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Die Mitgliederversammlung von Hertha BSC: Auch diesmal könnte es wieder hoch hergehen
Bei Hertha stehen weder Wahlen zum Präsidium noch zum Aufsichtsrat an. Brisant dürfte es bei der Mitgliederversammlung trotzdem werden – bei einem Satzungsänderungsantrag.
Stand:
Für die einen war es ein Putsch, für die anderen ein ganz normaler demokratischer Vorgang: Gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Und das war bei der Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden von Hertha BSC im Juni 2022 nun mal etwas überraschend Klaus Brüggemann – und nicht der Amtsinhaber Torsten-Jörn Klein.
Brüggemann setzte sich bei der Wahl innerhalb des Gremiums mit drei zu zwei Stimmen durch, obwohl Klein bei der Wahl durch die Mitgliederversammlung deutlich mehr Zustimmung erfahren hatte. Auf ihn waren 1721 Stimmen entfallen, auf Brüggemann 1347 und damit die zweitwenigsten der fünf Mitglieder des Aufsichtsrats.
Was damals noch ging, soll künftig nicht mehr möglich sein. Das jedenfalls ist das Ansinnen eines Antrags, über den Herthas Mitglieder am kommenden Samstag (ab 11 Uhr) bei ihrer Mitgliederversammlung in Halle 20 der Messe Berlin abstimmen werden.
Schon bei der nächsten Wahl des Aufsichtsrats sollen dessen Vorsitzender und sein Stellvertreter nicht mehr innerhalb des Gremiums, sondern von den Mitgliedern direkt gewählt werden – so wie es auch beim Präsidenten und dem Vizepräsidenten des Berliner Fußball-Zweitligisten der Fall ist.
„Die neue Regelung dient der Stärkung der Mitgliederversammlung als höchstes Vereinsgremium“, heißt es im Antrag, der aus der Satzungskommission des Vereins eingebracht worden ist. Seit zweieinhalb Jahren beschäftigt sich die Kommission mit einer grundlegenden Überarbeitung der aus dem Jahr 2007 stammenden Satzung. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sollen im kommenden Jahr zur Abstimmung stehen.
Dass die Paragrafen 15 und 16 schon jetzt geändert werden sollen, hat einen einfachen Grund: Nur so kann die neue Regelung bereits bei der nächsten Wahl des Aufsichtsrats greifen. Und die steht turnusgemäß im Mai 2026 an.

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Wie bei allen Satzungsänderungen ist zur Annahme eine Dreiviertelmehrheit nötig. Beim Antrag zum Vorsitz des Aufsichtsrats spricht wenig dafür, dass das nötige Votum verfehlt wird. Dafür mangelt es dem Thema an Brisanz. Das wird bei dem sich daran anschließenden Antrag zu Paragraf 12 Nummer 10 der Satzung definitiv anders sein.
Selbst in der Satzungskommission, die auch diesen Antrag eingebracht hat, gibt es keine einheitliche Meinung zu der Frage, ob Herthas Mitgliedern in Zukunft eine digitale Teilnahme an den Mitgliederversammlungen ermöglicht werden soll – mit den gleichen Rechten, die auch die vor Ort anwesenden Mitglieder besitzen.
Über dieses Thema wird nicht nur bei Hertha, sondern in vielen Vereinen hitzig diskutiert. Es geht dabei um die grundsätzliche Frage der Teilhabe und der Repräsentation – aber in vielen Fällen eben auch um die Frage der Macht.
Es gab bereits zwei digitale Versammlungen
Eine hybride Veranstaltung ist bei Hertha schon jetzt möglich. Dies muss lediglich vom Präsidium so beschlossen werden. So wie es während der Corona-Pandemie der Fall war, als die Mitgliederversammlung des Vereins zweimal ausschließlich digital stattfand.
Im März 2023 ist auch der entsprechende Paragraf 32 im Bürgerlichen Gesetzbuch verändert worden. Darin heißt es nun: Vereine können ihre Mitgliederversammlungen hybrid oder komplett digital abhalten, wenn sich das für die Zusammenkunft zuständige Organ dafür entscheidet.
Bei Hertha ist dies das Präsidium, beim Bundesligisten Borussia Dortmund der Vorstand. Der hat im Juni beschlossen, die Mitgliederversammlungen des eingetragenen Vereins fortan in hybrider Form abzuhalten.
Eine Mitgliederversammlung gehört dahin, wo Gemeinschaft spürbar ist – in die Halle, auf die Bühne, mitten unter uns!
Die Ostkurve in einem Flugblatt
Die Intention hinter dieser Entscheidung schien klar. Wenn alle Mitglieder des BVB abstimmen können, erhöht das die Chance, dass der bisherige Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke Ende November erstmals zum Präsidenten gewählt wird – und nicht dessen Gegenkandidat und Amtsinhaber Reinhold Lunow, der vor allem auf die Unterstützung der Ultras zählen konnte. Inzwischen hat Lunow seine Kandidatur zurückgezogen.
Sollte bei Hertha BSC am Samstag der Antrag zur Satzungsänderung angenommen werden, läge die Entscheidung für oder gegen eine digitale Teilnahme an der Mitgliederversammlung nicht mehr in den Händen des Präsidiums. Die Frage wäre stattdessen durch die Satzung zweifelsfrei geregelt. Dass es dafür allerdings die nötige Mehrheit gibt, ist nicht zu erwarten.
Die aktiven Fans sind gegen eine Satzungsänderung
Die aktiven Fans des Klubs haben sich bereits eindeutig gegen die Satzungsänderung positioniert. Beim Pokalspiel gegen die SV Elversberg wurden Flugblätter („Echte Mitgliederversammlung – Echte Gemeinschaft“) verteilt, die mit „Ostkurve Hertha BSC“ gezeichnet waren.
Darin heißt es: Eine Mitgliederversammlung gehöre dahin, „wo Gemeinschaft spürbar ist – in die Halle, auf die Bühne, mitten unter uns!“ Transparenz gebe es nur vor Ort, eine Mitgliederversammlung in Präsenz sei „gelebte Demokratie“.
Die Befürworter einer hybriden Versammlung argumentieren ähnlich – nur andersherum. In der bisherigen Form werde nur ein kleiner Teil der Mitgliedschaft repräsentiert, die deutliche Mehrheit jedoch von der Teilhabe am Vereinsgeschehen ausgeschlossen. Bei der jüngsten Versammlung im Mai waren von 60.000 Mitgliedern knapp 1400 anwesend, also gerade mal 2,3 Prozent.
Verfehlt der Antrag die notwendige Mehrheit, kommt ein weiterer zur Abstimmung, eine Art Kompromisslösung. Den Mitgliedern, die nicht vor Ort sein können, soll wenigstens ein Livestream der Versammlung zur Verfügung gestellt werden – um ihnen „zumindest diese Möglichkeit der Partizipation am Vereinsleben zu gewähren und den Verein somit auch für abwesende Mitglieder nahbarer zu machen“.
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