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Mehr als 4000 Mitglieder waren in den City Cube gekommen.

© imago/Nordphoto/IMAGO/nordphoto GmbH / Engler

Das falsch verstandene Erbe von Kay Bernstein: Die Lehren aus der Mitgliederversammlung von Hertha BSC

Die Mitglieder müssen bei der Wahl des neuen Präsidiums einiges über sich ergehen lassen. Richtig lustig ist das für den Verein nicht.

Stefan Hermanns
Ein Kommentar von Stefan Hermanns

Stand:

Es war die längste und die vollste Mitgliederversammlung, die Hertha BSC je erlebt hat. Mehr als 4000 Mitglieder des Berliner Fußball-Zweitligisten waren am Sonntag in den City Cube der Messe Berlin gekommen, mehr als zehn Stunden dauerte die MV.

Darüber hinaus aber war es vielleicht auch die skurrilste und (unfreiwillig) lustigste Mitgliederversammlung in der langen Geschichte des Klubs. Nur: So richtig lustig ist das angesichts der nach wie vor herausfordernden Situation für Hertha eben nicht.

Wer schon einige Mitgliederversammlungen besucht hat, der weiß, dass es bei solchen Gelegenheiten immer wieder seltsame Redebeiträge gibt. In der Regel kommen sie aus dem Auditorium. Am Sonntag aber, bei Hertha BSC, waren die seltsamsten Beiträge vom Rednerpult aus zu vernehmen. Von Menschen, die sich um das höchste Amt des Vereins bewarben.

Es gab einige Momente, in denen die Mitglieder im Saal zwischen Belustigung und Fremdscham schwankten.

  • Als etwa der Präsidentschaftskandidat Uwe Dinnebier gefühlt eine halbe Minute seiner kostbaren Redezeit ungenutzt verstreichen ließ und nicht ganz klar wurde, ob er sich in seinem Manuskript verheddert hatte oder auf den Applaus der Mitglieder wartete. „Ja, vielleicht könnte mal etwas kommen“, sagte er nach einer elendig langen Pause und fast schon verzweifelt. Es kam nichts.
  • Oder als Stepan Timoshin ein brennendes Feuerzeug an einen 50-Euro-Schein hielt, um dem Verein, dessen Präsident er werden wollte, den Hang zur Geldverbrennung vorzuwerfen. Sein vorab großspurig angekündigtes Feuerwerk entpuppte sich als ziemlicher Blindgänger. Der 23 Jahre alte Selfmade-Millionär war am Rednerpult vor allem ein 23-Jähriger, der mit der Situation hoffnungslos überfordert schien.
  • Oder, nicht zuletzt, als Olaf Brandt auf der Bühne eine Badehose in die Höhe hielt, um seine persönliche Integrität zu beweisen. „Das ist keine Reichsbürger-Badehose“, sagte er. „Das ist eine Adidas-Badehose.“ Am Schluss seiner Rede zählten die Mitglieder die Sekunden herunter. Endlich vorbei!
Eine ganz normale Bewerbungsrede? Olaf Brandt wollte Präsident von Hertha BSC werden.

© imago/Matthias Koch/IMAGO/Sebastian Räppold/Matthias Koch

Man fragte sich unweigerlich, was manche Leute eigentlich für ein Selbstbild haben, wenn sie glauben, für ein nicht ganz unwichtiges Amt geeignet zu sein. Und auch wenn die Dinge am Ende von den Mitgliedern in demokratischer Wahl geregelt wurden (Timoshin bekam fünfzehn Stimmen, Brandt sieben): Nicht nur die Quantität der Bewerber droht für Hertha zu einem Problem zu werden.

Die jüngere Vergangenheit war für den Verein alles andere als einfach, vor allem sportlich und finanziell. Trotzdem ist das grundsätzliche Hertha-Gefühl im Moment ein gutes. Weil die Mitglieder sich wieder als wichtiger Teil eines größeren Ganzen fühlen.

Das ist nicht zuletzt das Erbe des früheren Präsidenten Kay Bernstein. Doch zu diesem Erbe scheint auch zu gehören, dass sich viele Mitglieder befleißigt fühlen, für höhere Ämter zu kandidieren, und sich offenbar sogar ernsthaft Chancen ausrechnen, gewählt zu werden. Hat Bernstein schließlich auch geschafft.

Aber Bernstein war eben mehr als nur „der Kay aus der Kurve“. Er hatte neben dem Willen zur Macht auch Charisma und – vor allem – großes strategisches Geschick, mit dem er sein Ziel verfolgt hat. An strategischem Geschick hat es vielen Kandidaten, die sich am Sonntag zur Wahl gestellt hat, erkennbar gemangelt. Neben vielem anderen.

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