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Im Hinrundenspiel hatte Union Frankfurt am Rande der Niederlage.

© dpa/Andreas Gora

Der 1. FC Union zwischen den Extremen : Darf dieser Klub überhaupt absteigen?

Berlins Erstliga-Fußballklub hadert mit der veränderten Erwartungshaltung im Abstiegskampf. Gegen Eintracht Frankfurt ist Union zum Glück noch klarer Außenseiter. 

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Zumindest vor dem Spiel dürfte man am Sonntag im Frankfurter Gästeblock in Feierlaune sein. Zum Auswärtsspiel bei Eintracht Frankfurt (15.30 Uhr/Dazn) werden 3100 Berliner Fans in der Bankenstadt erwartet. Ein knappes Drittel von ihnen reist mit dem berühmten Party-Zug der Fan-Vereinigung Eiserner V.I.R.U.S. an.

Ob die Anhänger auch auf dem Rückweg etwas zu feiern haben werden, ist eine andere Frage. Union hat die letzten drei Spiele allesamt verloren und konnte bisher nur eines seiner acht Pflichtspiele im Frankfurter Stadion gewinnen. Gegen den aktuellen Tabellendritten ist die Rollenverteilung also ziemlich eindeutig. Die Eintracht, meinte Unions Trainer Steffen Baumgart vor dem Spiel, habe sich „in den letzten Jahren zu einem absoluten Spitzenteam in der Bundesliga“ entwickelt. Davon ist Union weit entfernt.

Nun hatte in Köpenick bisher auch keiner den Anspruch, sich ganz oben zu etablieren. Doch jetzt, wo man im wie im Vorjahr im Abstiegskampf steht, stellt sich schon die Frage, wo die Messlatte bei Union tatsächlich liegen soll. Wie ordnet man diese schwierigen letzten zwei Spielzeiten überhaupt ein? Ist das wirklich eine Dauerkrise, oder eher die Rückkehr zur Normalität? Darf dieser Verein denn überhaupt absteigen?

Darüber hat diese Woche auch Vereinspräsident Dirk Zingler in einem Interview mit dem Vereinsfernsehen sinniert. Einerseits sprach er offen über die aktuelle Enttäuschung und die sehr reale Gefahr des Abstiegs. Andererseits bemühte er sich auch um etwas mehr Augenmaß: „Wir dürfen die letzten fünf Jahre nicht als Maßstab für unsere Selbstansprüche sehen. Da haben wir uns selbst überholt.“

Die Männer tun sich schwer, der Klub nicht.

Präsident Dirk Zingler zur Gesamtsituation des 1. FC Union

Stattdessen verwies der langjährige Vereinspatriarch auf die Errungenschaften seiner Amtszeit, sowie auf die vielen aktuellen Erfolge. Union stehe mit dem geplanten Stadionausbau und dem neu eröffneten Leistungszentrum vor einer neuen Ära, die Frauenmannschaft vor dem Aufstieg in die Bundesliga. „Die Männer tun sich schwer, der Klub nicht“, so Zingler.

Was alles stimmt. Union steht zurzeit tatsächlich besser da als zu fast jedem anderen Zeitpunkt in seiner Geschichte. Auch im Falle eines Abstiegs könnte man berechtigt auf eine stabile Zukunft hoffen. Und ja: die Champions-League-Qualifikation 2023 war immer ein außergewöhnlicher Ausreißer nach oben.

Union sucht erfolglos das Mittelmaß

Dennoch ist Union jetzt ein ganz anderer Klub als vor sechs oder auch vor zwei Jahren. Mittlerweile ist er – auch dank des stabilen Wachstums und übermäßigen Erfolgs der letzten Jahre – in einer anderen Gewichtsklasse angekommen. Frankfurt mag nicht der Maßstab sein. Ein Abstieg angesichts von Konkurrenten wie Holstein Kiel, Bochum oder Heidenheim ist er aber sicherlich auch nicht.

Die veränderte Erwartungshaltung ist auch auf den Rängen zu spüren, wo es neben bedingungslosem Support auch immer frustrierte „Aufwachen!“-Rufe an die eigene Mannschaft gibt. Sie lässt sich aber auch an der Nervosität der Führungsetage erkennen: Bo Svensson wurde gleich nach der ersten großen Krise entlassen, und auch Publikumsliebling Baumgart hat keine Jobgarantie. In seinem Interview sprach Zingler noch optimistisch über den Weg mit dem neuen Trainer, mahnte aber auch: „Das Projekt kann scheitern.“

11, 7, 5, 4, 15
Unions Endplatzierungen in der Fußball-Bundesliga

Es bleibt der Eindruck, dass hier ein Verein auf der Suche nach sich selbst ist. Zwischen den Extremen der letzten Jahre ist Union in vielerlei Hinsicht zu einem Paradoxon geworden: Ein mittelgroßer Bundesligist, der irgendwie nie im Mittelmaß landet. Ein gesunder, stabiler Klub, der auf dem Platz zwischen Fußballwunder und Dauerkrise schwankt. Ein Verein, dessen Vergangenheit als Außenseiter zwar nicht so lange zurückliegt, aber gleichzeitig längst vorbei ist.

Vielleicht tut es also gut, dass man es in den nächsten Wochen eher mit Gegnern wie Frankfurt zu tun hat, und damit wieder ganz in die Rolle des Außenseiters schlüpfen darf. Vor dem Spiel am Sonntag bezog sich Zingler jedenfalls auf alte Union-Tugenden wie Zusammenhalt und Wille, die für ihn die Schlüssel im Abstiegskampf seien.

Baumgart, der Krieger aus alten Zweitliga-Zeiten, fasste es ähnlich zusammen, wenn auch etwas direkter: „Es geht jetzt nicht um Parolen“, sagte der Trainer. „Es geht darum, dass wir die Arschbacken zusammenkneifen.“

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