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Genug gesiegt. Joao Palhinha (links) tröstet seinen Münchner Teamkollegen Serge Gnabry.

© IMAGO/DeFodi Images/IMAGO/Marco Steinbrenner/DeFodi Images

Die Grenzen des Wachstums: Gegen Portugal erkennt die deutsche Nationalmannschaft, was ihr noch fehlt

Die aufkommende Liebe der Deutschen für die Nations League bleibt fürs Erste unerwidert. Im Halbfinale kassiert die DFB-Elf gegen Portugal eine verdiente Niederlage.

Stefan Hermanns
Ein Kommentar von Stefan Hermanns

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Der Name Conceição ist also immer noch geeignet, im deutschen Fußball Angst und Schrecken zu verbreiten. Exakt ein Vierteljahrhundert ist es her, dass Sergio Conceição die deutsche Nationalmannschaft bei der EM 2000 quasi im Alleingang bezwungen hat: Beim 3:0-Sieg der Portugiesen erzielte er alle drei Tore gegen den Titelverteidiger Deutschland, für den das Turnier damit schon nach der Vorrunde beendet war.

Sein Sohn Francisco bereitete dem Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann am Mittwochabend einen ähnlich stechenden Schmerz. Das Land war gerade dabei, sich für diesen seltsamen Wettbewerb namens Nations League zu erwärmen, da wurde diese spät entdeckte Liebe auch schon wieder auf eine harte Probe gestellt. Die Zuneigung blieb fürs Erste unerwidert – und der Traum vom Titel weiterhin nur ein Traum.

Das lag maßgeblich an Francisco Conceição, der im Halbfinale der Nations League das zwischenzeitliche 1:1 für Portugal erzielte. Sein Tor leitete in München die Wende in einem Spiel ein, in dem die Deutschen am Ende die erste Niederlage seit dem Viertelfinalaus gegen Spanien bei der Heim-EM vor elf Monaten kassierte. Dieses 1:2, bei dem die Nationalmannschaft den Portugiesen in den entscheidenden Momenten klar unterlegen war, markierte sehr deutlich die Grenzen des Wachstums.

Im Sommer 2000 hat das Debakel gegen Portugal einen heilsamen Realitätsschock ausgelöst. Der deutsche Fußball erkannte, dass es nicht genügen würde, sich einfach immer weiter durchzuwurschteln; er erkannte, dass es tiefgreifende Reformen brauchte, um den Niedergang zu stoppen. Die notwendigen Veränderungen wurden danach tatsächlich mit deutscher Gründlichkeit in Angriff genommen.

So schlimm ist es derzeit nicht. Seitdem Julian Nagelsmann als Bundestrainer die Geschäfte führt, geht es für die Nationalmannschaft nach oben, nicht nach unten. Trotzdem kann die Niederlage gegen Portugal auch diesmal einen positiven Effekt entfalten. Und wenn es nur die Erkenntnis ist: Es geht nicht von alleine.

Man muss nicht gleich das große Wehklagen anstimmen wie vor 25 Jahren. Nagelsmann musste am Mittwoch auf etliche seiner Stammkräfte verzichten. Von der Mannschaft, die im Viertelfinale gegen Italien die wohl beste Halbzeit seiner Amtszeit abgeliefert hatte, standen in München nurmehr fünf Spieler auf dem Feld. Der Rest – und noch einige mehr – war unpässlich.

Weder der Bundestrainer noch die wichtigsten Spieler des Teams führten den personellen Aderlass später als entscheidenden Grund für den bescheidenen Auftritt an. Sie suchten den Fehler bei sich selbst. Das ist schon mal ein gutes Zeichen.

Nach der EM im eigenen Land und dem für seinen Geschmack viel zu frühen Ausscheiden im Viertelfinale hat Julian Nagelsmann den Gewinn des WM-Titels im Sommer 2026 als Ziel ausgerufen. Die Nations League hat er dabei als wichtiges Vehikel ausgemacht. Sie sollte die Nationalmannschaft das Siegen lehren.

Am Mittwoch hat die Nationalmannschaft erfahren, wie beschissen sich das Verlieren anfühlt. Vor allem wenn man hinterher erkennen muss, sich nicht mit aller Macht gegen das Verlieren gewehrt zu haben. Vielleicht hilft auch das.

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