zum Hauptinhalt
Lieber nichts sagen. Gladbachs Mittelfeldspieler Yannik Engelhardt (links) scheint es nach dem Auftritt gegen Bremen die Sprache verschlagen zu haben.

© dpa/Federico Gambarini

Massiver Unmut bei den Borussia-Fans: In Gladbach werden jetzt die Grundsatzfragen gestellt

Drei Spieltage, nur ein Punkt und noch kein Tor: Es wird ungemütlich bei Borussia Mönchengladbach. Vor allem Trainer Gerardo Seoane gerät immer mehr in die Kritik.

Stand:

Unter den vielen riesigen Fahnen, die von den Ultras von Borussia Mönchengladbach in der Nordkurve des Borussia-Parks geschwenkt wurden, befand sich am Sonntagabend auch eine, die das Konterfei eines Heiligen zeigte. Über seinem Bild stand der Spruch: „Ora pro nobis“. Bete für uns.

Wenn die Mannschaft der Gladbacher in der Fußball-Bundesliga so weitermacht wie im Moment, dann wird sie schon bald tatsächlich himmlischen Beistand benötigen, um das Schlimmste zu verhindern. Ihre irdischen Mittel erweisen sich zunehmend als arg beschränkt.

Drei Spiele sind in der neuen Saison vorüber, und noch immer hat die Mannschaft des Schweizer Trainers Gerardo Seoane kein einziges Tor erzielt. Und während sie sich in den ersten beiden Begegnungen zumindest defensiv noch einigermaßen stabil präsentiert hatte, war am Sonntagabend gegen Werder Bremen auch davon nichts zu sehen.

Eigentlich ist alles Scheiße, aber so ganz Kacke ist es doch nicht.

Robin Hack, Offensivspieler von Borussia Mönchengladbach

Offensive Harmlosigkeit und defensive Nachlässigkeiten: Das ergab gegen die Bremer, die in den vergangenen Jahren so etwas wie Gladbachs liebster Aufbaugegner waren, in Summe eine auch in dieser Höhe passende 0:4-Niederlage im eigenen Stadion.

„Es ist keine einfache Situation, wenn du so in die Saison startest“, sagte Borussias Offensivspieler Robin Hack. „Aber die letzten Jahre war es auch nicht besser. Insofern können wir damit umgehen.“

Schwacher Start wird zur Gewohnheit

Das stimmt. Der mäßige Start in die neue Spielzeit wird den Gladbachern langsam zur Gewohnheit, wobei sie es in den vergangenen Jahren in ihren ersten Heimspielen auch fast ausschließlich mit Kalibern wie Bayern, Leverkusen, Leipzig oder Stuttgart zu tun hatten.

Gladbachs Trainer Gerardo Seoane steht nach den dürftigen Ergebnissen zunehmend unter Druck.

© dpa/Federico Gambarini

Diesmal schienen die Spielplaner der Deutschen Fußball-Liga Gnade mit den Gladbachern walten lassen zu wollen. Aber offenbar erweisen sich auch vermeintlich leichte Gegner wie der HSV im ersten Heimspiel der Saison oder die Bremer im zweiten als zu schwer für die Borussen in ihrer aktuellen Verfassung.

Borussias Offensivspieler Robin Hack verwies auf positive Ansätze, die zumindest in den ersten beiden Saisonspielen gegen den Hamburger SV und den VfB Stuttgart zu sehen gewesen warn. „Eigentlich ist alles Scheiße, aber so ganz Kacke ist es doch nicht“, sagte er.

Diese Meinung aber dürfte Hack im Umfeld des Klubs inzwischen einigermaßen exklusiv vertreten. Die Stimmung ist nach mäßigen Platzierungen in den vergangenen Jahren ohnehin latent grummelig. Und die drei Spiele ohne Tor und mit nur einem Punkt stehen auch nicht für sich. Sie schreiben einen Trend fort, der die Mannschaft bereits im Frühjahr von Platz fünf auf Rang zehn hat abrutschen lassen.

Erinnerungen an bleierne Zeiten

Saisonübergreifend sind die Gladbacher nun bereits seit zehn Spielen ohne Sieg, seit insgesamt fünf warten sie auf ein Tor. Das letzte erzielte der derzeit verletzte und schmerzlich vermisste Tim Kleindienst am 3. Mai im Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim.

Die ausbleibenden Erfolge haben die Geduld des Publikums inzwischen nahezu aufgezehrt. Am Sonntag änderte der Unmut endgültig seinen Aggregatzustand: von latent zu massiv. Pfiffe gab es bereits zur Pause beim Stand von 0:2. Pfiffe gab es direkt nach dem Schlusspfiff und noch einmal, als die Mannschaft vor die Fankurve schlurfte. Wären Tausende Besucher nicht bereits lange vor Spielende geflüchtet, dann hätten die Pfiffe den Beteiligten wohl noch deutlich schriller in den Ohren geklungen.

Der nächste Gegner ist Bayer Leverkusen

Gerade mal sechs Wochen ist es her, dass der Klub mit viel Tamtam und vielen Heroen der glorreichen Vergangenheit seinen 125. Geburtstag gefeiert hat. Im Moment dürften sich die Fans eher an die dunkleren Phasen der Vereinsgeschichte erinnert fühlen, an die bleiernen Jahre, in denen die Trainer Jürgen Gelsdorf, Holger Fach oder Michael Frontzeck hießen.

Nur einmal während ihrer Bundesligazugehörigkeit hatten die Gladbacher nach drei Spieltagen ebenfalls noch kein Tor erzielt. Das war in der Saison 1991/92, in der die Mannschaft zu Beginn der Spielzeit von Gerd von Bruch trainiert wurde und sie bis zum Ende gegen den Abstieg spielte. Damals gelang den Borussen erst am fünften Spieltag der erste Treffer.

Ein solches Szenario ist auch diesmal nicht auszuschließen. Der nächste Gegner der Gladbacher heißt am kommenden Sonntag Bayer Leverkusen. Und auch eine ernsthafte Verwicklung in den Abstiegskampf wäre nach Leistungen wie gegen Bremen alles andere als überraschend.

Du musst gucken, wo liegt das Hauptproblem. Das musst du zusammen mit der Mannschaft und zusammen mit dem Trainer aufarbeiten und so schnell wie möglich abstellen.

Roland Virkus, Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach

Den Namen nach hatte Trainer Seoane gegen die Bremer seine beste verfügbare Elf aufs Feld geschickt, inklusive des prominenten Neuzugangs Giovanni Reyna. Der US-Amerikaner, für vergleichsweise kleines Geld aus Dortmund gekommen, versuchte viel, aber gelingen wollte ihm wenig. Damit hob er sich zumindest nicht von seinen neuen Kollegen ab.

Für die unbefriedigenden Leistungen wird zunehmend Trainer Seoane in Haftung genommen, dem Borussias Sportdirektor Roland Virkus bisher immer den Rücken gestärkt hat. Zwei Jahre arbeitet der Schweizer inzwischen in Mönchengladbach, aber Fortschritte sind allenfalls mit dem allergrößten Wohlwollen zu erkennen.

Die Mannschaft fällt immer wieder in alte Muster zurück. Seoanes Kritiker vermissen klare Abläufe in Borussias Spiel, vor allem in der Offensive. Auch die durchaus vorhandenen Möglichkeiten gegen Bremen schienen eher zufällig als geplant zustande gekommen zu sein.

Sportdirektor Virkus mühte sich nach der deutlichen Niederlage um Haltung. „Ganz ehrlich: Es ist schwer, das zu erklären. Emotional bin ich schwer enttäuscht“, sagte er. Deshalb achtete er penibel darauf, nichts Falsches zu sagen. „Es ist meine Aufgabe, das Ganze sachlich zu besprechen, aber sicherlich nicht heute.“ Erst müsse er eine Nacht darüber schlafen.

„Du musst gucken, wo liegt das Hauptproblem“, sagte Virkus. „Das musst du zusammen mit der Mannschaft und zusammen mit dem Trainer aufarbeiten und so schnell wie möglich abstellen. Das ist die Forderung, die ich habe.“

Auf die Frage eines Journalisten, ob er denn sicher sei, dass der Trainer Gerardo Seoane nicht das Problem sei, wollte Virkus nicht eingehen. „Ich verstehe die Nachfrage“, sagte er. „Aber sieh es mir nach, dass du diese Frage von mir nicht so beantwortet kriegst, wie du es vielleicht möchtest.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })