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Der triste Alltag nach dem Spektakel: Hertha BSC verliert 0:2 gegen den Tabellenletzten Magdeburg
Die Berliner sind nach ihrer Gala im Pokal kaum wiederzuerkennen. Gegen den 1. FC Magdeburg liefern sie eine dürftige Leistung ab und kassieren eine verdiente Niederlage.
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Nach einer Viertelstunde entledigte sich Stefan Leitl seiner warmen Jacke. Fortan stand der Trainer von Hertha BSC nur im Trainingsanzug an der Seitenlinie. Vermutlich lag es an den im Vergleich zu den Vortagen erträglichen Temperaturen.
Am Auftritt seiner Mannschaft lag es definitiv nicht. Herthas Spiel gegen den 1. FC Magdeburg hatte am Sonntag nichts Erwärmendes. Leitl klagte, „dass wir heute nicht bereit waren, um dieses Spiel zu gewinnen“.
Nur fünf Tage nach dem rauschhaften Sieg im Pokal gegen den 1. FC Kaiserslautern waren die Berliner kaum wiederzuerkennen. Anstatt durch den achten Pflichtspielsieg nacheinander den Vereinsrekord aus der Saison 1980/81 einzustellen und nach Punkten zum Relegationsplatz aufzuschließen, kassierte Hertha eine ebenso überraschende wie verdiente Niederlage. Vor 45.563 Zuschauern feierte der Tabellenletzte Magdeburg im Olympiastadion einen wichtigen 2:0 (0:0)-Erfolg im Abstiegskampf.
Hertha hingegen erlitt auf dem Weg Richtung Tabellenspitze, der zuletzt fast schon vorgezeichnet schien, einen empfindlichen Tiefschlag. „Es ist klar, dass man auch mal wieder verliert“, sagte Kapitän Fabian Reese. „Es ist auch klar, dass es tierisch nervt. Trotzdem ist es kein Weltuntergang.“
Trainer Leitl hatte sein Team im Vergleich zum Pokalspiel unter der Woche auf vier Positionen verändert. Kennet Eichhorn und Marton Dardai standen wegen muskulärer Probleme nicht zur Verfügung, zudem saßen Luca Schuler, der Doppeltorschütze aus dem Pokal, und Toni Leistner auf der Bank. Für sie spielten Michal Karbownik, Deyovaisio Zeefuik, Diego Demme und Dawid Kownacki, der erstmals nach seiner Verletzung wieder in der Startelf stand.
Der Berliner Fußball-Zweitligist verpasste es auf fast schon fahrlässige Weise, den Dingen schon früh die richtige Richtung zu weisen. Eine Minute war gespielt, als sich Michael Cuisance im gegnerischen Strafraum durchsetzte. Über Magdeburger Umwege landete der Ball bei Reese, der jedoch aus fünf Metern knapp das Tor verfehlte.
Es ging einfach darum, den Gegner kaputt zu spielen, bis er nicht mehr kann. Das haben wir sehr gut hingekriegt.
Magdeburgs Spielmacher Baris Atik
„Sehr, sehr schade“, sagte Reese. „Den kann man natürlich machen. Das wäre ein Top-Start gewesen.“
Diese frühe Chance sollte für die Gastgeber die einzige Gelegenheit bis zur Pause bleiben. Hertha wirkte gegen den Tabellenletzten überraschend träge und uninspiriert. Zeitweise konnten die Gäste den Ball minutenlang in den eigenen Reihen halten, ohne dass die Berliner entscheidend dagegen vorgingen. Sie liefen ein bisschen an – und meistens hinterher.
„Wir waren fehlerhaft, haben wenig zweite Bälle geholt und uns auch wenig Chancen herausgespielt“, klagte Sportdirektor Benjamin Weber. Zumindest defensiv ließ Hertha wenig zu. Noah Pesch hatte in der Anfangsphase eine vielversprechende Gelegenheit, nachdem Herthas Linksverteidiger Deyovaisio Zeefuik im eigenen Strafraum den Ball verloren hatte. Magdeburgs Angreifer aber köpfte den Ball am Tor vorbei.
Hertha spielte fehlerhaft, kompliziert, harmlos
Davon abgesehen verbreiteten die Gäste in der ersten Hälfte ähnlich viel Schrecken wie Hertha. In der 45. Minute kamen die Berliner zu ihrer ersten Ecke im Spiel – im Vergleich zu vier für die Magdeburger zum selben Zeitpunkt.
Leitl verzichtete in der Pause zunächst auf Wechsel, um seiner Startelf die Chance zu bieten, es besser zu machen. Das wäre beinahe schiefgegangen. Die zweite Hälfte hatte gerade erst begonnen, als Magdeburgs Mittelstürmer Mateusz Zukowski den Ball nach einer Flanke von der linken Seite knapp am Tor vorbeisetzte.
Herthas Spiel blieb auch nach der Pause zu fehlerhaft, zu kompliziert und daher offensiv erschreckend harmlos. Zu Beginn der zweiten Halbzeit schwiegen beide Fanlager zudem einige Minuten wegen eines medizinischen Notfalls in der Berliner Kurve. Nicht nur fußballerisch, auch atmosphärisch war diese Begegnung nun eine ziemlich triste Angelegenheit.
Der Torschütze sprang fast drei Meter in die Tiefe
Nach etwas mehr als einer Stunde brachte Leitl Kevin Sessa und Maurice Krattenmacher und kurz darauf auch Luca Schuler – weil die Gäste in der 74. Minute in Führung gegangen waren. Wie das 1:0 für den FCM gefallen war, sagte alle über Herthas mentale Verfassung an diesem Nachmittag.
Die Berliner ließen sich von einer kurz ausgeführten Ecke der Gäste übertölpeln. „Wir drehen uns weg, gucken nicht zum Ball und kriegen das Gegentor“, sagte Leitl. Gegen den Abschluss von Alexander Nollenberger hatte Tjark Ernst keine Abwehrchance. Nach 553 Minuten in der Liga war Herthas Torhüter erstmals wieder bezwungen.
„Es ging einfach darum, den Gegner kaputt zu spielen, bis er nicht mehr kann“, sagte Magdeburgs Spielmacher Baris Atik. „Das haben wir sehr gut hingekriegt.“ Auch die Schlussphase überstanden die Gäste unbeschadet, obwohl Hertha tatsächlich noch durch Innenverteidiger Linus Gechter zu zwei richtig guten Chancen kam.
Die Berliner wehrten sich mit dem Mute der Verzweiflung gegen die erste Heimniederlage seit elf Wochen. Leitl wechselte alle noch verfügbaren Offensivkräfte ein. Stringent und durchdacht aber wirkten Herthas Bemühungen auch in veränderter Besetzung nicht. Die Berliner hatten sogar Glück, dass die Magdeburger ihre Konter nicht besser ausspielten und die Partie erst in der Schlusssekunde durch das Tor von Rayan Ghrieb endgültig für sich entschieden.
Der Torschütze lief gleich weiter zu den eigenen Fans – und hüpfte im Überschwang in den fast drei Meter tiefen Graben vor der Kurve. „Verrückt. Wahnsinn auch“, sagte sein Trainer Petrik Sander. „Aber aus der Emotion heraus tut man manchmal Sachen, die man hinterher nicht verstehen kann.“
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