zum Hauptinhalt
Torschütze Toni Kross feiert mit seinen Mitspielern den 1:0-Sieg in Spanien.

© dpa

Nach dem 1:0 gegen Spanien: Die deutsche Nationalelf kann auch anders

Mit dem Sieg in Spanien gelingt der Nationalmannschaft ein würdiger Abschluss des WM-Jahres, der Auftritt war der beste seit dem WM-Finale. Und auch für das eigene Selbstverständnis war das Spiel wichtig.

Die Hiobsbotschaft erreichte Joachim Löw am späten Nachmittag, mitten in der unmittelbaren Vorbereitung auf das Spiel. Natürlich war er „auch ein bisschen schockiert“, aber selbst unter anderen Voraussetzungen hätte ihn die Nachricht von der schweren Verletzung Philipp Lahms vermutlich nicht mehr umgehauen. Noch ’n Verletzter? Na und. Aber die körperliche Unversehrtheit von Philipp Lahm interessiert Joachim Löw, den Bundestrainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, jetzt nur noch aus privaten, nicht mehr aus professionellen Gründen. Er muss schon seit der WM ohne den Münchner auskommen, der noch vor wenigen Wochen als unabkömmlich galt.

Deutschland gewinnt zum ersten Mal seit 14 Jahren in Spanien

Dass eine Zukunft ohne Lahm möglich ist, haben viele bezweifelt. Am Dienstag aber, im Regen von Vigo, hat die Nationalmannschaft etwas geschafft, was ihr mit Lahm nie gelungen ist: Sie hat gegen Spanien gewonnen – zum ersten Mal seit 14 Jahren. Sie hat sogar in Spanien gegen Spanien gewonnen. Beim letzten Mal, 1982 bei der Weltmeisterschaft, war noch kein einziger der deutschen Spieler geboren, die in Vigo auf dem Platz standen. „Das Jahr geht für uns freudig zu Ende“, sagte Löw nach dem 1:0-Erfolg seiner Mannschaft gegen den amtierenden Europameister, der den Deutschen lange Zeit Vorbild war und Schrecken zugleich.

Deutschland und Spanien waren in den vergangenen Jahren die beiden führenden Nationen des Weltfußballs; doch bis zu diesem Sommer hatten die Spanier in den entscheidenden Momenten immer die Nase vorn: 2008 siegten sie im EM-Finale, 2010 im Halbfinale der Weltmeisterschaft, und 2012 fiel das Duell nur deshalb aus, weil es die Deutschen bei der Europameisterschaft nicht ins Endspiel schafften. Dass die Nationalmannschaft nun die Begegnung durch das späte Tor von Toni Kroos für sich entschied, könnte man gewissermaßen als Bestätigung für die neuen Herrschaftsverhältnisse im Weltfußball deuten. Besonders belastbar ist ein solches Urteil nach einem einzigen Spiel allerdings noch nicht. Aber darum ging es den Deutschen auch nicht. Sie erfreuten sich einfach an diesem Moment.

„In so einem Spiel setze ich das Ergebnis nicht immer an die erste Stelle“, sagte Löw – und gab damit indirekt zu, wie wichtig ihm das Ergebnis in diesem speziellen Fall gewesen war. Nach den eher unerfreulichen Resultaten der vergangenen Wochen, nach dem 0:2 gegen Polen, dem Unentschieden zu Hause gegen Irland und vor allem dem dürftigen Auftritt gegen Gibraltar, ging es für den Weltmeister auch um einen würdigen Abschluss des WM-Jahres. Joachim Löw hatte seine Spieler am Tag vor dem Spiel noch einmal davon in Kenntnis gesetzt, „dass es mein ausdrücklicher Wunsch ist, dass wir uns noch einmal bündeln, noch mal sammeln“.

Bei Bedarf wurde die Dreierkette zur Fünferkette

Der Auftritt in Vigo war – vor allem gemessen an den schwierigen personellen Umständen – der beste seit der WM in Brasilien. „Wir sind mit einem guten Plan ins Spiel gegangen“, sagte Toni Kroos. Die ungewohnte Dreierkette in der Abwehr wurde bei Bedarf zur ungewohnten Fünferkette. Auf diese Weise sollte die Mannschaft das Zentrum auch dann dicht halten, wenn die Spanier den Weg über außen suchten. Löws Plan funktionierte. „Mit der Spielweise war ich sehr einverstanden“, sagte der Bundestrainer. Sehr gut organisiert hatte er sein Team erlebt, taktisch hervorragend. „Wir haben es genossen, weil wir als Mannschaft funktioniert haben“, sagte Verteidiger Shkodran Mustafi, der in der Dreierkette die zentrale Position bekleidet hatte.

Das Spiel folgte einem Muster, das in der Vergangenheit schon häufiger zu beobachten war. Die Nationalmannschaft ist zu defensiver Stabilität in der Lage, wenn diese aus psychologischen Gründen von ihr gefordert wird. Zum fünften Mal hintereinander hat Löws Team das Länderspieljahr mit einem Zu-Null-Spiel beendet. Der letzte Eindruck bleibt, und der ist nach dem Spiel in Vigo wesentlich freundlicher, als man vor dem Spiel befürchten musste.

Die Nationalspieler haben gemerkt, dass ihre Fallhöhe als Weltmeister nun eine andere ist

„Es war ein hervorragender Abschluss für ein hervorragendes Jahr“, sagte Sami Khedira. Am großen Ganzen hätte auch ein anderer Ausgang des Freundschaftsspiels nichts mehr geändert – der WM-Titel wird vom Jahr 2014 bleiben und auf Dauer alles überstrahlen. Aber in den vergangenen Wochen haben die Nationalspieler schon gemerkt, dass ihre Fallhöhe als Weltmeister nun eine andere ist.

Der Erfolg gegen Spanien war daher auch für das eigene Selbstverständnis wichtig. „Ich wollte sehen, dass wir noch einmal den Biss und die Motivation haben, gegen so einen starken Gegner zu bestehen“, sagte Joachim Löw. „Es ist eine gute Vorlage für das nächste Jahr.“

Folgen Sie der Tagesspiegel-Sportredaktion auf Twitter:

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false