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Moritz Wagner übertrug viel Energie an die Mannschaft.

© IMAGO/camera4+

Deutsche Basketballer erreichen Halbfinale bei Olympia: Klappe aufreißen mit voller Inbrunst

Deutschlands Basketballer glauben nach dem Sieg gegen Griechenland an den Olympiasieg. Die Spieler wollen nicht nur sportliche Vorbilder sein, sondern einen Mentalitätswandel hierzulande herbeiführen.

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„Frans“, mit weichem S am Ende begann ein US-amerikanischer Journalist seine Frage. Die Miene von Moritz Wagner verdunkelte sich kurz. Er drehte sich leicht um, deutete mit den Händen auf seinen Bruder Franz Wagner und sagte: „Mo, ich bin Mo, Franz ist dieser hässliche Typ da drüben.“ Alle lachten. Moritz Wagner konnte mit der Verwechslung gut leben.

Er war sogar ziemlich euphorisch. Als sein Mannschaftskollege und Kapitän Dennis Schröder kurz darauf auf ihn zugelaufen kam, klatschte er sich derart heftig mit ihm ab, dass man sich Sorgen machen musste um Schröder. Aber das bisschen Schmerz ging auch noch nach einem intensiven Spiel.

Deutschlands Basketballer brauchten am Dienstag viel Kampfkraft, um im Viertelfinale der Olympischen Spiele in Paris gegen Griechenland als Sieger hervorzugehen. Sie setzten sich mit 76:63 (11:21, 25:15, 23:16, 17:11) in der Bercy-Arena im Westen der Stadt durch.

Es war dies der vierte Sieg im vierten Spiel bei Olympia für das Team von Bundestrainer Gordon Herbert. Wenn man sich danach bei den deutschen Spielern umhörte, dann ist im Grunde schon ausgemacht, wie es nun in Paris weitergehen wird: Die Mannschaft wird auch die nächsten beiden Spiele gewinnen und ist danach Olympiasieger.

Mo, ich bin Mo. Franz ist dieser eklige Typ da drüben.

Basketball-Nationalspieler Moritz Wagner, der in der Interviewzone nach dem Sieg gegen Griechenland als Franz angesprochen wurde

„Das Ziel ist, jedes Spiel hier zu gewinnen“, sagte etwa Daniel Theis. „Nun haben wir vier, jetzt brauchen wir noch zwei.“ Sein Teamkollege Andreas Obst rechnete erst gar nicht. „Wenn wir spielen, wie wir spielen können, sind wir unaufhaltsam.“

So viel offen ausgesprochenes Selbstbewusstsein ist neu im deutschen Spitzensport. Hierzulande ist man eher vorsichtig, ganz nach dem Motto: Nimm den Mund bloß nicht zu voll.

Den Basketballern ist das egal. Zumal sie ihren Worten nicht nur bei Olympia in Paris regelmäßig Taten folgen lassen. Das Zutrauen in die eigene Stärke rührt auch von der gewonnenen Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr her. Zudem spielen etliche Profis wie eben Moritz Wagner oder Daniel Theis in der nordamerikanischen Basketballliga NBA.

Griechische Macht: Giannis Antetokounmpo (rechts) im Duell mit Daniel Theis.

© Imago/Goal Sports Images

Wer dort ein Dasein als graue Maus führt, geht unter. Eine große Klappe kann manchmal helfen. Das ist eine Botschaft, die auch Moritz Wagner am Dienstag noch einmal loswerden wollte.

Das sei alles auch eine Mentalitätsfrage, sagte er. „Man muss Bock drauf haben und sich trauen zu sagen, dass man erfolgreich spielen kann als Team.“ Das sei keine typisch deutsche Mentalität. Anders sei das in den USA. „Ich habe schon gemerkt, dass die in dem Punkt offener sind.“ In Deutschland sei man zu vorsichtig.

Das Gegenteil von vorsichtig ist in jedem Fall Moritz Wagner. Der gebürtige Berliner gilt als eine Art aggressive Leader, also jener Gattung Sportler, die gerne das Adrenalin und den Zweikampf suchen und – vor allen Dingen – diese Energie permanent auf seine Mannschaft überträgt.

Nun handelte sich Moritz Wagner gegen Griechenland gleich drei Offensivfouls ein, aber seinen kämpferischen Auftrag erledigte er vorbildlich. Er verteidigte stark gegen einen der weltweit besten Spieler, den NBA-Profi Giannis Antetokounmpo.

Antetokounmpo hat keinen guten Wurf aus der Distanz, aber das macht er mit seiner Physis wett. Er ist groß, schnell und extrem stark. Wenn er zum Korb zieht, gibt es für die Verteidigung kaum ein Mittel gegen ihn. Manchmal wirkt er wie eine Superheldenfigur – und seine Gegenspieler spielen die bemitleidenswerte Nebenrolle.  

Doch insbesondere Daniel Theis und Moritz Wagner ließen Antetokounmpo trotz dessen 22 Punkten zumindest irdisch aussehen. Und vorne drehte und wand sich Moritz Wagner immer wieder geschickt um seine Gegenspieler und kam erfolgreich zum Korbabschluss.

Die Mentalität Wagners war auch nötig, nachdem die Deutschen schlecht ins Spiel gestartet waren. Im ersten Viertel gingen sie mit 11:21 unter. Nichts wollte gelingen, auch nicht Moritz Wagners Bruder Franz. Der ist der talentiertere Basketballer von beiden. Ausgestattet mit einem feinen Händchen und unfassbar viel Spielverständnis, Basketball-IQ, wie es im Fachjargon heißt.

Doch davon war in der Bercy-Arena zu Beginn nicht viel zu sehen. Das deutsche Team musste sich langsam hineinspielen in die Begegnung. Dabei half wesentlich, dass der deutsche Kader eine extreme Tiefe hat. Das heißt, wenn Stars wie Franz Wagner oder Dennis Schröder mal nicht wie gewohnt aufspielen, springen andere ein. Am Dienstag waren das neben Moritz Wagner auch der wurfstarke Johannes Voigtmann, der agile Isaac Bonga oder auch Johannes Thiemann.

Nach dem Erfolg trifft Deutschland am Donnerstag auf das französische Team. In der Gruppenphase ging der erste Vergleich mit 85:71 klar an Deutschland. Das DBB-Team geht in jedem Fall als Favorit in die Begegnung. Und egal, wie dieses Turnier für sie nun endet: Den Mund haben die deutschen Spieler nicht zu voll genommen.

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