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Sport: Der Modus spielt mit

Der harte Spielplan der Handball-EM hilft Teams mit großem Kader – wie Deutschlands nächstem Gegner Dänemark

Das beschauliche norwegische Dorf Lillehammer, Standort der Olympischen Spiele des Jahres 1994, bietet in diesen Tagen eine traumhafte Winterkulisse. Blauer Himmel, klare Luft und Sonnenschein, der die teils meterhohen Schneeschichten auf den Holzhäusern allerdings nicht zum Schmelzen bringt. Ein Bild wie aus dem Märchen, das allerdings die deutschen Handballer erst später erblickten als vorgesehen. Während der Tross aus Medien und Fans mit der Eisenbahn aus Trondheim anreiste, bestieg die Mannschaft einen Bus – das gastgebende Organisationskomitee hatte dem Vernehmen nach einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen. Ein Kontrakt, der die deutsche Nationalmannschaft viel Zeit kostete, da einige Pässe wegen eines Schneesturms nördlich Lillehammers gesperrt worden waren und so der Bus umkehren musste. So blieb noch weniger Zeit für die Regeneration vor dem Halbfinale der Europameisterschaft am Samstag in der Hakonshall gegen Dänemark (18 Uhr, live in der ARD).

Widrigkeiten, die irgendwie ins Bild passten. Zwar war die Genugtuung groß nach dem 31:29-Sieg im letzten Hauptrundenspiel gegen Schweden. Damit hätten sie den Kritikern gezeigt, dass der WM-Titel aus dem Vorjahr kein Zufall sei und nur den Zuschauern oder Schiedsrichterentscheidungen geschuldet war, erklärte Kapitän Markus Baur. „Die das behauptet haben, sind Dummschwätzer“, sagte Bundestrainer Heiner Brand. Seine Gedanken kreisten allerdings schon wieder um dieses eine ewige Thema: Die große Belastung der Profis. Anlass waren drei Verletzungen, die den Weltmeister womöglich schon entscheidend geschwächt haben. Zuerst war Oliver Roggisch mit einer Muskelverletzung ausgefallen, dann krümmte sich Michael Kraus nach einem Schlag auf den Unterarm. Schließlich humpelte auch Sebastian Preiß, der Abwehrchef Roggisch bis dahin sehr gut ersetzt hatte, mit Knieproblemen vom Feld. Brand reagierte und rief noch in der Nacht den Flensburger Abwehrspezialisten Frank von Behren nach Norwegen, der voraussichtlich heute sein 162. Länderspiel bestreiten wird. „Das ist eine große Ehre für mich und eine tolle Herausforderung“, sagte der 31-Jährige, dem die Situation nicht neu ist: Schon während der Olympischen Spiele 2004 in Athen war er nachnominiert worden.

Der Bundestrainer machte den harten Takt für die vielen Verletzungen verantwortlich. „Acht Spiele in elf Tagen, das kann nicht sein“, beklagte sich Brand. An den Verletzungen zeige sich, „dass dieser Modus erneuert werden muss“. Ex-Nationalspieler Christian Schwarzer nannte den Spielplan, der drei Spiele innerhalb von nur 48 Stunden vorsieht, „einen Wahnsinn“.

Es ist wohl so bei internationalen Turnieren wie dieser Europameisterschaft, dass oft genug nicht die beste Mannschaft gewinnt, sondern das Team, das am Ende noch laufen kann. Aus diesem Grund gelten nun die Franzosen – sie spielen im Halbfinale gegen Kroatien – und der deutsche Halbfinalgegner Dänemark als Favoriten auf den Titel. Sie verfügen über dem breitesten Kader und konnten so in Vorrunde und Zwischenrunde die Einsatzzeiten auf viele Schultern verteilen.

Für den dänischen Trainer Ulrik Wilbek ist Deutschland der „Lieblingsgegner“, denn er konnte bisher vier der fünf Duelle mit Heiner Brand gewinnen. Ältere Spieler wie Joachim Boldsen wollen sich nun endlich für die beiden verlorenen EM-Halbfinals aus den Jahren 2002 und 2004 revanchieren, die Dänemark, jeweils als Favorit eingestuft, überraschend verloren hatte. Aber auch die deutschen Handballer greifen nun, da im Rückraum im sechsten Spiel der Knoten endlich geplatzt ist, nach dem zweiten Europameisterschaftstitel nach 2004. „Wir wollen jetzt alles“, erklärte Linkshänder Holger Glandorf. „Mit einem Auftritt wie gegen Schweden sind die Dänen sicherlich zu knacken.“

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