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Die NFL ist am Donnerstag zunächst am Brandenburger Tor, am Sonntag geht es dann zum Spiel ins Olympiastadion.

© Imago/Foot Bowl

Berlins Football-Legende Roman Motzkus zur NFL: „Die Ticketpreise dürfen nicht ins Unermessliche gehen“

Am Sonntag begleitet Roman Motzkus das Berliner NFL-Spiel für DAZN als Experte. Im Interview spricht er über den deutschen Football-Hype, teure Tickets und die Nachhaltigkeit eines solchen Spiels für seinen Sport.

Stand:

Herr Motzkus, am Sonntag steigt in Berlin erstmals ein reguläres Saisonspiel der NFL. Spüren Sie schon so etwas wie Vorfreude in der Stadt?
Wenn man die Augen aufmacht, dann ist das schon relativ gut gepflastert in Berlin. Das gesamte Sony Center am Potsdamer Platz ist jetzt quasi blau-weiß. Man könnte fast meinen, dass da eine Hertha-Party stattfindet. Aber da steht überall Colts dran, deswegen weiß man, was los ist. Also, man merkt das schon, wobei das natürlich nur für die Innenstadt gilt. Und klar freue ich mich, dass der Fokus hier jetzt auf den Football gelegt wird.

Wobei mit Football nur die NFL gemeint ist.
Die NFL nimmt da schon viele Leute mit und das Ganze ist auch für die Vereine wie Berlin Adler, Berlin Rebels oder Potsdam Royals eine große Chance.

Aber können diese Spiele in Deutschland wie jetzt in Berlin wirklich einen Schub für den American Football hierzulande geben oder ist das Wunschdenken?
Die Hoffnung ist schon, dass, wenn die NFL so was macht, alle davon was abkriegen. Wobei das eine Menge Arbeit ist, die viel Engagement erfordert – oft auch im Ehrenamt. Und Football ist ein teurer Sport. Wenn man die Tackle-Variante spielen will, muss man viel in die Ausrüstung investieren. Aber was natürlich unheimlich hilft, ist die Unterstützung der NFL in Sachen Flag-Football. Da ist eine ganze Menge passiert in den vergangenen Jahren und davon kann der Football insgesamt natürlich profitieren. Zumal Flag-Football ja 2028 auch olympisch ist.

Die NFL spricht von 20 Millionen Football-Fans in Deutschland. Ist das nicht sehr hochgegriffen?
Wenn wir bei der Hälfte von den 20 Millionen ankommen, dann sind es die, die schon mal von Football gehört und vielleicht auch ein Spiel geguckt haben. Drei bis vier Millionen Menschen verfolgen die NFL regelmäßig auf den verschiedenen Plattformen – also bei RTL, bei uns im Stream bei DAZN oder via Game Pass.

Das klingt jetzt nicht unbedingt nach Hype, von dem auch gern mal die Rede ist.
Ein Hype ist das für mich nicht, denn das bedeutet ja, dass es kurzfristig eine Spitze gibt und danach auch schnell wieder abebbt. Aber seit 2015, als die wöchentlichen NFL-Übertragungen im Free-TV begannen, ist das Interesse kontinuierlich gewachsen, wobei die Wachstumskurve jetzt abebbt. Aber es gibt inzwischen schon eine verhältnismäßig große Gruppe an Interessierten. Klar ist trotzdem: Football ist in Deutschland immer noch eine Randsportart.

Viele NFL-Fans interessieren sich auch gar nicht für den deutschen Football.
Richtig, man kann tatsächlich NFL-Fan sein, ohne sich für Football in Deutschland zu begeistern. Aber das ist der Punkt, an dem wir ansetzen müssen. Dass man diesen drei, vier Millionen Menschen das schmackhaft macht und sie vielleicht mal ins Nachbardorf gehen und sich da ein Spiel anschauen. Da wird auch toller Sport gezeigt.

Wenn man sich die Entwicklung der German Football League (GFL) oder noch drastischer der European League of Football (ELF) anschaut, wirkt das jetzt nicht immer so toll.
Im Moment ist das schon problematisch. In der GFL ist nun eine Restrukturierung geplant. Mit zwölf Teams in der ersten und zwölf und in der zweiten Liga. Qualität geht vor Quantität, es bringt ja nichts, wenn du Ergebnisse von 70:0 hast. Das interessiert irgendwann keinen mehr. Bei der ELF oder der Abspaltung EFA sehe ich nicht, dass das nachhaltig ist. Einfach, weil die gemerkt haben, dass Football eben auch Geld kostet, wenn man es professionell aufziehen will. Und das ganze Chaos da kann dem Football insgesamt auch schaden, weil die Sponsoren dann verbrannt sind.

Lässt sich mit Football in Europa denn überhaupt Geld verdienen?
Nein, man steckt eigentlich immer nur noch mehr Geld rein.

Die NFL wird trotzdem immer internationaler. Und Deutschland scheint ein besonders guter Markt zu sein.
Ja, inzwischen gibt es hier elf Teams mit Marketingrechten. Da sieht man schon, dass das ein guter Markt sein muss. Die Merchandising-Umsätze sind hoch und die NFL hat einen großen Bekanntheitsgrad in der Sportszene. Allerdings darf man es auch nicht überziehen.

Das Spiel in Berlin war eben nicht in einer Stunde ausverkauft.

Roman Motzkus über die Zahlenspiele der NFL in Sachen Tickets

Was meinen Sie konkret?
Schauen Sie sich nur mal die Ticketpreise an. Das Spiel in Berlin war eben nicht in einer Stunde ausverkauft. Es gab zuletzt immer noch Tickets, die aber kosteten 250 Euro oder so. Die Leute haben nicht mehr so viel Geld zur Verfügung, weil alles andere auch teurer geworden ist. Ob dann am Ende 70.000 oder 72.000 Leute im Stadion sind, spielt jetzt keine große Rolle. Aber die NFL muss erkennen, dass sie in Sachen Ticketpreise nicht ins Unermessliche gehen kann.

Die NFL sprach ihrerseits von einer Million Ticketabfragen für das Berlin Game.
Das mag ja sein, aber wenn ich bis zur Auswahl durchkomme und dann sehe, dass die billigste verfügbare Karte 185 Euro kostet, dann breche ich den Vorgang ab und kaufe eben kein Ticket. Das war dann auch ein Aufruf. Die NFL bringt aber die Zahlen nach außen, die ihnen am besten gefallen. Aber Aufrufe sind nicht gleich Ticketkäufe.

Viele Karten wurden auch im Ausland abgesetzt.
Ja, da kommen wirklich viele Leute. Das ist jetzt das 61. International Game und für viele Menschen ist es einfach günstiger nach Berlin zu fliegen als in die USA. Oder wenn man sich die Spiele beispielsweise in London ansieht, dann war das Publikum da auch immer schon sehr gemischt.

Und das rechnet sich dann für die Ausrichterstädte?
Genau. Weil die Leute, die kommen, dann auch über Nacht bleiben und in der Stadt ihr Geld lassen. Schätzungen für Frankfurt oder München besagen, dass pro Spiel dort 80 bis 100 Millionen Euro von den Football-Besuchern ausgegeben wurden. Und das ist natürlich ein wichtiger Faktor.

Die NFL schmückt sich gern mit den Wahrzeichen Ihrer internationalen Gastgeber.

© dpa/Jordan Raza

Also ist es aus Ihrer Sicht richtig, dass der Berliner Senat für die drei NFL-Spiele in der Stadt bis 2029 12,5 Millionen Euro ausgibt?
Damit werden beispielsweise Schulprogramme unterstützt oder die Lehrerausbildung. Vereine erhalten Mittel, um ihre Sportplätze angepasst zu bekommen. Das sind jetzt keine Millionenbeträge, aber immerhin ein Anfang. Und die NFL selbst investiert ja auch noch mal 50 Millionen Euro bis 2029, zum Beispiel in die Förderung des Flag-Footballs. Das mag sehr sportspezifisch klingen, aber ist für den Football in der Stadt natürlich eine gute Sache.

Der Berliner meckert trotzdem.
Wie heißt es hier so schön: Nicht gemeckert, ist genug gelobt. Ich bin in Berlin geboren und aufgewachsen. Ich kenne das gar nicht anders. Ich weiß es aber auch zu nehmen und erkenne, wenn jemand freundlich ist. Von daher finde ich das gar nicht so schlimm. Denn wahr ist auch: Berlin ist eine weltoffene Stadt und sollte deswegen auch einer Veranstaltung wie dem NFL-Spiel gegenüber aufgeschlossen sein.

Zumal American Football in der Stadt ja eine große Tradition hat.
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, was Anfang der 1990er Jahre hier los war. Da gab es fünf American Bowls und was war das für eine Party damals! Das ging über mehrere Tage und hat dem Football in Berlin einen enormen Schub gegeben. Diese Weltoffenheit von damals würde uns auch heute gut zu Gesicht stehen. Immer alles auf den Kommerz zu reduzieren, kann es doch auch nicht sein.

Aber die NFL will doch mit diesem Spiel in erster Linie Geld verdienen.
Natürlich. Football ist ein Business. Aber die NFL tut eben auch eine ganze Menge, um den Sport weltweit zu verbreiten und auch, um Berlin eine große Plattform zu bieten. Die Bilder, die vom Spiel um die Welt gehen, werden in 120 Länder übertragen. Das hilft der Stadt, zu zeigen, dass wir Berliner auch feiern können.

Sie sind am Sonntag beim Spiel der Indianapolis Colts gegen die Atlanta Falcons als Experte für DAZN vor Ort. Was erwartet denn die Zuschauer im Olympiastadion, die die NFL sonst nur aus dem TV oder Stream kennen?
Es wird ein Unterhaltungsprogramm geben, was man sonst im Olympiastadion nicht gewohnt ist. Auch, weil es viel mehr Unterbrechungen gibt. Da gibt es die Cheerleader der Colts, natürlich kleine Gewinnspiele oder Commercials. Die Atmosphäre ist auch eine andere, weil du auch Zeit hast, mit deinem Sitznachbarn über das gerade Gesehene zu diskutieren. Und da spielt es dann auch keine Rolle, ob der nun mit dem einen oder anderen Team mitfiebert. Die Leute werden einfach eine gute Zeit haben und sehen, warum es immer heißt: Football is family.

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