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Sabastian Sawe trat bei zwei Major-Marathons an – und gewann beide. Siegt er auch in Berlin?

© dpa/Alberto Pezzali

Nächster Weltrekord beim Berlin-Marathon?: Alle Augen auf Sabastian Sawe

13 Weltrekorde wurden beim Berlin-Marathon bereits gelaufen. Nummer 14 könnte an den Kenianer Sabastian Sawe gehen. Nur eine Sache spricht dagegen.

Stand:

Sabastian Sawe führt das Mikrofon ganz dicht an sich heran. Es ist nur unwesentlich kleiner als sein Kopf. Der Kenianer ist ein zierlicher Mann. Das verwundert nicht, Sawe ist von Berufswegen Langstreckenläufer. Und er ist derzeit wohl der Beste der Welt. Wie gut für die Veranstalter des am Sonntag stattfindenden Berlin-Marathons, dass sie Sawe für den Lauf verpflichten konnten.

Wie sich seine Beine anfühlten, wird er gefragt. „Gut“, sagt er. Mehr erstmal nicht. Der Elefant im Raum bei der Pressekonferenz am Freitag heißt: „Weltrekord“. Keiner will das Wort in den Mund nehmen. Aber alle wissen: Sawe kann es schaffen. Der Rekord steht bei 2:00:35 Stunden, aufgestellt 2023 beim Chicago-Marathon von Kelvin Kiptum, der im vergangenen Jahr bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist.

Sawe ist mehr als ein Versprechen für neue Rekorde im Marathon. Er ist 30 Jahre alt und hat gerade mal zwei Marathons in seinem Leben absolviert. Beide gewann er in Top-Zeiten (2024 den Valencia-Marathon in 2:02:02 Stunden, 2025 den London-Marathon in 2:02:27 Stunden).

Sawe absolvierte ein Anti-Doping-Programm

Seine fulminanten Leistungen ließen auch Zweifel aufkommen. Kann es bei einem solch fulminanten Einstieg über die 42,195 Kilometer mit rechten Dingen zugegangen sein? Sawe war sehr verärgert über die vielen kritischen Stimmen. Das war laut eigener Aussage der Anlass, dass er zusammen mit seinem Sponsor beschlossen hat, sich ein eigenfinanziertes, pro-aktives Anti-Doping-Programm zu absolvieren. In den beiden Monaten vor dem Berlin-Marathon habe er 25 unangekündigte Doping-Kontrollen an sich vornehmen lassen.

Sawe ist ein Naturtalent, sein Laufstil eine Augenweide, keiner läuft so ökonomisch wie er. Weshalb der Lauf am Sonntag mit riesigem Interesse erwartet wird: Vor allem London, wo er zuletzt lief, gilt als eher schwierige, langsame Strecke.

Anders Berlin. Am Freitag steht hier auch der deutsche Top-Läufer Hendrik Pfeiffer auf dem Presse-Podium. Er sagt, dass er eine Zeit um die 2:07 Stunden anstrebe. Für einen Läufer aus Deutschland wäre das vor ein paar Jahren noch vermessen gewesen.

Weil es so gut wie keine Höhenmeter gibt, die Straßen breit und meistens auch windgeschützt sind.

Hendrik Pfeiffer, deutscher Top-Läufer, auf die Frage, warum Berlin die schnellste Strecke ist.

Dem Tagesspiegel erzählt Pfeiffer, dass in Berlin die Wahrscheinlichkeit für eine Top-Zeit einfach höher sei als bei fast jedem anderen Marathon. Warum? „Weil es so gut wie keine Höhenmeter gibt, die Straßen breit und meistens auch windgeschützt sind.“ Ähnlich schnell wie Berlin seien eigentlich nur Valencia und Chicago. „Wenn überhaupt.“

Das spiegeln auch die großen Zahlen wieder, vor allem in der einen Kategorie: Weltrekord. Insgesamt 13 Weltrekorde sind in Berlin von Läuferinnen und Läufern aufgestellt worden. Legenden der Langstrecke wie Haile Gebrselassie, Tegla Loroupe oder Eliud Kipchoge reisten immer wieder nach Berlin, in dem Wissen, dass die Jagd nach dem Rekord, eine Art heiliger Gral des Sports, in Berlin die besten Aussichten hat.

Für einen Weltrekord könnte es zu warm sein

Der Mann, der in Berlin hauptverantwortlich schnelle Zeiten möglich macht, ist Mark Milde. Er ist der Sohn des Berlin-Marathon-Begründers Horst Milde und seit vielen Jahren Renndirektor des Laufs.

„Die Topografie in Berlin ist ideal“, sagt Milde. „Hier ist es flach und im Gegensatz zu vielen Städten in den USA, die häufig in rechteckigen Blöcken aufgeteilt sind, haben wir geschmeidige Kurven.“ Und dann sei da „normalerweise“ das perfekte Marathon-Wetter in Berlin.

In Zeiten des Klimawandels ist das Wetter aber nicht mehr normal. Jürgen Lock, der Geschäftsführer des Marathon-Veranstalters SCC Events, gab am Freitag die aktuellen Vorhersagen wieder. In der Spitze seien es am Sonntag um die 24 Grad. Zum Start der Läufer um 9:15 Uhr schon 18 oder 19 Grad. Immerhin gebe es keine Temperatursprünge. „Es ist eine konstante Linie.“

Das könnte helfen. „Für einen Weltrekord könnte es aber einen Tick zu warm sein“, glaubt der deutsche Top-Läufer Hendrik Pfeiffer. „Aber Sabastian Sawe ist der richtige Mann am richtigen Ort.“ Das findet auch Mark Milde. „Er hat das Potenzial, Weltrekorde zu laufen“, sagt er. „Ob es in diesem Jahr bei diesen Bedingungen schon hinhaut, weiß ich nicht.“

Wir wollen das Rennen aggressiv angehen.

Mark Milde, Renndirektor des Berlin-Marathons

Milde will mit seinem Team alles versuchen, dass es trotz der hohen Temperaturen klappt. Neben Sawe konnte er auch Vorjahressieger Milkesa Mengesha aus Äthiopien sowie den talentierten Gabriel Geay (Tansania) nach Berlin lotsen. Die drei dürften sich gegenseitig antreiben. Zudem sollen mehrere Tempomacher die drei in den richtigen Zeitkorridor führen.

Schneller Deutscher: Hendrik Pfeiffer.

© imago/Beautiful Sports/IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/R. Schmitt

Laut Milde läuft die schnellste Gruppe an Tempomachern eine Zeit von 2.04 Stunden an. Sollten sich Sawe und/oder seine Rivalen gut oder sogar sehr gut fühlen, könnte das Tempo auch noch angezogen werden.

Zudem fährt vor den Besten ein Wagen, aus dem den Läufern angezeigt wird, wie schnell sie unterwegs sind. „Wir achten sehr darauf, dass sie nicht überpacen“, sagt Milde. Viele Male schon hat er erlebt, dass sich Läufer übernommen haben, zu sehr den Rekord im Blick hatten und dann einbrachen. Das möchten Milde und sein Team am Sonntag verhindern. Gleichwohl sagt er: „Wir wollen das Rennen aggressiv angehen.“

Für die große Mehrheit der rund 55.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer soll das aber nicht gelten. Geschäftsführer Lock warnte am Freitag vor den besonderen klimatischen Verhältnissen, die für Sonntag prognostiziert sind. „Ich rate allen Läuferinnen und Läufern während des Laufs eine Cappy zu tragen“, sagte er. Außerdem sollten sie mehr natriumreiche Getränke schon in den Tagen zuvor zu sich nehmen als sonst beim Berlin-Marathon.

Ein bisschen Sorge von Seiten der Veranstalter war herauszuhören – und die Hoffnung, dass es kühler wird als prognostiziert. Ob einen Top-Läufer aus Kenia wie Sabastian Sawe ein paar Grad mehr in Deutschland als üblich unruhig werden lassen? Am Freitag hatte es nicht den Anschein. „Ich habe die Fähigkeiten, sehr schnell zu laufen“, sagte er. „Und Berlin hat die schnellste Strecke.“ Sawe und Berlin sind vielleicht das perfekte Match. Sollte dem so sein, dann ploppt am Sonntag gegen 11:15 Uhr auf: „World Record“.  

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