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Sport: Die Versöhnungsmedaille

Deutschlands Langläufer landen erstmals bei der WM auf dem Podest – Silber

Von Benedikt Voigt

Beim letzten Anstieg vor dem Nebelhornschuss überschlug sich die Stimme von Jochen Behle. „Und den packst du auch noch“, schrie der Bundestrainer und lief ein kurzes Stück neben Axel Teichmann den Berg hinauf. Als er nur noch den Rücken seines Langläufers sah, schickte er ihm noch ein „hey, hey“ hinterher. Und Axel Teichmann erfüllte seinen Auftrag.

Im Endspurt kämpfte sich Teichmann an dem eine Minute und 32 Sekunden vor ihm gestarteten Russen Nikolaj Boltschakow vorbei und sicherte dem deutschen Team die Silbermedaille in der 4x10-km-Staffel. Zuvor hatte er bereits den Italiener Cristian Zorzi überholt und die 21500 Zuschauer im Langlaufstadion im Ried jubeln lassen. Es war die erste Medaille der deutschen Langläufer bei der Nordischen Skiweltmeisterschaft in Oberstdorf. „Der Axel hat das Rennen seines Lebens gemacht“, sagte Startläufer Jens Filbrich, der sich im Ziel vor Freude mit Andreas Schlütter und Tobias Angerer auf seinen Schlussläufer geworfen hatte. Gold ging an Norwegen, Russland erhielt Bronze. „Ich hätte nicht damit gerechnet, dass ich den Russen auch noch kriege“, sagte Teichmann, „auf den letzten zwei Kilometern habe ich nur noch nach vorne geschaut.“

Die erste Medaille ist eine tiefe Genugtuung für die deutschen Langläufer, die bis gestern die hohen Erwartungen nicht erfüllt hatten. „Wir haben immer an uns geglaubt“, sagte Teichmann, „die letzten zehn Tage waren sehr schwer für uns.“ Die Langläufer fühlen sich von den Medien schlecht behandelt, die das Ausbleiben der Medaillen bis gestern als Debakel gewertet hatten. Teichmann fehlte sogar auf der offiziellen Pressekonferenz. „Wegen der Berichterstattung in der deutschen Presse in den letzten Tagen“, verkündete der Pressesprecher des Weltskiverbandes. Später hieß es, dass er sich auf den heutigen Teamsprint (12.30 Uhr, live im ZDF) mit Jens Filbrich vorbereiten müsse. Auch Jochen Behle zeigte sich erleichtert über das erste Erfolgserlebnis: „Der Druck ist zuletzt immer größer geworden.“

Nach dem dritten Wechsel hatte es noch nach einem traurigen vierten Platz ausgesehen. Tobias Angerer verlor auf dem letzten Anstieg jede Kraft. „Das ist schlagartig gekommen“, sagte der 28-Jährige, „mir ist schwarz vor Augen geworden.“ Mit großer Mühe schleppte er sich ins Ziel, verlor jedoch auf den letzten Metern rund 40 Sekunden auf den Drittplatzierten Italiener Pietro Piller Cottrer. „Das war schon phänomenal, auf eine gewisse Weise“, sagte Behle. Doch die schwierigen zehn Kilometer forderten auch bei anderen Läufern Tribut.

Auf der ersten von drei Runden der Schlussläufer bemerkte Behle, dass der russische Schlussläufer Probleme bekam. „Deshalb haben wir auch immer die Zeit auf den Russen gemessen“, erzählt Behle, „doch das hört sich bei einem Rückstand von einer Minute und 32 Sekunden eigentlich utopisch an.“ Teichmanns überragende Laufleistung setzte den Wunsch in die Realität um. Der Führende im Weltcup rannte in der Skating-Technik die schnellste Zeit aller Läufer. „Er ist so gelaufen, wie ich ihn kenne, wenn er in Form ist“, sagte Behle.

Wegen einer Erkältung hatte er in den ersten Rennen dieser Weltmeisterschaft noch nicht das geboten, was seine Trainer von ihm erwartet hatten. Den letztjährigen Gesamtweltcupsieger Rene Sommerfeldt hatte Behle vor der Staffel ausmustern müssen. Auch deshalb war Startläufer Filbrich so erleichtert, als sich Teichmann auf Platz zwei ins Ziel rettete. Filbrich sagte: „Es gibt noch Gerechtigkeit auf dieser Welt.“

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