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Der Feuerzeug-Wurf an der Alten Försterei: „Es ist infam, dem Bochumer Schauspielerei zu unterstellen“
So wie Bochums Torhüter Patrick Drewes am Samstag gegen den 1. FC Union Berlin, so wurde Christian Hochstätter 1988 von einem Gegenstand getroffen. Im Interview erinnert er sich.
Stand:
Herr Hochstätter, wie schmerzhaft ist es, von einem Feuerzeug am Kopf getroffen zu werden?
Das kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht weiß, ob mich wirklich ein Feuerzeug oder irgendwas anderes getroffen hat. Aber angenehm ist es sicherlich nicht.
Es hieß immer, dass Sie im Spiel von Borussia Mönchengladbach beim Karlsruher SC von einem Feuerzeug getroffen worden sind.
Ja, so stand es in den Zeitungen. Ich glaube, es gibt auch ein Bild von einem Karlsruher Spieler, der ein Feuerzeug hinter seinem Rücken in der Hand hält. Aber ich bin der Meinung, dass es kein Feuerzeug war, das mich getroffen hat. Ich glaube eher, dass es Steine waren, so kleine Ziegelsteine. Aber es ist auch schon sehr lange her.
Mehr als 35 Jahre. Welche konkreten Erinnerungen haben Sie noch an den Vorfall aus dem November 1988?
Jörg Criens hatte unmittelbar vor der Pause einen Elfmeter verschossen. Hätte er getroffen, wäre es das 2:0 für uns gewesen. Der Ball wurde von den Karlsruhern auf die Tribüne geklärt, wir hatten Einwurf, und ich wollte den Ball holen. Da kamen Feuerzeuge und ein Hagel von Steinen durch den Zaun. Ich weiß noch, dass ich einen Balljungen weggeschubst habe, weil ich dachte, den trifft’s auch.
Am Wochenende gab es in der Bundesliga einen ähnlichen Vorfall. Haben Sie gesehen, was beim Spiel zwischen dem 1. FC Union und dem VfL Bochum passiert ist?
Gesehen habe ich es nicht. Ich habe nur gehört, dass Bochums Torwart von einem Feuerzeug am Kopf getroffen worden ist, nicht mehr weitermachen konnte und der VfL nur unter Protest weitergespielt hat.
Auf den Fernsehbildern sieht es so aus, als wäre Patrick Drewes nur ganz leicht von dem Feuerzeug gestreift worden – weswegen ihm nun Schauspielerei unterstellt wird.
Ich habe es, wie gesagt, nicht gesehen. Aber ganz generell: Wir Fußballer gehen nicht auf den Platz, um uns damit zu beschäftigen, dass wir von irgendetwas getroffen werden könnten. Dass wir uns in einem Spiel verletzen können, das ist das Normalste der Welt und gehört zu unserem Sport dazu. Aber dass von außen etwas kommt, darauf kann man sich nicht vorbereiten.

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Deshalb finde ich es infam, jemandem zu unterstellen, er habe nichts, weil er nur leicht am Kopf getroffen wurde. Jeder Mensch hat schließlich ein anderes Schmerzempfinden.
Wie war es bei Ihnen?
Es hat schon richtig wehgetan. Außerdem habe ich im ersten Moment auf dem rechten Auge nichts mehr gesehen. Das war so, als ob Ihnen jemand aus Versehen mit dem Finger ins Auge sticht.
Mein erster Gedanke war: Ich verliere mein Augenlicht. Dass das nicht so war – Gott sei Dank nicht so war –, das konnte ich zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht wissen. Ich hatte dann teilweise auch noch ein Flimmern vor den Augen. Aber der Augenarzt hat zum Glück gesagt: Das wird schon wieder.
Ich war der Betroffene – und musste mich trotzdem rechtfertigen. Obwohl du das Opfer bist, kommst du dir vor wie der Täter.
Christian Hochstätter
Viel schlimmer fand ich sowieso, dass man mir Schauspielerei unterstellt hat. Da wurde gelogen, dass sich die Balken biegen. Selbst nach 35 Jahren kann ich mich darüber noch echauffieren. Dabei hatte ich das für mich eigentlich schon verdrängt. Beim Wiederholungsspiel mussten wir mit Polizeischutz in Stadion, ich selbst habe Morddrohungen bekommen. Das sind Dinge, die vergesse ich nicht.
Roland Schmider, der Präsident des KSC, hat die Umstände damals als „zumindest etwas dubios“ bezeichnet. „Wenn ich angeblich so schwer verletzt bin, setze ich mich nicht ins Auto, sondern fahre in die Karlsruher Augenklinik. Bei so viel Geheimnistuerei bleiben bei mir Zweifel.“
Ich war der Betroffene – und musste mich trotzdem rechtfertigen. Obwohl du das Opfer bist, kommst du dir vor wie der Täter. So war das wenigstens bei mir. Wobei ich von heute aus betrachtet, tatsächlich einiges anders machen würde.
Nämlich?
Unser Mannschaftsarzt hat mich ins Auto gesetzt und ist mit mir nach Mönchengladbach gefahren. Ich kann schon verstehen, dass den Karlsruhern das komisch vorkam. Aber der Arzt hat gesagt: Komm, wir fahren! Und dann sind wir eben gefahren.
Für meine Glaubwürdigkeit wäre es sicherlich besser gewesen, in Karlsruhe zu bleiben und dort ins Krankenhaus zu gehen.
Die Gladbacher haben damals Einspruch eingelegt, so wie jetzt der VfL Bochum. Das Spiel, das der KSC 3:1 gewonnen hatte, wurde aber nicht für sie gewertet, stattdessen gab es ein Wiederholungsspiel auf neutralem Platz. Haben Sie diese Entscheidung als angemessen empfunden?
Zum damaligen Zeitpunkt habe ich mich als Spieler damit nicht auseinandergesetzt. Da ging es um meine Gesundheit. Dass es ein Wiederholungsspiel gab und wir durch ein Tor in letzter Minute wenigstens noch einen Punkt geholt haben, das war für mich natürlich befriedigend.
Aber wenn ich mir überlege, was ich in dieser Zeit als junger Kerl alles mitmachen musste: Das möchte ich so nicht noch mal erleben. Da kann ich den Torwart aus Bochum schon verstehen. Noch mal: Er ist getroffen worden. Natürlich gibt es Leute, die sagen: Die zwei Minuten hätte er auch noch auf dem Platz bleiben können. Aber wir wissen doch gar nicht, wie es ihm gegangen ist.
Erwarten Sie, dass das Spiel zugunsten der Bochumer gewertet wird?
Ich bin kein Jurist, der sich im Sportrecht auskennt. Wenn ich mich nicht irre, hat es in der Vergangenheit in solchen Fällen meistens ein Wiederholungsspiel gegeben. Das war auch ein paar Jahre später so, als Oliver Kahn bei uns auf dem Bökelberg von einer Kastanie getroffen wurde. Deshalb verstehe ich den Manipulationsvorwurf nicht.
Angenommen das Spiel wird wiederholt und der VfL verliert: Dann hätte er einen Punkt weniger. Die Bochumer würden sich ins eigene Fleisch schneiden. Ich finde es wirklich abwegig, jemanden zu unterstellen, dass er in so einem Moment denkt: Dadurch kann ich meinem Verein oder mir einen Vorteil verschaffen. Das ist so schwachsinnig. In dem Moment empfindest du einfach nur Schmerzen.
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