
© dpa/Bernd Thissen
DFB-Team zittert sich ins Halbfinale der Nations League: Nach einer 3:0-Führung reicht es nur zu einem 3:3 gegen Italien
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft erreicht erstmals das Final Four der Nations League. Nach einer 3:0-Pausenführung muss sie in der zweiten Halbzeit allerdings noch gehörig zittern.
Stand:
Es war dasselbe Tor wie damals, es war ebenfalls nach einer Ecke von der rechten Seite – und es war schon ziemlich frech, was Joshua Kimmich, der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, mit seinem Münchner Teamkollegen Jamal Musiala veranstaltete.
Als Italiens Torhüter Gianluigi Donnarumma noch mit seinen Kollegen über die Großchance der Deutschen diskutierte, die sie gerade zugelassen hatten, führte Kimmich bereits die Ecke aus. Er passte in die Mitte, wo Musiala im Fünfmeterraum völlig frei stand und den Ball zum 2:0 ins leere Tor schob. „Das geht nicht, das geht überhaupt nicht“, sagte Italiens Nationaltrainer Luciano Spalletti. „Das war der Nackenschlag.“
Im Sommer 2006 hatte Fabio Grosso mit seinem späten Treffer vor der Südtribüne in Dortmund das WM-Halbfinale zugunsten der Italiener entschieden und den Gastgeber Deutschland ins Tal der Trauer gestürzt. Am Sonntagabend hätte den Deutschen eine kleine Revanche gelingen können, doch diese Chance machten sie sich in der zweiten Halbzeit selbst zunichte.
Trotz einer 3:0-Führung zur Pause mussten die Deutschen sich am Ende mit einem 3:3-Unentschieden zufriedengeben. In der Nachspielzeit verwandelte Giacomo Raspadori einen nach VAR-Intervention verhängten Handelfmeter zum Ausgleich. Zuvor hatte Moise Kean die Italiener mit zwei Toren wieder herangebracht. Einen kurz nach dem 2:3 verhängten Elfmeter für die Gäste hatte Schiedsrichter Szymon Marciniak nach Ansicht der Videobilder wieder zurückgenommen.
Das war mit das Interessanteste, was man seit langem von uns gesehen hat.
Bundestrainer Julian Nagelsmann über die erste Halbzeit seiner Mannschaft
Es war ein verrücktes Spiel mit zwei komplett unterschiedlichen Halbzeiten. Das Unentschieden, das sich nach dem Spielverlauf wie eine Niederlage anfühlte, reichte den Deutschen immerhin noch zum erstmaligen Einzug ins Final-Four-Turnier der Nations League. Dort treffen sie am 4. Juni auf Portugal. Im Endspiel vier Tage später wären Spanien und Frankreich mögliche Gegner.
Im Viertelfinal-Rückspiel gegen die Italiener hatte Bundestrainer Julian Nagelsmann sein Team auf vier Positionen verändert: Nico Schlotterbeck, Maximilian Mittelstädt, Angelo Stiller und Tim Kleindienst ersetzten David Raum, Pascal Groß, Nadiem Amiri und Jonathan Burkardt. Zudem spielte das deutsche Team diesmal mit einer Dreierkette. Insgesamt war Nagelsmanns Aufstellung deutlich schlüssiger als beim 2:1-Sieg am Donnerstag im Hinspiel.
In Dortmund hat Jürgen Klopp einst das Gegenpressing als fußballerisches Stilmittel erfunden. Der Auftritt der Nationalmannschaft in der ersten Hälfte gegen Italien wirkte wie eine verspätete Hommage. Wenn die Deutschen gekonnt hätten, dann hätten sie die Italiener wohl schon hinter der Torauslinie attackiert.
Vor der Pause waren die Deutschen unverschämt überlegen
Sie ließen die Gäste lange nicht zur Ruhe kommen, attackierten mit Verve und eroberten auf diese Weise immer wieder den Ball. Die Italiener, eigentlich bekannt für ihre taktische Reife, stürzten von einer Verlegenheit in die nächste. Die 3:0-Führung der Deutschen zur Pause war für die Squadra Azzura sogar noch schmeichelhaft, so unverschämt überlegen waren die Gastgeber.
Eine gute halbe Stunde verteidigen die Italiener das 0:0, dann gelang den Deutschen ein unwiderstehlich vorgetragener Angriff aus der eigenen Hälfte, an dessen Ende Alessandro Buongiorno im Strafraum Mittelstürmer Tim Kleindienst zu Fall brachte. Kimmich verwandelte den folgenden Elfmeter sicher.
Die Nationalmannschaft machte gleich klar, dass sie nicht daran dachte, die Dinge nun etwas ruhiger angehen zu lassen. Nur zwei Minuten später hatte sie durch einen Kopfball von Leon Goretzka die nächste gute Chance. Überhaupt war es bemerkenswert, mit welcher Ernsthaftigkeit die Deutschen zumindest in der ersten Hälfte zu Werke gingen. „Das war mit das Interessanteste, was man seit langem von uns gesehen hat“, sagte Julian Nagelsmann.
Musialas Treffer ließen sie unmittelbar vor der Pause noch das 3:0 folgen. Nach einer starken Balleroberung von Nico Schlotterbeck und einer präzisen Flanke Kimmichs erzielte Kleindienst im sechsten Länderspiel sein viertes Tor. Das Spiel schien entschieden, die Deutschen einem ungefährdeten Erfolg entgegenzusehen.
Nach der Pause aber geriet der Sieg noch einmal ernsthaft in Gefahr – begünstigt durch deutsche Fehler. Das 1:3 ermöglichte Leroy Sané mit einem schlampigen Pass, vor dem 2:3 ließ es Innenverteidiger Jonathan Tah an Entschlossenheit mangeln. Die Nationalmannschaft schwankte bedenklich, rettete aber wenigstens das Unentschieden noch über die Zeit, das ihr den Einzug ins Halbfinale sicherte.
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