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Der Aufschwung macht schon wieder Pause: Hertha BSC verliert den Kampf gegen die eigene Heimschwäche
Das Olympiastadion bleibt für Hertha kein gutes Pflaster. Nach dem 0:2 gegen Paderborn warten die Berliner weiterhin auf den ersten Sieg und sogar das erste Tor vor eigenem Publikum.
Stand:
Der junge Kennet Eichhorn hat in den vergangenen Tagen eine Menge Lob abbekommen. Und das vollkommen zu Recht. Mit etwas mehr als 16 Jahren ist er zu einer Art Hoffnungsträger bei seinem Verein Hertha BSC geworden – weil er ein überragendes Talent ist und vor allem schon sehr erwachsen Fußball spielt.
Am Samstagnachmittag aber, im Heimspiel des Berliner Zweitligisten gegen den SC Paderborn, hat Eichhorn auch die weniger schönen Seiten seines Berufs kennengelernt. Schon früh sah der defensive Mittelfeldspieler für ein Foul vor dem eigenen Strafraum die Gelbe Karte. Und in der zweiten Halbzeit beschuldigte Schiedsrichter Florian Lechner ihn eines Handspiels im eigenen Strafraum.
Die Entscheidung war zumindest fragwürdig, weil Eichhorn seinen Arm angelegt hatte. Den Elfmeter gab es trotzdem, und weil Filip Bilbija ihn sicher verwandelte und seinen zweiten Treffer des Tages erzielte, war die Partie schon nach knapp einer Stunde so gut wie entschieden. Vor 44.718 Zuschauern im Olympiastadion feierten die Paderborner einen verdienten 2:0 (1:0)-Erfolg.
Herthas vermeintlicher Aufschwung nach dem Sieg in Hannover vor einer Woche wurde damit bereits bei erster Gelegenheit schon wieder gestoppt. „Wir sind natürlich mächtig angepisst“, sagte Luca Schuler, der kurz vor Schluss für den am Kopf verletzten Dawid Kownacki eingewechselt worden war.

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Denn ein anderer Trend, der für die Berliner mehr und mehr bedenkliche Formen annimmt, scheint hingegen anzuhalten: Herthas Heimschwäche. Schon in der vergangenen Saison war die Mannschaft das schwächste Heimteam der Liga. In dieser Saison sind die Berliner nach nun drei Spielen im Olympiastadion immer noch ohne Sieg und sogar ohne eigenes Tor. Von den zehn Heimspielen unter Trainer Stefan Leitl hat Hertha saisonübergreifend nur zwei gewonnen.
Mit einiger Spannung war vor dem Spiel erwartet worden, wie Leitls Antwort auf die Systemfrage – Vierer- oder doch wieder Dreierkette – ausfallen würde. Der Blick auf die Aufstellung erbrachte zunächst nur bedingt Klarheit. Mit Linus Gechter, der vor einer Woche gegen Hannover 96 gesperrt war, kehrte zwar ein Innenverteidiger in die Startelf zurück. Er ersetzte allerdings Rechtsverteidiger Julian Eitschberger.
Wir hatten 13, 14 Spieler, die vier bis fünf Tage komplett krank waren mit einem Virus, der schon mal sehr populär in Deutschland war.
Herthas Kapitän Fabian Reese über den Coronaausbruch in Herthas Team
Und er übernahm auch dessen Position. Leitl hielt also an der Viererkette fest. Von Gechter auf der Außenposition erhoffte er sich „ein bisschen mehr Tempo und ein bisschen mehr Größe auf dem Feld“. Aber der Effekt und Gechters Einfluss auf das Spiel nach vorne blieben überschaubar.
Doch das galt nicht nur für den neuen Rechtsverteidiger. Das galt in der ersten Hälfte für Herthas gesamte Mannschaft. Nicht zum ersten Mal in einem Heimspiel zeigte sich, dass die Berliner Probleme haben, eine Partie aktiv zu gestalten. Das Team fühlt sich wohler, wenn es – wie vor einer Woche beim Tabellenführer der Zweiten Liga – reagieren kann.
Der Spielaufbau aus der eigenen Abwehr bleibt bei Hertha BSC eine Leerstelle. Im Zweifel haut Torhüter Tjark Ernst oder einer der Innenverteidiger den Ball nach vorne. Dominanz entsteht so nicht, von Druck auf den Gegner ganz zu schweigen. „Man hat bei jedem Einzelnen gesehen, dass er wollte. Jeder ist marschiert, hat Zweikämpfe geführt“, sagte Ernst. „Es hat aber einfach nicht viel funktioniert.“
Coronaausbruch bei Hertha BSC
Eine mögliche Erklärung lieferte Kapitän Fabian Reese nach dem Spiel. Herthas Mannschaft war in dieser Woche von einem massiven Coronaausbruch betroffen. „Ich möchte mein Team und uns alle nicht entschuldigen, aber wir hatten 13, 14 Spieler, die vier bis fünf Tage komplett krank waren mit einem Virus, das schon mal sehr populär in Deutschland war“, sagte Reese. Die meisten Spieler seien öfter in der Arztpraxis gewesen als auf dem Trainingsplatz.
„Das soll jetzt keine Ausrede sein“, ergänzte Herthas Offensivspieler. „Aber das erklärt, dass vielleicht die eine oder andere Energiereserve gefehlt hat. Das ist bei uns allen schon sehr an die Substanz gegangen. Trotzdem muss unser Anspruch sein, ein besseres Fußballspiel abzuliefern.“
Diesem Anspruch wurden die Berliner erneut nicht gerecht. Aus dem Spiel brachten sie wenig zustande. Ihre erste Gelegenheit entstand im Anschluss an einen Einwurf von Fabian Reese. Mittelstürmer Dawid Kownacki köpfte aufs Paderborner Tor, doch Innenverteidiger Felix Götze rettete kurz vor der Linie, ebenfalls per Kopf.
Der SC Paderborn ist in dieser Saison auch noch nicht unbedingt durch ungezügelten Offensivfußball aufgefallen. Im Olympiastadion hatten die Gäste gleich zu Beginn nach einem naiven Ballverlust von Leon Jensen eine gute Chance durch Filip Bilbija. Der frühere Jugendspieler von Tennis Borussia und Hertha Zehlendorf war es auch, der zehn Minuten vor der Pause das 1:0 für die Gäste erzielte, nachdem sich Michael Cuisance an der Außenlinie zu leicht hatte übertölpeln lassen.
Zur zweiten Halbzeit korrigierte Leitl seine Aufstellung. Eitschberger ersetzte Gechter, der über Wadenprobleme geklagt hatte, dazu kam auch noch Kevin Sessa für Jensen. Aber Eitschberger sah bereits nach 15 Sekunden für ein Foul in Nähe der Mittelline die Gelbe Karte, Sessa ermöglichte den Paderbornern bei seiner ersten Aktion mit einer unsauberen Ballannahme eine Kontermöglichkeit.
Mehr Kontrolle und mehr Dominanz entfalteten Leitls Wechsel nicht. Paderborn blieb das fußballerisch bessere und gefälliger kombinierende Team, so wie in dieser Saison auch schon Preußen Münster und die SV Elversberg jeweils das fußballerisch bessere und gefälliger kombinierende Team gewesen waren.
Lobenswert war zumindest, dass Hertha auch nach dem 0:2 nicht aufsteckte und mit dem Mute der Verzweiflung doch noch so etwas wie Wucht entwickelte. Die besseren Chancen aber hatten weiterhin die Paderborner. Eine höhere Niederlage verhinderte allein Tjark Ernst. Herthas Torhüter ist in den ersten Wochen der Saison der einzige Spieler seiner Mannschaft, der verlässlich seine Leistung abruft.
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