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Brasiliens Blindenfußballer haben bei fünf Austragungen fünfmal Paralympics-Gold gewonnen.

© AFP/BEHROUZ MEHRI

Brasilien ist Top-Favorit im Blindenfußball: Warum die Ballkünstler vom Amazonas nahezu unschlagbar sind

Brasilien hat bei den Paralympics immer Gold gewonnen im Blindenfußball und noch nie ein Spiel verloren. Diese Serie soll in Paris halten. Was macht das Team so stark?

Von Tim Rosenberger

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Wer bei den Olympischen Spielen das Beachvolleyballturnier verfolgt hat, hat sofort Bilder der grandiosen Partystimmung rund um das Stadion am Eiffelturm im Kopf. Bei den Paralympics wird dort nun Blindenfußball stattfinden – doch die Atmosphäre wird etwas anders aussehen.

Damit die Spieler die gegenseitigen Kommandos verstehen können, muss es auf den Rängen absolut leise sein. Trotzdem ist die gesamte Kulisse natürlich einzigartig. Fans dürfen sich auf ein tolles Event freuen, bei dem der große Favorit dieses Mal möglicherweise mehr Konkurrenz bekommt als sonst.

Wer ist die Nation, die seit der paralympischen Premiere 2004 in Athen jede Goldmedaille abgeräumt und dabei auch noch immer ungeschlagen geblieben ist? Die Rede ist vom fußballverrückten Brasilien.

Auf die Förderung kommt es an

Die Anfänge des Blindenfußballs in Brasilien liegen bereits über 60 Jahre zurück. Schon seit den 1960ern gab es organisierte Turniere. 1998 fand die erste Weltmeisterschaft im brasilianischen Campinas statt, der Gastgeber gewann im Finale gegen Argentinien. Die Förderung des Blindenfußballs in Brasilien ist umfangreich, ein Leben als Blindenfußballprofi ist möglich.

„Die Brasilianer haben ein super Nachwuchsprogramm. Die Juniorennationalmannschaft wird gerade auf die Paralympics in Los Angeles 2028 vorbereitet und ist eigentlich schon auf Weltklasseniveau“, sagt Sven Gronau. Der Torwart des Blindenfußballteams des FC St. Pauli ist selbst in Paris vor Ort und wird das Turnier verfolgen.

Um Inklusion zu fördern, existiert auf dem brasilianischen Arbeitsmarkt eine Quotenregelung, die besagt, eine bestimmte Anzahl an Menschen mit Behinderung einzustellen. Um Strafen zu entgehen, beschäftigen daher viele Firmen Para-Spitzensportlerinnen und -sportler, die lediglich Angestellte auf dem Papier sind. Der Vorteil: Die Athletinnen und Athleten können sich voll und ganz auf ihren Sport konzentrieren. Die Kehrseite: Behinderte Menschen, die es nicht in den Spitzensport schaffen, haben es deutlich schwerer, einen Job zu finden.

Ein profaner, aber weiterer Grund, warum Brasilien so viele gute Spieler hat, liegt im Gesundheitssystem. Durch schlechte medizinische Versorgung leben in Brasilien mehr seheingeschränkte Menschen als in Industrieländern wie Deutschland.

Jogo Bonito, aber blind

Bei ihrer Spielweise bleiben die Brasilianer ihrer Identität treu. Es sind die Magie und die Dribblings, die das brasilianische Spiel so schön machen. „Spieler wie Jefinho umkurven die Gegner wie im Slalom und schießen dann den Ball knallhart ins Tor“, sagt Gronau. Er selbst durfte mal gegen den Mann mit dem Spitznamen „Pelé des Blindenfußballs“ antreten. Ein weiterer Topstar des Teams ist Ricardinho.

Der Ausnahmespieler dominiert den Blindenfußball seit Jahren, 2016 schoss er das goldene Tor zum Paralympicssieg bei den Heimspielen in Rio. Bei der vergangenen WM in England fehlte er, was dazu führte, dass sich Argentinien den Titel schnappte. In Paris ist er wieder dabei und greift nach der Goldmedaille.

Dabei könnte dieses Unterfangen gar nicht so leicht werden, wie es die Historie vermuten lässt. Das Turnierfeld ist stark besetzt, die anderen Nationen haben aufgeholt. „Die Konkurrenz ist größer geworden. Argentinien wird eine Chance haben, aber vor allem China erwarte ich extrem stark“, prognostiziert Gronau für das Turnier, das am Sonntag begann. „China hat richtige Maschinen auf dem Platz stehen, die taktisch sehr gut eingestellt sind. Die verschieben wie auf dem Schachbrett.“ Auch Japan und Kolumbien seien nicht zu unterschätzende Gegner.

Die deutsche Mannschaft hat sich für Paris nicht qualifiziert. Ob eine Teilnahme 2028 in Los Angeles möglich sein könnte, bezweifelt Gronau: „Ich fürchte, die Strukturen in Deutschland sind nicht gut genug, um ein Team auf Weltklasseniveau heben zu können.“

Eine Änderung des Modus könnte jedoch neue Hoffnung bringen: „Bei einem Frauenblindenfußballturnier hätte Deutschland gute Chancen“, sagt Gronau. In Paris wird ausschließlich ein Turnier der Männer ausgespielt.

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