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Energie Cottbus: Da hört der Spaß auf

Energie Cottbus sucht am Samstag gegen Bayer Leverkusen nach der letzten Chance im Abstiegskampf – und wird schon melancholisch.

Von Katrin Schulze

Die Sonne knallt auf das Stadion der Freundschaft. Sie lässt die Sitze im Inneren in einem fast aufdringlichem Rot blitzen und sogar die in schnödem Betongrau gehaltene Stehplatztribüne schimmern. Die Arena hat sich herausgeputzt, der Anlass gebietet es auch: Am Sonnabend könnte sie das vorerst letzte Spiel des FC Energie Cottbus in der Fußball-Bundesliga beherbergen. Etwa 20 000 Zuschauer wollen ihre Mannschaft dann zu einem Sieg über Bayer Leverkusen schreien. Noch jedoch herrscht Ruhe, wenige Tage vor dem Saisonfinale sucht nur ein kurzer Windzug das Stadion heim. Ein paar Meter entfernt trainieren die Profis für die Mission Klassenerhalt. Das heißt, eigentlich kämpfen sie vielmehr.

Womöglich kämpfen die Cottbuser am Ende einen aussichtslosen Kampf. Denn selbst wenn sie gegen Leverkusen gewinnen, müssen sie auf einen Patzer von Bielefeld hoffen, um wenigstens den zur Relegation berechtigenden 16. Rang zu erreichen. Da die punktgleichen Arminen darüber hinaus das bessere Torverhältnis aufweisen, fragt sich selbst Energie-Trainer Bojan Prasnikar, ob es überhaupt realistisches Ziel ist, den Klassenerhalt zu schaffen. „Man wird sehen“, lautet seine Antwort. Optimismus hört sich anders an. Prasnikar weiß um die Aussichten seines Teams, und gerade deshalb legt er beim Training Wert auf Ernsthaftigkeit. Nachdem sich seine Profis mit lockeren Aufwärmübungen beschäftigt haben, kündigt er an: „Jetzt gibt es keinen Spaß mehr.“

Den Spaßfaktor haben sie in der Lausitz ohnehin schon seit einiger Zeit drastisch zurückgeschraubt. Zu bedrohlich ist die Lage bei Energie: Drei Niederlagen in Folge ließen die Mannschaft auf Platz 17 abrutschen. Noch immer trauert sie wegen der Niederlagen gegen Mönchengladbach und den VfB Stuttgart, bei denen sie laut Abwehrspieler Daniel Ziebig einfach „überhaupt kein Glück hatten“. Nun bleibe eben nur ein Fünkchen Hoffnung. Zwar sind die Cottbuser erprobt im Abstiegskampf, trotzdem ist diesmal etwas anders: In den vorangegangen beiden Spielzeiten sicherten sie sich schon vor dem letzten Spieltag den Klassenerhalt. „Dass wir es diesmal nicht mal mehr selbst in der Hand haben, stimmt mich nachdenklich“, sagt Ziebig. Die Melancholie hat in der Mannschaft von Prasnikar eine neue Dimension erreicht.

Dabei hat sich das weitreichende Tief über Cottbus angekündigt. Immer wieder in dieser Saison brachen Querelen zwischen Mannschaft und Vereinsführung auf. Unrühmlicher Höhepunkt war die Suspendierung von Verteidiger Igor Mitreski, der in der Hinrunde öffentlich Kritik an Mitspielern und Vorstand geübt hatte. Bis heute schleppt Energie diese Altlasten mit sich herum. „Viele meiner Spieler haben für unser Ziel alles gegeben“, sagt Bojan Prasnikar. Er sagt nicht: „alle“. Und er sagt auch nicht: „die Mannschaft“. Überhaupt kann Prasnikar nicht nachvollziehen, dass er immer wieder für sein straffes Arbeitspensum angegangen wird. „Dass wir jetzt dort stehen, wo wir stehen, zeigt, dass wir eher zu wenig als zu viel trainiert haben“, sagt er. Die Einstellung einiger Spieler macht dem 56 Jahre alten Slowenen sichtlich zu schaffen.

Es scheint, als wäre Energie die Einheit, die sie noch in den vergangenen Jahren ausgezeichnet hatte, abhanden gekommen. „In Anbetracht unseres Etats können wir in der Ersten Liga nur bestehen, wenn alles stimmt“, sagt Ziebig. An die möglichen Folgen des zweiten Abstiegs nach 2003 will der 26 Jahre alte Abwehrspieler noch gar nicht denken. Mehr als zehn Millionen Euro Etat würde Energie einbüßen, die Gehälter würden um die Hälfte gekürzt. Und eine ganze Region würde sich in eine Trauergemeinschaft verwandeln. Das sagen hier alle. Kaum ein anderes Gebiet lebt so vom Erstligafußball wie die Lausitz. „Hier ist jedes Bundesligaspiel ein Feiertag“, sagt Ziebig.

Um auch künftig feiern zu können, wollen die Cottbuser am Sonnabend mit einem Sieg ihren Teil zur Mission Klassenerhalt beitragen. Dass ihnen gegen Bayer wohl erneut die Offensivkräfte Ivica Iliev und Dimitar Rangelow verletzungsbedingt fehlen, trifft sie jedoch schwer – zuletzt blieb Energie in zwei Begegnungen torlos. Und so lässt Trainer Bojan Prasnikar an diesem Nachmittag vor allem eines einstudieren: das Toreschießen. Flanke, Kopfball. Flanke, Kopfball. Immer wieder. Irgendwann haben es die Profis geschafft. Als sie nach der Trainingseinheit vorbei am Stadion zurück in die Kabinen trotten, sind dort längst ein paar dunkle Wolken aufgezogen.

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