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Der ewige Streit. Dortmunder (l.) und Schalker Fans rangeln um die Vormachtstellung, auch beim Derby am achten Spieltag.

© picture-alliance/ dpa

Theaterregisseur Domke über das Revierderby: „Dortmund ist fast nicht mehr Ruhrgebiet“

Vor dem Revierderby zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 spricht der Regisseur Sigi Domke über die Rivalität zwischen Dortmund und Schalke und warum Dortmund eigentlich nicht zum Ruhrgebiet zählt.

Herr Domke, heute steht das Spiel Dortmund gegen Schalke auf dem Programm. Warum elektrisiert das Derby so viele Menschen im Ruhrgebiet?

Eine Sinngebung fällt einfacher, wenn man sich abgrenzen kann. Das ist in der Religion ja nicht anders. Natürlich gibt es auch andere Vereine im Ruhrgebiet, auch die haben ihre Fans. Aber Dortmund und Schalke sind die Traditionsvereine im Pott. Man wächst auf und entscheidet sich für einen Verein. Wegen der Familie, der Freunde oder sonst was. Das hat etwas Irrationales, ist in vielen Teilen des Ruhrgebiets aber so.

Wieso ist Fußball überhaupt so wichtig im Ruhrgebiet?

Das hängt mit der Entstehungsgeschichte dieser Region zusammen: Fußball war immer ein Arbeitersport, daraus sind die Vereine hier entstanden. Und es gibt noch immer das Arbeiterruhrgebiet, mit heruntergekommenen Gegenden, hoher Arbeitslosigkeit und kulturellem Kahlschlag. Ich glaube, dass die alteingesessenen Fans den Gesellschaftsschichten angehören, die nicht so begütert sind. Für die bedeutet der Fußball Sinngebung im Alltag.

Sie haben ein Theaterstück à la Romeo und Julia geschrieben. In „Ronaldo und Julia“ verlieben sich die Kinder ineinander, das Problem: Eine Familie ist durch und durch BVB, die andere Schalke. Wie ausgeprägt ist diese Rivalität in der Region?

Das ist ein Thema, das viele Leute bewegt. Meist aber spaßig. Dann wird eben in den kommenden Monaten der Arbeitskollege, der von der Mannschaft Fan ist, die das Derby zuletzt verloren hat, aufgezogen.

Besteht diese Rivalität auch abseits des Platzes zwischen den Städten?

Nein, das ist ja das Interessante. Die Städte haben eigentlich nichts miteinander zu tun. So eine Rivalität ließe sich eher zwischen Essen und Gelsenkirchen konstruieren, weil das Arbeiterstädte sind und direkte Nachbarn. Und weil Essen der Strukturwandel eher geglückt ist als Gelsenkirchen. Das ist eine der Verliererstädte in dieser Region. Zumal Dortmund ja fast schon nicht mehr Ruhrgebiet ist.

Sigi Domke, 55,  ist Regisseur, Musiker und Theaterautor. Der Essener hat das Ruhrpott-Theaterstück „Ronaldo und Julia“ geschrieben, das in Herne aufgeführt wird.
Sigi Domke, 55, ist Regisseur, Musiker und Theaterautor. Der Essener hat das Ruhrpott-Theaterstück „Ronaldo und Julia“ geschrieben, das in Herne aufgeführt wird.

© privat

Nicht?

Naja, es gibt Ruhrgebietler, für die zählt Dortmund da nicht zu. Das liegt an der geografischen Nähe zum Sauerland, die sich bereits im Dialekt niederschlägt.

Dennoch würden Außenstehende Dortmund zum Ruhrgebiet zählen. Gibt es denn diese viel beschworene spezielle Mentalität: Ehrliche Menschen, die grade heraus sagen, was sie denken.

Es gibt schon viele herzliche und ehrliche Menschen, denen man genau das sagen kann und die Dinge nicht verklausulieren muss. Es gibt aber auch genügend Gegenbeispiele. Also pauschalisieren sollte man diese Annahme nicht. Zudem ist die Ehrlichkeit manchmal auch nicht so angenehm, teils rüde. Damit kommt nicht jeder klar. Ich glaube auch, dass es Verbindungen zu Berlin gibt.

Inwiefern?

Auch die Berliner sind direkt. Damit muss man umgehen können. Außerdem ist Berlin wie das Ruhrgebiet ein Ballungsraum mit vielen strukturellen Unterschieden, mit modernen Gegenden ebenso wie mit heruntergekommenen und armen Teilen.

Zurück zum Derby: Existiert ein städteübergreifender Zusammenhalt?

Wenn eines der beiden Teams gegen Bayern München antritt, dann halten auch mal Schalker und Dortmunder zusammen. Dann schlägt die Seele der meisten schon für das Revier, und dann werden aus den Stadt- ganz schnell Regionalpatrioten.

Das Gespräch führte Nicolas Diekmann.

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