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Ralf Huschen ist seit elf Monaten Finanzgeschäftsführer von Hertha BSC.

© imago/Matthias Koch/imago/Matthias Koch

Der SC Paderborn als Geisteshaltung: Ralf Huschen verordnet Hertha BSC kaufmännische Vernunft

Egal, ob Hertha viel Geld hatte oder wenig: Gereicht hat es nie. Das soll bei den Berlinern unter dem neuen Finanzgeschäftsführer Ralf Huschen anders werden.

Stand:

Seit knapp elf Monaten arbeitet Ralf Huschen für Hertha BSC, und die Folgen sind, zumindest für ihn selbst, inzwischen nicht mehr zu übersehen. „Ich habe auf jeden Fall mehr graue Haare“, sagt Huschen, der in zwei Wochen 47 wird. „Sehr viel mehr.“

Wer sich ein bisschen mit Hertha auskennt, den wird das nicht verwundern. Huschen, zuvor beim SC Paderborn tätig, hat im Juli 2024 als Finanzgeschäftsführer beim Berliner Fußball-Zweitligisten angefangen. De facto heißt das nichts anderes als: Er muss vor allem den Mangel verwalten. Denn Herthas finanzielle Situation ist traditionell schwierig bis aussichtslos.

Insofern klang das, was Huschen am Sonntag bei der Mitgliederversammlung des Vereins vorgetragen hat, fast schon abstrus: Bereits im aktuellen Geschäftsjahr, das am 30. Juni endet, wird Hertha ein positives operatives Ergebnis erzielen. In der darauffolgenden Saison soll der Klub erstmals seit vielen Jahren einen Nettogewinn verzeichnen, und innerhalb von fünf Jahren will Huschen die Hertha BSC GmbH & Co. KGaA sogar komplett entschuldet haben. Zuletzt lagen die Verbindlichkeiten bei 54 Millionen Euro, wovon 40 Millionen auf die Nordic-Bond-Anleihe entfallen.

Huschen war ein bisschen nervös, als er sich am Sonntag von der Bühne an die Mitglieder wandte. Er las seine Rede vom Blatt ab, und sprach auch ein bisschen zu schnell. Für den Geschäftsführer war es die zweite Mitgliederversammlung bei Hertha. Aber es war die erste, bei der er als Hauptact auftrat. Im November noch war er nur der Sidekick seines Geschäftsführerkollegen Tom Herrich, der zum 30. Juni offiziell aus dem Amt scheidet.

54
Millionen Euro Verbindlichkeiten hat Hertha zum 30. Juni 2024 ausgewiesen

Der neue Finanzchef wird innerhalb des Vereins sehr geschätzt – weil er eine klare Linie verfolgt, ein ausgewiesener Experte auf seinem Gebiet ist und sich als akribischer Arbeiter herausgestellt hat. Am Sonntag konnten sich auch die Mitglieder des Vereins ein Bild von ihm machen. Die anfangs etwas holprige Performance war letztlich zweitrangig. Auf den Inhalt kam es an. Und da hinterließ Huschen einen positiven Eindruck.

Seine Ausführungen waren einer der Gründe dafür, dass die Mitglieder nach fünf Stunden frohgemut die Räumlichkeiten der Messe Berlin verließen. Der Klub geht nach schwierigen Jahren mit einigem Optimismus in die neue Spielzeit – obwohl es noch eine kleine, wenn auch nicht unwesentliche Unwägbarkeit gibt: Aktuell besitzt Hertha BSC noch keine gültige Lizenz für die Saison 2025/26.

Bis zum 4. Juni muss der Klub dafür noch Bedingungen der Deutschen Fußball-Liga erfüllen. „Wir sind sehr, sehr guter Dinge“, sagte Huschen zu diesem Thema. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Das geht alles seinen geregelten Weg.“

Knackpunkt ist die 40-Millionen-Anleihe, die im November fällig wird. Hertha hat Ende Februar verkündet, dass es gelungen sei, ein Finanzierungskonzept für deren Refinanzierung aufzustellen. Mit anderen Worten: Der Klub nimmt ein Darlehen auf, um die Anleihe abzulösen.

Bei der Lizenz ist Hertha optimistisch

Die fälligen Zinsen dafür liegen im Idealfall unter denen, die Hertha bei einer Verlängerung der Anleihe zahlen müsste. Trotzdem verfolgt der Klub parallel auch diese Option. Bis zum 3. Juni haben die Anleihenehmer Zeit, einer Verlängerung zuzustimmen.

Das Finanzierungskonzept bestehe nach wie vor, erklärte Huschen. Aber: „Wir mussten aber zu einem gewissen Zeitpunkt der Saison zweigleisig planen, einmal für die Zweite Liga, einmal für die Dritte Liga.“ Bei einem Abstieg, der im März durchaus möglich war, wäre es vermutlich schwierig gewesen, Finanzierungspartner zu finden.

In der neuen Saison soll sich mit einem solchen Worst-Case-Szenario bei Hertha niemand mehr beschäftigen müssen. Der Klub will zurück in die Bundesliga, und dafür soll Ralf Huschen die wirtschaftliche Grundlage schaffen. Herthas Geschäftsführer kündigte an, dass der Etat für das Profiteam in der kommenden Saison zu den Top drei in der Zweiten Liga gehören werde.

„Wir haben ein Budget vorgegeben, das kompetitiv ist“, sagte er. „Ich glaube, dass wir auch deutlich erfolgreicher sein werden.“ Zumindest sei das die Anspruchshaltung.

Es muss schon noch was auf der Abgangsseite passieren, auch um unser Gehaltsbudget zu entlasten. Wir sind aber auch da auf einem sehr guten Weg.

Herthas Finanzchef Ralf Huschen zur Kaderplanung

Huschen gab zu, dass Aussagen über Herthas finanzielle Situation „in der Vergangenheit nicht immer gut gealtert“ seien. Egal ob der Klub viel Geld zur Verfügung hatte (wie nach dem Einstieg von Investor Lars Windhorst) oder wenig (wie eigentlich in allen anderen Phasen der Vereinsgeschichte): Es hat nie gereicht.

Mit Ralf Huschen aber hält nun ein anderes Selbstverständnis bei Hertha BSC Einzug: der SC Paderborn als Geisteshaltung sozusagen. „Ich habe bei meinem vorherigen Verein bedeutend weniger Umsatz gemacht und trotzdem Gewinn“, sagte er. „Das ist einfach eine Frage der Mentalität, der Einstellung, dass man nicht mehr ausgibt, als man einnimmt. Eigentlich ist das nicht so schwer.“

Der Schrecken von 2023 wirkt nach

Während der Mitgliederversammlung wurde Huschen gefragt, ob dem Klub die Miete fürs Olympiastadion weiterhin gestundet werde, so wie es in der ersten Saison nach dem Abstieg der Fall war. „Als ordentlicher Kaufmann zahle ich immer meine Rechnungen“, antwortete er.

Kaufmännisches Denken und kaufmännische Vernunft haben bei Hertha Einzug gehalten – und werden auch innerhalb des Vereins inzwischen goutiert. „Weil der Verein durch eine tiefe Krise gegangen ist“, wie Huschen erklärte. Im Rückblick auf den Abstieg vor zwei Jahren sagte Sportdirektor Benjamin Weber: „Im Sommer 2023 waren wir tot.“

Dieser Schrecken wirkt nach, auch wenn der Patient Hertha die Intensivstation längst verlassen hat und inzwischen schon die Reha absolviert. Die vollständige Genesung aber wird noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen.

Obwohl der Klub für die Transfers von Ibrahim Maza (zwölf Millionen Euro), Derry Scherhant (zwei) und eine Weiterverkaufsbeteiligung bei Krzysztof Piatek (zwei) bereits nennenswerte Erlöse erzielt hat, heißt das nicht, dass Sportdirektor Weber nun bereits fröhlich shoppen gehen kann. „Es muss schon noch was auf der Abgangsseite passieren, auch um unser Gehaltsbudget zu entlasten“, sagte Huschen. „Wir sind aber auch da auf einem sehr guten Weg.“

Hertha hat dabei vor allem die Spieler im Blick, die aktuell an andere Vereine verliehen sind – und von diesen explizit Kelian Nsona und Agustin Rogel. Beide sind in einer Zeit gekommen, als der Klub finanziell noch in ganz anderen Dimensionen unterwegs war. Oder anders ausgedrückt: Ihre Gehälter kann der Klub sich einfach nicht mehr leisten.

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