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Sport: Der Himmel so weit

Das neue Wembley-Stadion ist vor allem groß – und teuer

Von Markus Hesselmann

Es dauerte nur 25 Sekunden bis zum ersten Treffer. Giampaolo Pazzini vom AC Florenz erzielte gestern das 1:0 im Freundschaftsspiel der italienischen U 21 gegen Gastgeber England. Das wäre für sich genommen nicht weiter dramatisch, Junioren-Länderspiele interessieren im Zweifel in England noch weniger Leute als in Deutschland. Doch dies war das erste Tor in einem offiziellen Fußballspiel im neuen Wembley-Stadion. Und so pfiffen viele Zuschauer, als die italienischen Spieler ihr historisches Tor auf dem heiligen englischen Rasen erst einmal frech feierten. Pazzini traf an diesem Tag sogar noch zweimal. Am Ende stand es 3:3. Die jungen englischen Spieler wurden der Größe des Anlasses doch noch halbwegs gerecht.

Das neue Nationalstadion in London ist vor allem eines: groß – und teuer. 90 000 Zuschauer passen hinein, 1,2 Milliarden Euro hat der Neubau gekostet. Zum ersten Spiel waren aus Sicherheitsgründen nur rund 55 000 Zuschauer zugelassen. Die Bauherren wollen sich der vollen Kapazität langsam annähern. Der schiere Raum der Arena überwältigt, die Architektur überzeugt nicht auf den ersten Blick. Wie der Looping einer Achterbahn ragt ein gigantischer Stahlbogen über dem Dach in den Himmel. Architekt Norman Foster, der auch den neuen Berliner Reichstag entwarf, sagt, er sei von einer deutschen Berglandschaft inspiriert worden und habe deshalb seinen ursprünglichen Plan mit vier Trägermasten verworfen. „Ich dachte, ein Bogen macht alle Masten überflüssig, braucht weniger Stahl, wirkt eleganter und ist ein starkes und einzigartiges Symbol“, sagte Foster.

Der Gedanke an bayrische Berge kommt sicher nicht jedem Fußballfan, der sich Wembley nähert. Durch einen engen Gang zwischen Bürobauten strömen die Zuschauer auf den Koloss zu. Über zwei Betonrampen gelangen sie ins Stadion. Drinnen herrscht nicht die wohlige Enge traditioneller britischer Fußball-Arenen. Das war im alten Wembley-Stadion, in dem eine Hunderennbahn die Fans vom Rasen trennte, allerdings atmosphärisch ganz ähnlich. Die Zuschauerränge in New Wembley steigen sanft in die Höhe. Kein Vergleich mit steilen Konstruktionen wie dem Meazza-Stadion in Mailand. Das Rot des Georgskreuzes der englischen Flagge ist in Wembley die bestimmende Farbe. Wirkt das Stadion von außen eher wie eine riesige Halle, eine Art überdimensionierte Arena Auf Schalke, so herrscht drinnen Offenheit. Licht dringt hinein zwischen den geschwungenen Enden der Tribünen und der funktionalistischen Dachkonstruktion. Der Himmel über London wölbt sich gut sichtbar weit. Das 7000 Tonnen schwere Dach lässt sich bei Bedarf zusammenschieben. Ist es offen und einer der windigen Londoner Regenschauer setzt ein, dann bekommen die Zuschauer auf den unteren Rängen einiges ab.

Die wetterfesten englischen Fans nehmen das gern in Kauf. Lange haben sie auf ihr neues Stadion gewartet. Es sollte eigentlich schon vor zwei Jahren fertig sein. Diesmal soll das FA-Cup-Finale am 19. Mai tatsächlich hier angepfiffen werden. Am 22. August geht es gegen Deutschland. Dann wollen die Engländer sich für einen anderen historischen Treffer revanchieren. Das letzte Tor im alten Wembley-Stadion hat schließlich ein Deutscher geschossen. Durch Dietmar Hamann verlor England dort vor sieben Jahren 0:1.

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