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© AFP

Tour-de-France-Chef Prudhomme: „Die Betrüger dürfen sich niemals sicher fühlen“

Tour-de-France-Chef Christian Prudhomme über Doping und die plötzliche Sympathie der Franzosen für Lance Armstrong.

Herr Prudhomme, sind Sie zufrieden, dass Lance Armstrong zurückgekommen ist?



Es gibt verschiedene Perspektiven, auf Armstrong zu blicken: die deutsch-französische, die mit Zweifeln versehen ist, die anglophone, in der er ein Held ist. In vielen Ländern wird er als großer Sportler wahrgenommen. Er ist mit Sicherheit eine starke Persönlichkeit, die man ablehnen, aber auch bewundern kann.

Die Perspektive der Franzosen auf Armstrong scheint sich geändert zu haben.

Ja. Am Straßenrand erlebt man keine Anti-Armstrong-Äußerungen mehr. Vielmehr Transparente mit der Aufschrift „Go Lance!“ oder „Du hast uns gefehlt!“. Es herrscht nicht mehr diese Animosität gegenüber Armstrong.

Woran liegt das?

Er trägt nicht das Gelbe Trikot. Er befindet sich nicht mehr an erster Stelle. Die Franzosen mögen traditionell die nicht so sehr, die auf dem ersten Platz stehen. Das hat man beim Duell zwischen Poulidour und Anquetil gemerkt. Eddy Merckx wurde erst geliebt, nachdem er gegen Bernard Thevenet verloren hatte. Die Franzosen haben mehr Sympathie für den Zweiten und den Dritten – und für den, der darum kämpft, nach vorn zu kommen.

Aber auch die Haltung des Tour-Veranstalters ASO zu Armstrong scheint sich geändert zu haben. Ist die Tour-Organisation ähnlich sentimental wie die Franzosen?

Ich glaube nicht, dass sich unsere Haltung geändert hat. Wir hatten immer einen Verdacht. Seit 1999 haben wir diesen Verdacht. Wir haben ihn auch bei dieser Tour. Aber ich möchte nicht immer über Armstrong reden. Die mediale Maschinerie ernährt sich allein aus diesem Thema.

Sind Sie denn mit dem bisherigen Verlauf der Tour zufrieden?

Die Tour war bislang ausgewogen. Sie hat viel geboten, wenn ich an die Windkante in der Camargue erinnere, das Teamzeitfahren in Montpellier, die Etappen nach Perpignan und Barcelona und Andorra. Das war alles sehr beeindruckend. Wir können auch mit der Fernsehauswertung zufrieden sein. Die Zuschauerzahlen sind überall gestiegen. Nicht bei ARD und ZDF, das ist klar, aber Eurosport gleicht den Verlust in Deutschland mehr als aus. Überall, bis auf Italien, weisen die Zahlen nach oben. Das war ein sehr zufrieden stellender Beginn der Tour. Das Klassement ist noch offen. Und ich hoffe natürlich, dass noch sehr viel geschehen wird.

Ist der Zuschaueranstieg im Fernsehen von Lance Armstrong ausgelöst worden?

Ich weiß es nicht. Zu den Rennen, bei denen Armstrong bislang angetreten ist – zur Tour Down Under, der Kalifornienrundfahrt und auch im Frühling zum Giro d’Italia – sind viel mehr Journalisten als gewohnt gekommen. Bei der Tour haben wir rund 1800 Journalisten und jeder schreibt über das Duell Armstrong gegen Contador. Duelle sind das Markenzeichen des Sports, denken Sie etwa an Federer gegen Nadal. Hier geht es um Alt gegen Jung, Amerikaner gegen Spanier.

Aber dieses Duell ist kein offener Kampf, es wird in den Reihen eines Teams ausgetragen. Ist das noch ein echter Wettkampf?

Die Auseinandersetzung war einige Male durchaus offen. Beim Prolog zuerst, dann in der Camargue und schließlich in Andorra-Arcalis. Ich bin überzeugt: Es wird andere Gelegenheiten geben.

Bislang hat es noch keinen Dopingfall gegeben. Heißt das, alle Fahrer sind sauber?

Diese Frage muss man auch an andere Institutionen und andere Disziplinen des Sports stellen. Radsportler sind nicht anders als andere Sportler. Ja, früher herrschte eine alte Kultur. Es wurde gelogen. Jetzt müssen die Radprofis damit rechnen, dass wir die Betrüger jagen. Die Betrüger wissen das auch. Sie dürfen sich niemals sicher fühlen.

Die französische Sportministerin Roselyne Bachelot hat vor der Tour erklärt, Lance Armstrong werde ganz besonders unter die Lupe genommen. Wird er das?

Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir organisieren nicht die Dopingkontrollen. Dies ist Aufgabe der Weltantidopingagentur Wada. Hier bei der Tour de France liegt die Verantwortung beim Radsportweltverband UCI und der französischen Anti-Doping-Agentur AFLD.

Aber die UCI macht – denken wir an die Kaffeepause, die ein Dopingkontrolleur in Andorra mit Astana-Offiziellen verbrachte – nicht den Eindruck, als erfülle sie ihre Aufgabe vorbildlich. Hegen Sie als Organisator da nicht auch Zweifel?

Ich habe volles Vertrauen zur AFLD. Ihr Chef Pierre Bordry ist ein exzellenter Fachmann. Allgemein betrachtet läuft die Sache gut.

Haben Sie auch Vertrauen zur UCI?

Die UCI analysiert die Proben. UCI und AFLD arbeiten zusammen. Darauf gründe ich meine Hoffnung.

Innerhalb der ASO gab es Machtverschiebungen. Warum musste Patrice Clerc, der als Armstrong-kritisch und Doping-kritisch bekannt war, die ASO verlassen?

Sie vermischen hier Dinge, die nichts miteinander zu tun haben.

War auch Ihre Position bei der Neuordnung der ASO in Gefahr?


Sie bringen hier wirklich Dinge in einen Zusammenhang, die nicht zusammengehören. Ich kann Ihnen versichern: Ich bin glücklich und zufrieden bei der ASO.

Das Gespräch führte Tom Mustroph.

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