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Ansporn für eine Berliner Bewerbung?: Olympia-Blaupause mit kleinen Makeln
Die Spiele in Paris waren bis auf wenige Ausnahmen ein voller Erfolg, fast eine Renaissance Olympias. Sollte dies nun ein Ansporn für Berlin sein?

Stand:
Der große Ballon mit dem künstlichen Olympischen Feuer stieg auch an diesem Wochenende in der Abenddämmerung in den Pariser Nachthimmel auf. Wie an jedem Tag befanden sich an dem Platz vor den Tuilerien-Gärten Tausende Menschen, um sich das Ritual anzusehen. Als der Ballon abhob, schwappte ein langes „Ohhhhhhh“ über den Platz. Ohhhhhhh, wie schön!
Die Besucher packten ihre Kameras aus, das größte Gedränge war direkt vor dem Arc de Triomphe du Carrousel. Mit ein bisschen Glück bekam man den leuchtenden Ballon genau an der Stelle vor die Linse, wo er durch das große Tor des Bogens hineinfunkelte.
Wow, was waren das für Bilder aus Paris! Der Ballon, der mit den Olympischen Ringen beleuchtete Eiffelturm, in dessen unmittelbarer Nähe Beachvolleyball gespielt wurde; die Gärten des Schlosses von Versailles, wo die Reitwettbewerbe stattfanden; oder das Grand Palais, in dem gefochten wurde.
Die Stimmung in Paris war außergewöhnlich
Jedes Mal, wenn ein sportliches Großevent zu Ende geht, behaupten die Veranstalter: So schön war es noch nie. Historisch! So ähnlich klang das auch dieses Mal – nur mit dem Unterschied, dass es vielleicht sogar stimmte.
Es waren nicht nur die Bilder, die schön waren. Vor allem war es die Stimmung. Die Besucher aus der ganzen Welt, insbesondere aber die Fans aus dem Gastgeberland, machten Olympia in Paris zu einem ausgelassenen Fest.
Von der Olympiabewegung war in den vergangenen Jahrzehnten der Lack abgeblättert. Dann war da noch Corona. Olympia – gedacht als Fest der Völkerverständigung – unter strengsten Quarantänebedingungen. Das konnte nicht funktionieren.
Hinzu kam die allgemeine Stimmungslage. Der Krieg in der Ukraine. Die stetige Angst vor dem Terrorismus. Und in Frankreich wie in vielen anderen Ländern auf der Welt: eine gespaltene Gesellschaft.

© Imago/Photo News/Peter De Voecht
All das drückt aufs Gemüt. In Paris war das Gefühl da, dass die Sorgen und Ängste mal herausgebrüllt werden müssen. Dass mal wieder – zumindest für ein paar Tage – zählt, ob der Schwimmer Léon Marchand als Erster am Beckenrand anschlägt und nicht, welchen Populismus der Rassemblement National als Nächstes verbreitet. Die Spiele waren gut zum Durchschnaufen.
Es war eine Olympia-Blaupause mit kleinen Makeln. Dass die Pariser bis zum Schluss an Schwimmwettbewerben in der Seine festhielten, war absurd. Der Fluss war nicht sauber genug und die Strömung viel zu stark. Die Franzosen stellten hier die stimmige Kulisse über das Wohl der Athleten.
Auch gab es Momente, wo die Euphorie der Franzosen leicht überschwappte, nationalistische Töne zu vernehmen waren. Mit der Fairness hielten es die Fans der Gastgeber nicht immer. Gegner ihrer geliebten „Les Bleus“ wurden teils gnadenlos ausgepfiffen.
Den positiven Gesamteindruck trübt das kaum. Zumal die Pariser nachhaltig von den Spielen profitieren werden. Das Olympische Dorf wird in dem gebeutelten Saint-Denis größtenteils für Sozialwohnungen genutzt, die Pariser Sportinfrastruktur wurde verbessert und auch wenn die Seine zu dreckig für die Schwimmwettbewerbe war – sauberer als vor den Spielen ist sie in jedem Fall.
Die Olympia-Ablehnung könnte zurückweichen
Die Franzosen schafften das alles zu einem – verglichen mit anderen Spielen – Spottpreis von rund neun Milliarden Euro. Was bedeutet das nun für Berlin, das sich gerne für die Spiele 2036 oder 2040 bewerben möchte?
Es hat die Chancen dafür jedenfalls nicht verkleinert. Selbst die größten Olympia-Skeptiker müssen zugeben, dass sich Spiele wie jetzt in Paris tatsächlich lohnen können. Die bislang verständliche Zurückhaltung der Deutschen und speziell der Berliner in puncto Olympia könnte weichen.
Allerdings ist die Stimmung das eine. Das Entscheidende ist das sportpolitische Geschick. Frankreich investiert seit Jahren viel mehr in seine Sportdiplomatie als Deutschland. Gerade beim IOC fällt mehr denn je die Vergabe-Entscheidung in den berüchtigten Hinterzimmern. Wer etwas haben möchte, sollte auch darin sitzen.
Aber vielleicht ist das gar nicht wichtig. Olympia kann auch in Deutschland sehr viel Spaß machen, wenn es hierzulande gar nicht stattfindet. Womöglich sogar noch mehr, weil die Ausrichtung einer solchen Veranstaltung sehr fordernd ist. Das Pariser Feuer jedenfalls hat weit über die Stadt der Liebe geleuchtet.
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