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Hat Glück – oder auch nicht. Nick Woltemade spielt mit Newcastle am Boxing Day.

© dpa/Owen Humphreys

Ungewöhnlicher Boxing Day in England: Wie der Kalender eine Weihnachtstradition ausbremst

Am 26. Dezember gibt es erstmals seit 1945 nur ein Fußballspiel in der Premier League. Der ausgedünnte Boxing Day sorgt für Ärger – und bietet kleineren Klubs eine unverhoffte Gelegenheit.

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Mehr als 200 Kilometer sind es von Newcastle nach Manchester. Ob mit dem Zug oder im Auto fährt man fast sechs Stunden hin und zurück. Das ist also eigentlich keine Reise, die man am 2. Weihnachtstag gerne unternimmt. Trotzdem werden am Freitag tausende von Fußballfans genau das machen.

In England geht man am 26. Dezember schließlich schon seit 150 Jahren ins Stadion, und zwar egal, wie lang der Weg dahin ist. Der Spieltag am sogenannten „Boxing Day“ ist eine Tradition, die so sehr zum britischen Fest gehört wie Truthahn, Papierkronen oder mit Rosinen gefüllte Mince Pies. Oder er war das zumindest immer – bis 2025.

Denn im modernen Fußball ist bekanntlich nichts mehr heilig und in diesem Jahr gibt es große Sorgen um die Zukunft der Tradition. Das Spiel zwischen Newcastle und Manchester United ist an diesem Freitag (21 Uhr/Sky) das einzige zwischen zwei Premier-League-Mannschaften. Zum ersten Mal seit 1945 gibt es damit nur einen Erstliga-Termin am Boxing Day.

Für viele Anhänger auf der Insel ist das ein schwer erträglicher Sittenverfall. In den Zeiten von neunstelligen Transfersummen und emiratischen und saudi-arabischen Vereinspräsidenten ist der Boxing-Day-Spieltag für britische Fußballtraditionalisten eins der letzten Überbleibsel aus einer vergangenen Zeit. Es ist die Chance, nach den Festtagen den familiären Pflichten zu entkommen und in der Gemeinschaft zu feiern.

66
Tore fielen 1963 in zehn Spielen am Boxing Day

Außerdem liefert er oft auch spektakulären Fußball mit ungewöhnlich vielen Toren. Legendär ist dabei vor allem der Boxing-Day-Spieltag von 1963, wo es 66 Tore in zehn Spielen gab. Seitdem kam das öfter vor, wie zuletzt 2021, als es im Schnitt 5,2 Treffer pro Boxing-Day-Spiel gab.

Dieses Jahr müssen die meisten Fans aber bis zum 27. warten, um ihre Mannschaft am Weihnachtsspieltag zu schauen. Und so überschaubar der Unterschied für Außenstehende auch erscheinen mag, hat das für mächtigen Aufruhr auf der Insel gesorgt. Auch die Premier League musste „die schwere Auswirkung auf eine wichtige Tradition“ anerkennen, als sie Ende Oktober die Ansetzung des Spieltags verkündete.

Wie so oft im modernen Fußball liegt das Problem im Kalender. Schon seit Jahren beschweren sich Trainer und Spieler, dass der Terminstau im englischen Fußballwinter zu einer extrem erhöhten Belastung der Spieler beiträgt. Mit der Klub-WM und den zwei zusätzlichen Spieltagen in der Champions League und der Europa League ist das Problem mittlerweile größer denn je.

Im nächsten Jahr wird wieder alles besser

Gerade die Aufblähung der europäischen Wettbewerbe habe der Premier League ihren eigenen Aussagen zufolge die Hände gebunden. Die zusätzlichen Termine haben „zu einer Überarbeitung des Kalenders geführt“, hieß es in der Stellungnahme im Oktober. Die Liga wolle dafür sorgen, dass keine Mannschaft zwei Spiele innerhalb von 60 Stunden bestreiten muss.

Für die Romantiker ist aber damit nicht alles verloren. Im kommenden Jahr fällt der Boxing Day nämlich auf einen Samstag, was die Terminfindung deutlich einfacher machen sollte. „Die Liga kann versichern, dass es in der Saison 2026/27 wieder mehr Spiele am Boxing Day geben wird“, hieß es von offizieller Seite bereits.

Ganz ohne Fußball müssen die Fans in Großbritannien aber auch in diesem Jahr nicht auskommen. In den unteren Ligen wird nämlich weitergespielt wie immer. Und für die zahlreichen Profiklubs außerhalb der ersten Spielklasse könnte der Mangel an Premier-League-Spielen sogar zum Segen werden, wenn frustrierte Fans stattdessen in ihre Stadien pilgern.

„Für die Klubs in den unteren Ligen ist der Boxing Day ohnehin schon der wichtigste Tag im Kalender, sowohl aus kommerzieller als auch aus gesellschaftlicher Sicht“, sagte etwa Jon Couch, der Chefredakteur der „Non-League-Paper“ gerade im Interview mit dem „Guardian“. „Dieses Jahr ist es eine echte Gelegenheit. Für die Vereine, die ein Heimspiel haben, ist das wie ein spätes Weihnachtsgeschenk.“

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