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Bürokratie und mangelnde Wertschätzung: Warum sich weniger Menschen ehrenamtlich im Sport engagieren – und was dagegen hilft
Die Anzahl der Engagierten in Vereinen und Verbänden ist gesunken. Jan Holze von der Stiftung für Ehrenamt erklärt die Hintergründe und nennt fünf Maßnahmen, die dem entgegenwirken könnten.
Stand:
Fast 27 Millionen Menschen in Deutschland engagieren sich ehrenamtlich – eine beeindruckende Zahl, die zugleich Anlass zur Sorge gibt. Denn noch vor sechs Jahren waren es rund drei Millionen mehr.
Das zeigt der kürzlich veröffentlichte Freiwilligensurvey der Bundesregierung. Diese drei Millionen Engagierten fehlen heute unter anderem in Sportvereinen und -verbänden, etwa als Trainerinnen, Trainer oder Schiedsrichter. Denn der Großteil des freiwilligen Engagements findet dem Survey zufolge im Sport statt.
„Das ist frappierend“, sagt Jan Holze, Vorstand der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. „Immerhin engagieren sich diejenigen, die bereits aktiv sind, intensiver und häufiger. Dadurch entsteht eine gewisse Kompensation.“
Er führt den zahlenmäßigen Rückgang auf verschiedene Faktoren zurück. Erstens würden die langfristigen Folgen der Corona-Pandemie eine Rolle spielen. Zweitens sei der Einfluss der gesamten wirtschaftlichen Entwicklungen nicht zu unterschätzen. „Viele müssen sich uneingeschränkt auf ihren Beruf konzentrieren.“ Drittens seien die Hürden für ehrenamtliches Engagement vielfach zu hoch: Betroffene berichten von mangelnder Wertschätzung bis zu Anfeindungen und Gewalt, etwa im Schiedsrichterwesen.
Dass Menschen sich deshalb aus dem Ehrenamt zurückziehen, ist insbesondere im Sport ein Problem, weil auf der anderen Seite die Mitgliederanzahl in den Vereinen und Verbänden steigt. Erst kürzlich gab der Deutsche Olympische Sportbund einen neuen Mitgliederrekord von über 29 Millionen Menschen bekannt. „Es mangelt an Menschen, die sich um die Sportlerinnen und Sportler kümmern. Der organisierte Sport ist auf Ehrenamtliche angewiesen.“ Doch was braucht es, um mehr Menschen für ein Ehrenamt zu begeistern – und sie langfristig zu halten?
1. Abbau von bürokratischen Hürden
Ein Großteil der Ehrenamtler in Deutschland bezeichnet die bürokratischen Hürden als besonders belastend. Das zeigen auch die Zahlen: Ein durchschnittlich großer Sportverein wendet sechseinhalb Stunden pro Woche oder 42 Tage im Jahr für Bürokratie auf.
„Damit sind keine innervereinlichen Prozesse gemeint, sondern das, was von außen obendrauf kommt“, erklärt Holze. „Wenn ein Verein etwa einen Marathon organisieren will, muss er sich mit mindestens zehn Behörden auseinandersetzen. Das führt zu Frustration. Da braucht es Entlastungen und die Unterstützung des Gesetzgebers sowie der öffentlichen Verwaltung.“
2. Frauen fördern
Holze zufolge ist das Ehrenamt im Sport stark männlich geprägt – anders als etwa im Bereich der sozialen Arbeit. Spricht er dieses Problem bei Vereinen und Verbänden an, reagieren die Verantwortlichen meist auf zwei Arten: Entweder resignieren sie – oder sie rufen gezielte Frauenförderprogramme ins Leben beziehungsweise führen eine Frauenquote ein.
„Es braucht eine Mischung. Insbesondere in Bereichen, in denen sich bislang wenig getan hat, kann eine Quote sinnvoll sein. Ferner braucht es Programme, um Frauen gezielt anzusprechen und mit Qualifikationen auszustatten.“
Als positives Beispiel nennt er den Deutschen Handball-Bund: Dieser führte eine Quotenregelung für den Verband und Qualifizierungsprogramme für Schiedsrichterinnen ein. Im Präsidium sind mittlerweile vier von elf Mitgliedern Frauen.

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Auch im Deutschen Turner-Bund hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Insbesondere im Jugendbereich werden Frauen gezielt gefördert und an Positionen mit Verantwortung herangeführt. „Da ist die Mitbestimmung von Frauen bereits in allen Bereichen gelebte Kultur“, sagt Holze. „Da braucht es keine Brechstange wie die Quote.“ Im Allgemeinen Deutschen Hochspulsportverband gibt es wiederum ein Mentorinnen-Programm, bei dem ältere Frauen ihre Erfahrung an jüngere weitergeben und diese unterstützen.
Insbesondere Frauen stehen aber häufig auch vor der Herausforderung, Familie, Job und Ehrenamt unter einen Hut zu bekommen. Holze wünscht sich, dass die Vereine darauf mehr Rücksicht nehmen, also beispielsweise ihre Sitzungszeiten anpassen und Konferenzen digital stattfinden lassen.
3. Mehr Wertschätzung
Ein zentraler Aspekt ist außerdem das Thema Wertschätzung. „Dass die Menschen das unentgeltlich in ihrer Freizeit machen, wird häufig kaum anerkannt“, sagt Holze. „Und selbst, wenn sie eine geringe Aufwandsentschädigung erhalten, rechtfertigt das nicht jeden Umgang.“
Damit bezieht Holze sich auch auf Anfeindungen bis hin zu körperlicher Gewalt, beispielsweise im Schiedsrichterbereich. „Das schreckt andere Menschen ab und führt dazu, dass sich weniger ehrenamtlich engagieren.“
Damit sich das ändert, fordert Holze die konsequentere Durchsetzung von Sanktionen. „Es braucht klare Ansprachen an diejenigen, die sich nicht an Regeln halten. Den Schiedsrichter zu beleidigen, ist kein Kavaliersdelikt. Da muss man knallhart Grenzen setzen, im Zweifel Hausverbote erteilen. Nur so können sich die Engagierten wohl und sicher fühlen.“
4. Unterrepräsentierte Gruppen stärken
Gerade Menschen mit Behinderung sind im Ehrenamt unterrepräsentiert. Holze zufolge fehlt es sowohl an Vorbildern als auch am „Mut der Vereine und Verbände, sich diesen Themen zu widmen“. Abhilfe könnte auch die sogenannte „Sportmilliarde“ schaffen: Mindestens eine Milliarde Euro hat die Bundesregierung für die Sanierung maroder Sportanlagen zugesagt. „Sie sollte nicht nur dabei helfen, Sportstätten zu sanieren, sondern auch beim Thema Barrierefreiheit voranzukommen“, so Holze.
5. Ältere Menschen ansprechen
Ein Blick auf den Freiwilligensurvey der Bundesregierung zeigt zudem, dass die Engagementquote in jüngeren Altersgruppen am höchsten ist. Mit zunehmendem Alter nimmt die Zahl der Engagierten ab. Holze plädiert daher dafür, Rentnerinnen und Rentner gezielter anzusprechen. „Das liegt auch daran, dass der Sport sich gern als jung und hipp darstellt – und damit Ältere verprellt. Vereine und Verbände sollten gezielt die Lebenserfahrung der Älteren nutzen und diese in geeigneter Weise einbeziehen. Da fehlt oft noch die Flexibilität.“
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