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Sport: Ehrenrunde der Versager

Von Erik Eggers Köln. Der Kölner an sich verfügt ja über einen recht ausgeprägten Sinn fürs Feiern; auch jene Spezies von Kölnern, die in den vergangenen Jahren nun wahrlich kaum Anlass zum Feiern hatten: die Fans des 1.

Von Erik Eggers

Köln. Der Kölner an sich verfügt ja über einen recht ausgeprägten Sinn fürs Feiern; auch jene Spezies von Kölnern, die in den vergangenen Jahren nun wahrlich kaum Anlass zum Feiern hatten: die Fans des 1. FC Köln. Selbst der Sturz in die Zweitklassigkeit scheint daran kaum etwas zu ändern. Eine katastrophale Saison hatte der FC hingelegt, inklusive einer veritablen Torverweigerungstaktik: Der zweite Abstieg innerhalb von vier Jahren ist endgültig perfekt, trotz eines 2:0-Sieges gegen einen erschreckend wehrlosen Sportclub aus Freiburg.

Normalerweise tritt der gemeine Fan in einem solchen Fall frustriert den Heimweg an, will vergessen, verdrängen, nichts mehr sehen, was mit Fußball auch nur zu tun haben könnte. Die Kölner aber harrten aus im Stadion, ermunterten ihre Mannschaft gar zu einer Ehrenrunde (!) und besannen sich auf das, was in Köln am meisten zählt: Köln, die, wie der Stadionsprecher behauptete, „schönste Stadt Deutschlands".

Und also sangen die Fans Schnulzen, die sonst im Karneval geschmettert werden, in Wirklichkeit aber vor allem der Versicherung des kölschen Selbstverständnisses dienen. Rührend war das. Als „Zeichen für die nächste Saison“ interpretierte das ein gerührter FC-Geschäftsführer Claus Horstmann, und verwies auf den versöhnlichen Charakter dieser Szenen: „Diese Art von Emotionen zeigt die tiefe Verbundenheit der Fans mit der Mannschaft." Aber eben nicht nur das. Denn die seltsam morbid-euphorische Atmosphäre im Müngersdorfer Stadion hatte natürlich auch mit der Leverkusener Niederlage zu tun. „Bayer lässt FC hängen“ titelte das Boulevardblatt „Express“ am Sonntag, unterschlug dabei aber, dass damit ja gleichzeitig das eigentliche Saisonziel aller Kölner Fans fast verwirklicht worden war: Leverkusen darf nicht Meister werden. Alexander Voigt brachte dieses wichtige Detail auf den Punkt. „Die Leverkusener“, sagte der Kölner Außenverteidiger, „sind selbst am Arsch jetzt.“ Wenigstens das.

Deswegen machte der zunächst eigenwillig wirkende Begriff der „kontrollierten Enttäuschung“, geäußert von der personifizierten Spaßbremse Friedhelm Funkel, auch ziemlich viel Sinn. Der Kölner Trainer verbreitete sogleich Optimismus: „Ich bin davon überzeugt, dass wir nur ein Jahr in der 2. Liga bleiben werden.“ Und tatsächlich ist diese Zuversicht nicht ganz unberechtigt, schließlich kann die Mehrheit der Spieler gehalten werden.

Kurth, Scherz, Springer, Cullmann, Lottner, Voigt und wahrscheinlich auch Torwart Pröll bleiben, nur Mittelfeldspieler Hanno Balitsch wechselt zu Bayer Leverkusen. Zusätzlich sind mit dem Stadionumbau und mit dem Wechsel von Manager Andreas Rettig Hoffnungen verbunden, den FC wieder in eine große Ära zu führen. Sicher ist der Mannschaft jedenfalls auch weiterhin die tiefe Zuwendung der Fans.

Dass die Gegner in der nächsten Saison tatsächlich Wacker Burghausen oder Greuther Fürth heißen, wird in Köln, da sich dieses Szenario lange angekündigt hatte, also nicht wirklich als Katastrophe empfunden. Viel schlimmer würden es die stolzen FC-Anhänger finden, falls sich tatsächlich noch das Undenkbare auf der rechten Seite des Rheins ereignen sollte: dass nämlich Bayer Leverkusen noch Deutscher Meister wird. Dass der verhasste Lokalrivale diese Saison einen exzellenten Angriffsfußball gespielt hat, das wird in Köln nur zögernd akzeptiert. Gönnen jedenfalls werden sie Bayer Leverkusen keinen Titel. Und so werden sie alle Borussia Dortmund die Daumen drücken.

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