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Die Anwesenheitspflicht bleibt: Hertha BSC spricht sich gegen hybride Mitgliederversammlungen aus
In einer für Hertha-Verhältnisse ungewöhnlich ruhigen Mitgliederversammlung geht es nur punktuell hoch her. Dabei sind einige Zahlen, die der Klub präsentiert, durchaus erschreckend.
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Wer bei einer Mitgliederversammlung einen Antrag stellt, der wird es in der Regel darauf anlegen, für diesen Antrag auch die notwendige Mehrheit zu bekommen. Als jedoch Bert Handschumacher am Samstagmittag bei der Mitgliederversammlung von Hertha BSC auf der Bühne steht, erklärt er stellvertretend für die Satzungskommission des Klubs, „dass wir weder die Annahme noch die Ablehnung empfehlen“.
Es geht um die Frage, ob bei Hertha die Mitgliederversammlungen künftig nicht nur wie bisher in Präsenz stattfinden, sondern auch in hybrider Form, sodass die sogenannten Exil-Herthaner fernab von Berlin die gleichen Rechte haben wie die anwesenden Mitglieder vor Ort. Es ist eine Änderung, die nach Schätzungen des Vereinspräsidiums des Berliner Fußball-Zweitligisten mindestens 100.000 bis 150.000 Euro kosten würde.
Der Antrag ist der vermutlich brisanteste einer sonst eher mäßig brisanten Versammlung in Halle 20 der Messe Berlin. „Wir haben das sehr kontrovers diskutiert und sind auf keine gemeinsame Entscheidung gekommen“, sagt Handschumacher als Mitglied der Satzungskommission, die den Antrag eingebracht hat.
Mehr als 20 Wortmeldungen aus dem Auditorium gibt es. Sie lassen bereits erahnen, wie das Ergebnis ausfallen wird. Die Mehrheit vor Ort ist gegen eine Änderung der bisherigen Regelung. „Diese Veranstaltung, das ist Hertha BSC, und das sollte erhalten bleiben“, sagt ein Mitglied.
Am Ende sind es nur 179 der zu diesem Zeitpunkt knapp 1300 anwesenden Mitglieder, die für den Antrag stimmen. Die für eine Satzungsänderung notwendige Dreiviertelmehrheit wird damit deutlich verfehlt. Es bleibt also alles wie gehabt. Auch der Folgeantrag, die Versammlungen für die Mitglieder zumindest zu streamen, wird nicht angenommen, sondern ebenfalls mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.
Die Satzungsänderungen sind wegen des großen Interesses in der Tagesordnung sogar eigens vorgezogen worden. Danach – als Präsident Fabian Drescher ans Mikrofon tritt – leert sich die Halle merklich.
Wir prüfen, ob wir die Mehrheit der Anteile wieder zu uns ziehen können. Das muss immer das Ziel sein.“
Herthas Präsident Fabian Drescher
Drescher kann zu zwei existenziellen Fragen für den Verein nur wenig sagen: zum neuen Stadion, das der Verein plant, und zur Zusammenarbeit mit dem Investor A-Cap, der die Anteile von 777 Partners übernommen hat. Was A-Cap konkret mit Hertha BSC plant, weiß der Klub aktuell nicht.
„A-Cap hat uns in den Büchern und will uns schon verkaufen. So weit kann man schon gehen“, sagt Ralf Huschen, Herthas Finanzgeschäftsführer in einer Medienrunde nach der Mitgliederversammlung. Ein Rückkauf durch Hertha selbst steht als Option im Raum. „Wir prüfen, ob es die Möglichkeit gibt, dass wir die Mehrheit der Anteile wieder zu uns ziehen“, sagt Drescher. „Das muss immer das Ziel sein.“
Viele Mitglieder zahlen ihre Beiträge nicht
Doch konkret ist diese Option noch nicht. Das Gleiche gilt im Moment für die Stadionfrage. Auch bei diesem Thema wünschte Drescher, „ich könnte mehr erzählen“. Das, was er den Mitgliedern mitteilt, klingt nicht gut.
Die eigentlich für Oktober geplante nächste Sitzung der Expertenkommission ist erneut verschoben worden. Ein neuer Termin steht noch nicht fest. Das heiße aber nicht, „dass Untätigkeit herrscht“, sagt Herthas Präsident. „Wir hoffen und beten, dass wir bei der nächsten Mitgliederversammlung Ergebnisse präsentieren können.“
Positiv ist weiterhin die Mitgliederentwicklung. Hertha hat zum ersten Mal die 60.000er-Marke geknackt. Aktuell sind es 60.620 Mitglieder. Weniger positiv ist bei vielen von ihnen die Zahlungsmoral. Präsidiumsmitglied Ralf Thaeter beklagt, dass insgesamt knapp 800.000 Euro an Beiträgen ausstehen.
Manche Zahlen, die Finanzgeschäftsführer Huschen den Mitgliedern präsentiert, sind mindestens genauso erschreckend. Sie resultieren allerdings vor allem aus Versäumnissen der Vergangenheit, für die Huschen keine Verantwortung trägt.
450 Millionen Euro Verlust in sechs Jahren
Hertha, so berichtet er, habe in den vergangenen sechs Jahren rund 450 Millionen Euro Verlust gemacht. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2024/25 waren es 15,6 Millionen Euro – der Großteil bestand laut Huschen allerdings aus hohen Abschreibungen und Zinsen. Trotzdem: „Uns fehlt Handlungsspielraum“, sagt sein Geschäftsführerkollege Peter Görlich, der seit Anfang September für Hertha arbeitet.
In den vergangenen fünf Jahren musste Hertha allein an Zinsen 30,8 Millionen Euro zahlen. Im letzten Geschäftsjahr waren es fünf Millionen. Die Tendenz zumindest ist rückläufig: 2025/26 werden es 2,4 Millionen ein, 2026/27 dann noch 2,1 Millionen Euro. „Wir müssen von den Schulden runter“, sagt Huschen, der für einen klaren Kurs der Konsolidierung steht. Teil dieses Kurses ist auch, dass die Mitglieder künftig keine Rabatte mehr auf Fanartikel, Trikots und Dauerkarten bekommen.
Das operative Betriebsergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen war im vergangenen Geschäftsjahr mit 33.000 Euro erneut positiv. „Das ist ein erster wichtiger Schritt auf der Etappe Richtung Rentabilität“, sagt Ralf Huschen.
Die Nettoverschuldung liegt nach seiner Aussage bei 28 Millionen Euro. Trotzdem bleibt es das Ziel, den Klub in fünf Jahren zu entschulden. „Das ist schon noch Arbeit, aber ich bin zuversichtlich, dass wir das hinkriegen“, sagt Huschen. „Wir werden diese Schulden abbauen. Das ist ein Versprechen.“
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