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Mit Geräten wie dem Pauschenpferd verbinden viele Menschen keine besonders schönen Erinnerungen.

© dpa/Sebastian Kahnert

Bewegung statt Bewertung: Sportunterricht braucht keine Noten, sondern Anerkennung

An einer Leipziger Schule werden sportliche Leistungen nicht mehr bewertet. Alternativen zu Noten zu schaffen, ist längst überfällig. Doch in der Neuerung steckt ein Risiko.

Inga Hofmann
Ein Kommentar von Inga Hofmann

Stand:

Keine Noten fürs Bockspringen, Barrenturnen und andere Übungen, mit denen man sich während der Schulzeit herumplagen muss?

Am Montessori-Schulzentrum in Leipzig ist das jetzt Realität. Ab der fünften Klasse gibt es im Schulfach Sport keine Noten mehr, ähnlich verfahren bereits andere sächsische Grundschulen, etwa in Chemnitz und Dresden.

Die Vorstellung werden viele verlockend finden. Und tatsächlich: Alternativen zu Schulnoten zu schaffen, ist gerade im Sport längst überfällig.

Mehr als in anderen Fächern bilden sie nur allzu selten die individuellen Entwicklungen ab, sondern reduzieren Schüler und Schülerinnen auf Leistungen, die angesichts ihrer unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen nur schwer vergleichbar sind.

Hinzu kommt, dass man die meisten Geräteübungen, etwa am Barren oder auf dem Schwebebalken, kaum außerhalb der Turnhalle trainieren kann. Das macht es schwieriger als in Fächern wie Deutsch oder Mathematik, sich durch konsequentes Üben zu verbessern.

Der Schulsport steckt in der Krise

Dass Prüfungssituationen Kindern und Jugendlichen im schlimmsten Fall sogar den Spaß an der Bewegung nehmen können, zeigt eine Umfrage zum Sportunterricht von der fünften bis zur zehnten Klasse. Leistungsdruck gehöre zu den meistgenannten Ursachen für Scham und Angst, sagt David Wiesche vom Lehrstuhl für Sportpädagogik und Sportdidaktik an der Ruhr-Universität Bochum.

Und doch steckt in der Neuerung der Montessori-Schule ein Risiko. Die fehlende Benotung könnte dazu führen, dass der Sportunterricht, der seit Jahren in der Krise steckt, noch mehr entwertet wird. Das darf aber nicht sein.

Sport ist ein wichtiges Schulfach. Aber wenn Noten dafür verteilt werden sollen, dann zuerst für das Engagement, das die Schule selbst in dem Fach zeigt.

Inga Hofmann, Tagesspiegel-Sportredakteurin

Maximal zwei Stunden pro Woche stehen in den meisten Bundesländern zur Verfügung, etliche Sporthallen sind baufällig, es mangelt an Lehrkräften. Wenn jetzt auch noch die Noten abgeschafft werden, warum soll man sich dann überhaupt noch anstrengen, anstatt die Stunden sausen zu lassen?

Gemeinsames Sporttreiben hat auch positive Effekte auf die Psyche: Kinder beim Dribbeln mit Basketbällen in einer Sporthalle.

© Getty Images/E+

Der Schulsport darf nicht abgewertet, er muss aufgewertet werden. Regelmäßige Bewegung ist wichtig, womöglich wichtiger denn je. Gerade einmal jedes zehnte Mädchen und jeder fünfte Junge bewegt sich dem Kindergesundheitsbericht 2024 zufolge ausreichend am Tag. Rund 15 Prozent der Kinder in Deutschland haben Übergewicht.

Schulen tragen Verantwortung

Kinder und Jugendliche verbringen einen Großteil ihrer Zeit in den Schulen, daraus ergibt sich eine zentrale Verantwortung. Sport kann einen Ausgleich zum Alltag bilden, der größtenteils aus ungesunden, sitzenden Körperhaltungen besteht. Er kann Selbstbewusstsein und Körpergefühl stärken. Er kann positive mentale Effekte haben, in Zeiten, in denen immer mehr junge Menschen psychische Probleme haben. Und er kann das Gefühl vermitteln, dass es sich lohnt, durchzuhalten und auf etwas hinzutrainieren, um Erfolg zu haben.

Die Abschaffung der Noten kann ein erster Schritt sein, um den kompetitiven Charakter abzuschaffen und die gemeinsame Bewegung in den Vordergrund zu stellen. Doch für weitere Schritte wie vielfältigere Bewegungsangebote und mehr Wochenstunden müssten Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.

Sport ist ein wichtiges Schulfach. Aber wenn Noten dafür verteilt werden sollen, dann zuerst für das Engagement, das die Schule selbst in dem Fach zeigt.

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