19. Frame passiert dann etwas, was so gar nicht zum Gentleman-Sport Snooker passen will.
O’Sullivan fährt die Schulter aus und rempelt Carter an, der hält dagegen. Von seinem Sitz aus ruft O’Sullivan hinterher: „Das war dafür, dass du Mr. Angry bist.“ Carter reagiert mit Ironie und sagt: „Vielen herzlichen Dank, sehr nett von Dir.“ Woraufhin O’Sullivan noch einmal entgegnet: „Dann hör auf, wütend zu sein.“
Carter behält die Nerven, gewinnt das Match 13:9 und meint später auf die Szene angesprochen: „Er hat mich angerempelt, aber sorry, ich lasse mich von niemandem einschüchtern.“ Seither sind sich die beiden nicht mehr grün, dabei war O’Sullivan einst eine Art Mentor für den jungen Ali Carter. Nach O’Sullivans Masters-Sieg im Vorjahr gab es die nächste heftige Kontroverse und nun sehen sich die beiden einmal mehr bei der WM.
9 1. Runde 2019 – 8:10 gegen James Cahill
Gegen James Cahill, der sich als erster Amateur für eine WM-Endrunde qualifizieren konnte, ist O’Sullivan 500:1-Favorit – am Ende verliert er 8:10. O’Sullivan hatte zuvor fünf Turniere in der Saison gewonnen und sich die Weltranglistenführung zurückgeholt. Doch gegen Cahill wirkt er seltsam uninspiriert und lustlos.
Nach dem Match spricht er von einer Viruserkrankung, die ihn beeinträchtigt habe. „Alle meine Glieder sind schwer, ich fühle mich völlig kaputt, ausgelaugt, ohne Energie und habe Mühe, wach zu bleiben. Ich fühle mich absolut entsetzlich.“
Ganz ohne Kampf gibt sich O’Sullivan nicht geschlagen, nach einem 5:8-Rückstand schafft er noch einmal den 8:8 Ausgleich, doch am Ende reicht es nicht mehr zum Comeback-Sieg. Stattdessen steht seine erste Niederlage in einem Auftaktmatch seit der WM 2003.
8 1. Runde 1997 – 10:6 gegen Mick Price
O’Sullivan ist der aufregendste Snooker-Profi unter den jungen Wilden. Und in diesem Erstrundenmatch gegen seinen Landsmann Mick Price zeigt er, warum. Im 14. Frame spielt er das bis heute schnellste Maximum Break in der Snookergeschichte – in 5:20 Minuten, später korrigiert auf 5:08 Minuten, räumt er den Tisch komplett ab.
„Ich konnte nicht glauben, wie schnell er war. Wenn ich es mir jetzt anschaue, rennt er praktisch um den Tisch herum, es war lächerlich, einfach brillant, faszinierend“, erzählte Price später. O’Sullivan verkörpert wie kein anderer die neue Generation. Er geht jeden Ball an und überlegt nicht lange.
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Bei dieser WM reicht das noch nicht, um wirklich weit zu kommen. In der nächsten Runde unterliegt er dem Waliser Darren Morgan mit 12:13. Doch in Erinnerung bleibt diese WM vor allem wegen Ronnie O’Sullivans Schnellfeuereinlage aus Runde eins.
7 1. Runde 1996 – 10:3 vs. Alain Robidoux
O’Sullivan fegt über den kanadischen Altmeister Robidoux hinweg wie die Feuerwehr. Doch bei dem wächst mit jeder Minute der Frust, denn er fühlt sich von dem 20 Jahre jungen Engländer vorgeführt, weil der auch einige Stöße mit der linken Hand ausführt. „Das war respektlos. Ronnie hat so etwas nicht nötig, dazu ist er viel zu talentiert.“
Nach der Niederlage weigert sich Robidoux sogar, dem Gegner die Hand zu schütteln und O’Sullivan reagiert darauf mit Spott: „Er hat Müll gespielt und hätte gar nicht mit mir am selben Tisch stehen sollen. Ich habe auch Müll gespielt und ihn trotzdem 10:3 geschlagen.“
Später entschuldigt sich Robidoux bei O’Sullivan, denn der spielt immer häufiger mit links und mit rechts in einem Match. Inzwischen machen das auch andere Spieler, aber keiner so meisterhaft wie er. „Alain hat das damals nicht gefallen, was ich sogar verstehen konnte. Aber als ich damit einmal angefangen hatte, wurde es irgendwann akzeptiert.“
Bei der WM 1996 schafft es O’Sullivan bis ins Halbfinale, im Viertelfinale kommt es zum ersten Aufeinandertreffen mit John Higgins in Sheffield. Der Schotte führt 10:5 und 12:10, verliert am Ende aber doch. Zwei Jahre später gelingt Higgins auf dem Weg zu seinem ersten WM-Titel die Revanche, 2001 sehen sich beide zum dritten Mal in Sheffield wieder.
6 Finale 2001 – 18:14 gegen John Higgins
Seit Jahren gehört O’Sullivan zur Weltspitze, mit dem WM-Titel aber will es nicht klappen. Schon gibt es Experten, die ihm eine ähnliche Karriere wie Jimmy White prophezeien. Der war zwar Publikumsliebling, aber gewann nie eine Weltmeisterschaft. 2001 straft O’Sullivan alle Zweifler Lügen.

© Imago/Sportimage
Er fliegt förmlich bis ins Finale, führt dort gegen John Higgins nach dem ersten Tag 10:6 und wähnt sich am zweiten Tag bei einer 14:7-Führung schon am Ziel. Doch sein schottischer Counterpart gibt nicht auf und kämpft sich zurück. Beim Stand von 17:13 ist Ronnie O’Sullivan fast durch, verschießt aber eine leichte rote Kugel und muss noch einmal zittern.
Später erzählt er bei Eurosport, wie schwer es ihm damals gefallen sei, die Nerven zusammenzuhalten. „Ich konnte keine drei Kugeln hintereinander spielen und dachte schon, dass ich nicht überrascht wäre, wenn ich noch 17:18 verliere.“ Am Ende aber setzt sich O’Sullivan durch und feiert den bis dato wohl wichtigsten Sieg seiner Karriere.
5 Halbfinale 2013 – 17:11 gegen Judd Trump
O’Sullivan tritt als amtierender Weltmeister ohne jegliche Matchpraxis in Sheffield an. Die Saison hat er ausgelassen und soll das Queue nicht mal angerührt haben. Wieder einmal plagen ihn psychische Probleme. Zwischendurch hat er angeblich sogar Schweine auf einer Farm gehütet.
Für die WM aber kehrt er an den Snookertisch zurück und legt dort die wohl unglaublichste Vorstellung hin, die es in Sheffield je gegeben hat. Er verliert keine einzige seiner Sessions des Turniers, in keinem Match wird es wirklich eng und selbst im mit Spannung erwarteten Halbfinale gegen Judd Trump hat O’Sullivan keine Mühe.
„Ich erinnere mich, dass ich keine Matches gespielt hatte und deswegen sehr eingerostet war. Aber als ich mein Queue wieder zur Hand nahm, hatte ich acht Wochen zu trainieren und mich zu vorbereiten“, erzählte O’Sullivan später. Im Finale gegen Barry Hawkins hätte er dann sein Topniveau erreicht: „Ich glaube, ich habe sechs Centuries gespielt, aber es hätten auch zehn oder elf sein können. Ich habe wirklich gut gespielt und war sehr zufrieden damit.“
4 Halbfinale 2002 – 13:17 gegen Stephen Hendry
Als amtierender Weltmeister und Nummer eins der Rangliste ist O’Sullivan im Duell gegen den Rekordweltchampion Favorit – und das erzählt er vor dem Match auch jedem, der es wissen will. „Ich werde ihn zurück nach Schottland in sein armseliges Leben schicken“, sagt er unter anderem.
Eigentlich bewundert O’Sullivan seinen Gegner, doch weil er zu der Zeit mit dem Boxer „Prince“ Naseem Hamed befreundet ist, lässt er sich von dessen Herangehensweise an einen Kampf beeinflussen, wie er später erzählt: „Am Tag vor dem Spiel sagte er zu mir: ‚Du solltest mehr so oder mehr so sein‘. Für Naz war das in Ordnung, weil er ein Boxer war, aber ich bin ein Snookerspieler.“ Statt den Gegner zu respektieren, versucht sich O’Sullivan in Trash-Talk – und bekommt dafür die Quittung.
Hendry spielt 13 Breaks mit 50 oder mehr Punkten, gewinnt fünf der letzten sechs Frames und setzt sich am Ende mit 17:13 durch. O’Sullivan entschuldigt sich später und bereut sein Verhalten vor dem Halbfinale bis heute: „Stephen war mein Held, ich habe kein einziges Wort damals ernst gemeint.“
3 Halbfinale 2004 – 17:4 gegen Stephen Hendry
Zwei Jahre später macht O’Sullivan alles besser – vor dem Match, währenddessen und danach. Diesmal fliegen stattdessen Hendry die eigenen Worte um die Ohren. „Ich bin in der Lage, ihn zu an die Wand zu spielen, und er ist in der Lage, das Gleiche mit mir zu tun.“
Tatsächlich erleben die Zuschauer im Crucible das klarste WM-Halbfinale in Sheffield überhaupt. O’Sullivan führt schnell 6:2, dann 13:3 und spart sich letztlich sogar eine Session. Hendry kann hinterher nur anerkennen: „Er war einfach zu gut und wenn du ihn sein Spiel spielen lässt, überrennt er dich. Er hat mich komplett zerstört.“
Zum Trost für Hendry: Im Finale ergeht es seinem Landsmann Graeme Dott beim 8:18 auch nicht viel besser, O’Sullivan feiert den zweiten WM-Titel und spielt dabei vielleicht das beste Snooker seines Lebens.
2 Viertelfinale 2005 – 11:13 gegen Peter Ebdon
8:2 liegt O’Sullivan gegen Peter Ebdon in diesem Viertelfinale schon vorn, doch dann dreht sich das Match auf verrückte Weise. Während O’Sullivan immer unruhiger wird, lässt sich Ebdon für jeden Stoß gefühlt unendlich viel Zeit.
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Später erinnert sich O’Sullivan: „Es war schwer, sich das mitanzusehen. Er ließ immer wieder den Ball reinigen. Und er brauchte fünf Minuten, um zwölf Punkte zu machen. Ich habe in der gleichen Zeit, in der er diese 12 gemacht hat, eine 147 geschafft. Und so ging das jeden einzelnen Frame. Am Ende war ich nur noch froh, dass es vorbei war.“
13:11 setzt sich Ebdon durch, spielt clever und liefert damit eine Blaupause für so manchen anderen Gegner O’Sullivans. Die Perfektion Ebdons in diesem Match erreicht aber danach niemand mehr – was für den Snookersport nicht unbedingt von Nachteil gewesen sein muss.
1 Halbfinale 2020 – 17:16 gegen Mark Selby
Selby ist so ein bisschen der neue Peter Ebdon: Ebenso methodisch und taktisch clever, allerdings mit einem besseren Lochspiel. 2014 gewinnt er das WM-Finale gegen Ronnie O’Sullivan – bis heute ist es dessen einzige Niederlage in einem Crucible-Endspiel.
Im Halbfinale 2020 sieht es ebenfalls nicht gut aus für O’Sullivan. Er liegt 14:16 hinten, Fan-Unterstützung gibt es keine, denn die Corona-Pandemie führte zunächst zu einer Verschiebung des Turniers in den August und schließlich sind dort dann auch keine Zuschauer in der Arena zugelassen.
Der 30. Frame, obwohl von Selby gewonnen, bringt dabei die Wende. Denn O’Sullivan ist inzwischen so genervt vom Spiel des Gegners, dass er dessen Snooker gar nicht erst versucht aufzulösen, sondern einfach wild auf die Kugeln losstößt. In den folgenden drei Frames spielt O’Sullivan volles Risiko, geht jede mögliche Kugel an und wird dafür belohnt. Aus dem 14:16 wird noch ein 17:16 und letztlich im Finale der sechste WM-Titel.
Selby ist nach der Niederlage bedient und sagt: „Das fühlt sich schon ein bisschen respektlos an – gegenüber mir und dem Spiel. Es gibt nicht viele Spieler, die mit 100 Meilen pro Stunde auf eine Kugel draufhauen, wenn du sie gesnookert hast.“
O’Sullivan erklärt später seine Taktik mit den Worten: „Ich lasse mich nicht auf acht oder neun 50-Minuten-Frames ein, denn das macht dich kaputt. Deswegen musste ich die Kugeln einfach aufsprengen.“ Und lieferte damit das wohl unwahrscheinlichste Comeback seiner langen Crucible-Geschichte.
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