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Enttäuschung zum Jahresende: Hertha BSC spielt nur 1:1 gegen Arminia Bielefeld
In einem zähen Spiel sieht Hertha schon wie der Sieger aus, kassiert dann aber in der letzten Minute der Nachspielzeit noch den Ausgleich. Zudem sieht Toni Leistner die Rote Karte.
Stand:
Nie werden Traditionen so beharrlich gepflegt wie in der Advents- und Weihnachtszeit. Alles muss so gemacht werden, wie es immer schon gemacht wurde. Selbst bei Hertha BSC schien das zuletzt der Fall zu sein.
Seitdem die Berliner im Sommer 2023 aus der Bundesliga abgestiegen sind, haben sie die Hinrunde und das Fußballjahr stets mit einem torlosen Unentschieden abgeschlossen. Am Freitagabend im Olympiastadion sah es lange so aus, als könnte diese Tradition auch gegen Aufsteiger Arminia Bielefeld fortgeschrieben werden.
Die Partie vor 44.968 Zuschauern hatte über weite Strecken die Anmutung eines typischen 0:0-Spiels: mit vielen Zweikämpfen, etlichen Fouls, ausgeprägtem Mittelfeldgeplänkel, wenig strukturiert vorgetragenen Angriffen und dementsprechend auch einer überschaubaren Zahl an klaren Torchancen. Am Ende fielen doch noch Tore. Zu Herthas Bedauern auf jeder Seite eins.
Eine unfassbare Frechheit, diese Entscheidung.
Herthas Trainer Stefan Leitl über die Rote Karte für Toni Leistner
Denn bis in die letzte Minute der Nachspielzeit hatten die Berliner wie der Sieger dieses Spiels ausgesehen, nachdem Paul Seguin sein Team in der 67. Minute mit einem überlegten Schuss aus 16 Metern in Führung gebracht hatte. Doch es reichte nicht, weil Stefano Russo mit einem feinen Schlenzer noch zum 1:1 (0:0)-Endstand traf.
„Das ist ärgerlich und frustrierend“, sagte Herthas Sportdirektor Benjamin Weber. „Es fühlt sich wie zwei geklaute Punkte an.“
So gab es am Ende Pfiffe – für die feiernden Bielefelder, aber vor allem gegen Schiedsrichter Jarno Wienefeld, der entscheidend Einfluss auf den Ausgang des Spiels genommen hatte. Fünf Minuten vor dem Ende zeigte er Herthas Abwehrchef Toni Leistner für eine vermeintliche Notbremse die Rote Karte. Aus Sicht der Berliner eine mehr als zweifelhafte Entscheidung.
„In meinen Augen war es ein ganz normaler Zweikampf“, sagte Weber zum Duell zwischen Leistner und dem Bielefelder Isiah Young. Trainer Stefan Leitl klagte, „dass jemand in dieses Spiel eingreift – was so nicht geht“. Mit Blick auf den Platzverweis sagte er: „Poah! Find ich eine unfassbare Frechheit, diese Entscheidung.“
Letztlich führte sie dazu, dass Hertha den Vorsprung nicht über die Zeit retten konnte und die Hinrunde mit drei Spielen ohne Sieg beendete. Statt 30 Punkten, wie von Leitl vor dem Spiel eingefordert, sind es nur 28 geworden. Der Abstand zu den Aufstiegsrängen ist damit zur Halbzeit der Saison größer als erhofft.
Trainer Leitl hatte gegen die Bielefelder kurzfristig auf Innenverteidiger Marton Dardai (Magen-Darm) und Mittelfeldspieler Kennet Eichhorn verzichten müssen, der im Training einen Schlag aufs Sprunggelenk bekommen hatte. Beide hatten auch vor zwei Wochen gefehlt, als Hertha nach sieben Pflichtspielsiegen nacheinander 0:2 gegen den damaligen Tabellenletzten 1. FC Magdeburg verlor.
Niklas Kolbe droht wochenlang auszufallen
Nach nicht einmal einer halben Stunde musste Leitl den nächsten personellen Rückschlag hinnehmen. Niklas Kolbe, der mit Diego Demme neu ins Team gerückt war, musste mit einer Muskelverletzung in der linken Wade ausgewechselt werden. Laut Leitl droht er einige Wochen auszufallen.
Die Darbietung auf dem Rasen war über weite Strecken eine zähe und träge Angelegenheit mit wenigen Torchancen auf beiden Seiten. Die Berliner hatten oft den Ball und dadurch weitgehend die Kontrolle über das Geschehen, aber ohne Dardai und seine eröffnenden Pässe aus der Tiefe und ohne Eichhorns Dynamik fehlte Hertha ein gewisses progressives Element im Spiel.
Nach fünf Minuten ging es einmal flott nach vorne, als Rechtsverteidiger Linus Gechter nach einer guten Verlagerung von Luca Schuler aus der eigenen Hälfte startete, das Mittelfeld mit großen Schritten durchmaß und es mit einem Schuss vom Strafraumeck versuchte. Der Ball flog knapp am Bielefelder Tor vorbei.
Eine derartige Zielstrebigkeit war selten zu sehen – von beiden Teams. Wobei die Arminen, die schlechteste Auswärtsmannschaft der Zweiten Liga, es bewusst vorsichtig angingen. So verbreiteten die Gäste, die auch noch auf ihren besten Torschützen Joel Grodowski verzichten mussten, ähnlich viel Schrecken wie eine Messdienergruppe auf einem Rockertreffen.
Wenn sie mal gefährlich wurden, dann war das vor allem Berliner Nachlässigkeiten geschuldet. So wie zehn Minuten vor der Pause, als Noah Sarenren Bazee nach einem Ballverlust von Luca Schuler aus zentraler Position im Strafraum und unbedrängt zum Abschluss kam. Sein harmloser Schuss stellte aber für Herthas Torhüter Tjark Ernst keine echte Prüfung dar.
Die besseren Chancen hatten die Berliner. Schuler, in der Vorwoche noch Doppeltorschütze beim 3:3 in Fürth, vergab die größte Gelegenheit fast schon kläglich. Fabian Reese hatte den Ball geschickt zurückgelegt, doch Herthas Mittelstürmer verfehlte aus acht Metern das Bielefelder Tor.
Reese wiederum scheiterte kurz darauf an der Schulter von Bielefelds Torhüter Jonas Kersken. Arminias Verteidiger Maximilian Großer hatte sich zuvor von Herthas Kapitän am Strafraum den Ball abluchsen lassen.
Nach der Pause war Hertha um mehr Tempo und mehr Tiefgang bemüht. Die Mannschaft wollte erkennbar, sie wirkte bei der Wahl ihrer Mittel allerdings nicht immer textsicher. Vor allem die entscheidenden Bälle in den Strafraum kamen nicht an.
Bis Paul Seguin sich der Sache annahm, nach einem Zuspiel von Marten Winkler mit einem präzisen Schuss zum 1:0 traf und Hertha wie den Sieger aussehen ließ. Doch der Jubel kam – wenn auch nur wenige Sekunden – zu früh.
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