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Der Herthaner in Neukölln und viele andere Kneipen sind derzeit geschlossen.

© Imago

Virtuell trinken, real spenden: Die „Aktion Herthakneipe“ hilft Wirten in Not

In Zeiten der Coronavirus-Epidemie müssen viele Kneipen um ihre Existenz bangen. Hertha-Fans helfen nun einigen von ihnen mit einer besonderen Aktion.

Not macht bekannterweise erfinderisch. In der Not Durst zu haben, ist im Fall der „Aktion Herthakneipe“ zusätzlich kein Hindernis. Seit dem letzten Wochenende rufen Hertha-Fans dazu auf, an jedem nicht stattfindenden Spieltag für eine originale Hertha-Kneipe in Berlin zu spenden. So kamen am letzten Wochenende stolze 2036,29 Euro für die Kneipe Kugelblitz im Wedding zusammen. „Wir haben gehofft, dass ein bisschen was zusammenkommt. Eine vierstellige Summe hätten wir im Vorhinein unterschrieben. Wir sind natürlich super zufrieden“, sagt Steven Redetzki. Der ist Teil der Fan-Initiative „Blau-Weißes Stadion“, über die der Tagesspiegel berichtete, und die nun auch die „Aktion Herthakneipe“ ins Leben gerufen hat.

„Unsere Bemühungen in Sachen Stadion mussten wir auf Grund der aktuellen Situation erstmal ruhen lassen. Wir haben deswegen nach einer Möglichkeit gesucht, wie wir in der Zwischenzeit aktiv Herthanern helfen können“, erzählt Redetzki. Der Wirt der Kneipe Kugelblitz ist zeitgleich Mitglied der Initiative „Blau-Weißes Stadion“. Wie vielen anderen Kneipen geht es auch seiner nicht gut. Die vom Land Berlin bereitgestellte Soforthilfe habe er zwar bekommen, aber auch die könne die Kneipe auf Dauer nicht retten.

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Aus der Idee, dem eigenen Mitglied zu helfen, wurde schnell der Plan, mehreren Kneipen unter die Arme zu greifen: „Den Preis für Biere, die man am Spieltag im Stadion oder in der Kneipe trinken würde, spendet man über PayPal oder per Direktüberweisung. Das ist der Kern der Idee. Und die Biere kann man ja trotzdem trinken“, sagt Redetzki.

Wichtig war den Gründern der Initiative, dass die jeweiligen Kneipenbetreiber auch wirklich Herthaner sind: „Dass die Kneipen zum Beispiel zu Fanklubs gehören oder Fantreffen ausrichten und sie sich für und auch gemeinsam mit Hertha engagieren.“ Der Wirt der jeweiligen Kneipe lost dann die nächste Kneipe aus, für die gespendet wird. An diesem Wochenende ist es das Fränky’s in Wilmersdorf.

Die Kneipe ist vergleichsweise jung, erst vor drei Jahren ging sie an den Start. Mittlerweile sind bereits zwei Hertha-Fanklubs im Fränky’s ansässig, gerade zu den Auswärtsspielen ist es rappelvoll. Der hausgemachte Flammkuchen genießt einen exzellenten Ruf, verspeist wird er vor der größten Leinwand im Kiez.

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„Wir freuen uns total, dass wir Teil der Aktion sein dürfen“, sagt Frank Sassoli, der Wirt der Kneipe. Etliche Gäste und Nachbarn hätten bereits ihre Hilfe angeboten und wollten Gutscheine kaufen: „Aber die haben wir hier nicht. Die Spendenaktion ist jetzt die optimale Gelegenheit.“ Die letzten Wochen nutzte Sassoli, um hinter den verschlossenen Türen die Kneipe etwas umzubauen und aufzuhübschen: „Damit sich die Leute noch wohler fühlen, wenn sie uns wieder besuchen dürfen.“

Die Aktion verbreitete sich über die sozialen Netzwerke recht schnell. Viele Spender überwiesen angelehnt an Herthas Gründungsjahr 18,92 Euro. Auch Ingo Schiller, Herthas Geschäftsführer Finanzen, warf Geld in den Topf. Vereinzelt halfen auch Fans vom 1. FC Union mit Geld aus. „Solche Sachen sind eben größer als Rivalitäten“, sagt Redetzki. „Wir haben auch die Hoffnung, dass in den kommenden Wochen aus anderen Städten Spenden kommen. Die Solidarität in der Fußballszene ist wirklich groß.“

Zusätzlich bietet die „Aktion Herthakneipe“ über das Videotelefonie-Portal Zoom virtuell Kneipentische an. Ab 15.30 Uhr trafen sich am vergangenen Samstag einige Hertha virtuell, um über dies und jenes und natürlich vor allem über ihren Klub zu plaudern. Bis um 23 Uhr abends hätten die letzten Mitglieder vor ihren Monitoren zusammengesessen. Auch an diesem Samstag wird über das Internet erneut angestoßen, gefachsimpelt und dabei Gutes getan.

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Dabei hofft nicht nur Redetzki, dass die Summe der Auftaktveranstaltung keine einmalige Sache bleiben wird: „Es geht darum, dass die Personen im Idealfall nicht nur einmalig spenden. Es müssen ja nicht jedes Wochenende 20 Euro sein. Aber das Geld für die zwei, drei Bier, die man im Stadion trinken würde, helfen den Kneipen schon“, sagt Redetzki. Zusätzlich hat die Aktion Mottoshirts produzieren lassen. Bald sollen auch Bierdeckel und Sticker dazukommen „Das Geld aus den Verkäufen geht in einen separaten Topf und wird unter den Kneipen fair aufgeteilt, sodass alle ein gutes Ergebnis erzielen, selbst wenn an einem Samstag mal nicht so viel gespendet wird.“

Logischerweise hat die Aktion natürliche Grenzen, immerhin gibt es in der ganzen Stadt unzählige Kneipen, die Hertha-Spiele übertragen und in denen sich Hertha-Fans regelmäßig treffen. „Natürlich wird es am Ende Kneipen geben, die fragen: Warum die und warum wir nicht? Das kann ich verstehen. Aber wir können nicht allen helfen. Deswegen wiederum niemandem zu helfen, ist keine Alternative“, sagt Redetzki.

Der Plan, bis zum Saisonende weiterzumachen, ist auch davon abhängig, wie lange die Kneipen noch geschlossen haben müssen. Sollte die DFL ab Mai Geisterspiele austragen dürfen, muss das nicht unbedingt bedeuten, dass auch die Kneipen wieder öffnen. „Wenn die Aktion bis dahin gut läuft, können wir uns sehr gut vorstellen, dass weiter durchzuziehen“, sagt Redetzki. Die Wirte würde es freuen.

Louis Richter

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