zum Hauptinhalt

Sport: Die neue Nummer eins – hinter den Bayern

Für die Schalker soll die erfolgreiche Saison erst der Anfang auf dem Weg nach ganz oben gewesen sein

Berlin - Gerhard Mayer-Vorfelder ließ die Gunst des Augenblicks gelassen über sich ergehen. Etliche Foto-Handys waren auf den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes gerichtet. Solche Zuneigung erfährt Mayer-Vorfelder nur selten, vor allem von den Fans des FC Schalke 04. Doch weit nach Mitternacht war Mayer-Vorfelder vor dem Steigenberger Hotel die einzige greifbare Prominenz. Die Schalker Spieler, zeitgleich mit dem DFB-Präsidenten vor dem Hotel vorgefahren, waren ungebremst ins Foyer geflüchtet. Es dauerte eine Zeit, ehe einem Schalker Fan die Skurrilität der Situation bewusst wurde: „Der soll doch zu den Bayern gehen.“ Mayer- Vorfelder steht in dem Ruf, lieber mit den Siegern zu feiern als mit den Verlierern.

Aber waren die Schalker überhaupt Verlierer? „Wir haben alles geschafft, was möglich war“, sagte Verteidiger Marcelo Bordon. „Viel besser geht’s nicht“, fand Trainer Ralf Rangnick, und Manager Assauer verkündete: „Kein Mensch hat damit gerechnet, dass wir da oben stehen.“ Zweimal sind die Schalker Zweiter geworden. Nur den Bayern mussten sie sich geschlagen geben, in der Meisterschaft ebenso wie im Pokal. Dass diese Rangfolge nicht dem Zufall oder einer Laune geschuldet war, hat das Finale in Berlin gezeigt. Von der ersten Minute an bestimmten die Bayern das Geschehen, sie gewannen, „weil sie die besseren Spieler hatten“, wie Assauer feststellte.

Das Zustandekommen der 1:2-Niederlage wirkte wie eine nachträgliche Rechtfertigung dafür, dass die Bayern den Schalkern im Bundesliga-Schlussspurt um 14 Punkte enteilt waren. „Es war nicht viel mehr drin“, sagte Rangnick. Am Ende der Saison machte sich der Substanzverlust bemerkbar, und anders als die Bayern konnten die Schalker Ausfälle von Stammkräften nicht kompensieren. „Wir müssen dahinkommen, dass wir dem FC Bayern nicht nur auf sieben, acht Monate Paroli bieten können, sondern über eine ganze Saison“, sagte Rangnick.

Das Pokalfinale war Ende und Anfang zugleich. Es war das Ende der Positionskämpfe im Verfolgerfeld. „Wir sind jetzt die Marke Nummer zwei in Deutschland“, verkündete Assauer. Es war aber auch der Anfang des Angriffs auf die Bayern. Spät in der Nacht verabschiedete Teammanager Andreas Müller vier Spieler, die den Verein verlassen: Fabian Lamotte, 22 Jahre, Volkan Ünlü, 21, Michael Delura und Kai Hesse, beide 19. Noch vor einem Jahr unter Trainer Jupp Heynckes standen junge Nachwuchsleute wie Delura oder Lamotte für ein organisches Wachstum der Mannschaft; inzwischen sind sie zu klein für die großen Ziele des Klubs. Die Realität hat eine Entwicklungsstufe einfach übersprungen.

„Im nächsten Jahr müssen wir beweisen, dass wir dauerhaft da oben hingehören“, sagte Rangnick. Die Berechnungsgrundlage ist nun eine andere: nicht mehr Platz 15, auf dem die Mannschaft lag, als Rangnick Trainer wurde, sondern Platz zwei, der wenig Steigerungsmöglichkeiten lässt. Kapitän Frank Rost sagte: „Wir müssen noch ein paar Schippen drauflegen, wie man im Pott so schön sagt.“

Schalke ist bereit, ein kalkuliertes Risiko einzugehen. Doch während die Bayern wie im Fall Ismael eben einfach den Spieler holen, den sie haben wollen, „müssen wir mit Bedacht, Augenmaß und Vorausschau vorgehen“, sagte Rangnick. De facto heißt das: Die Schalker können sich nur Spieler leisten, die ablösefrei zu haben sind. Dass es gefährlich ist, die Bayern mit ihren eigenen Mitteln anzugreifen, hat das Beispiel Borussia Dortmund gezeigt; andererseits ist es schwierig, mit einem Sparkurs an den Münchnern vorbeizuziehen. Doch nachts um halb drei war es für solche Feinheiten immer noch viel zu heiß. Rudi Assauer sagte: „Ich verspreche Ihnen, ich werde es noch erleben, dass wir vor den Bayern stehen.“ Vor einem Monat ist Assauer 61 geworden.

Zur Startseite