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Zwölf Sterne deluxe. Die azurblaue europäische Flagge fristet meist ein Schattendasein – beim Ryder Cup ist das anders.

© AFP

Golf - Ryder Cup: Ein Team für Europa

Nirgendwo sonst ist sich der Vielvölkerkontinent so nah wie im Ryder Cup. Aus der pragmatischen Idee einer gemeinsamen Golfmannschaft hat sich tatsächlich so etwas wie ein Europagefühl entwickelt.

Am Anfang war die Niederlage. So sehr sich die Golfer aus Großbritannien auch mühten, gegen das Team der USA waren sie im Ryder Cup einfach chancenlos. Bei den ersten vier Auflagen seit 1927 konnten die Briten noch zweimal gewinnen, in den nächsten 40 Jahren aber nur noch ein einziges Mal. Der britische Unternehmer Samuel Ryder hätte angesichts dieser desaströsen Bilanz womöglich darüber nachgedacht, die von ihm gestiftete Trophäe wieder zurückzuziehen. Doch Ryder starb 1936 vermutlich in dem Glauben, dem Vereinigten Königreich etwas Großartiges hinterlassen zu haben.

Tatsächlich trifft das auf den Ryder Cup mittlerweile zu – wenn auch anders, als es sich Ryder gedacht haben dürfte. Der Wettbewerb zwischen zwei Golfmannschaften mit je zwölf Spielern, der vom 26. bis 28. September in Gleneagles/Schottland in seine 40. Auflage geht, ist so populär wie nie. Dabei lässt sich die Entwicklung des Ryder Cups von einem besseren Privatvergnügen für Betuchte hin zu einem globalen Sportereignis ziemlich genau datieren. In den siebziger Jahren war die Überlegenheit des Teams USA so groß geworden, dass nur noch die von einigen Spielern vorgetragenen Absagen für eine Teilnahme an dem sportlichen Wettkampf Unterhaltungswert besaßen. So verzog sich US-Golfer Tom Weiskopf 1977 lieber in die Wälder seiner Heimat und machte dort Jagd auf allerlei Getier, als gegen die nicht konkurrenzfähigen Briten den Golfschläger zu schwingen.

„Die Veranstaltung starb einen langsamen Tod, weil das Ergebnis so vorhersehbar war“, sagt Neil Squires. Der 46-jährige Engländer schreibt als Golfkorrespondent für den „Express“ – Gleneagles wird sein vierter Ryder Cup, von dem er berichtet. Vor 35 Jahren dachte US-Golflegende Jack Nicklaus ähnlich und schrieb deshalb einen Brief an Edward Stanley. Darin schlug er dem 18. Earl of Derby und Präsidenten der britischen Profigolfer vor, dessen Team doch künftig mit europäischen Spielern zu verstärken. Gerade zu jener Zeit machte ein junger Spanier namens Severiano Ballesteros auf sich aufmerksam – die Entscheidung wurde den traditionsbewussten Briten dadurch leichter gemacht. Erstmals trat der Patchworkkontinent Europa 1979 mit einer gemeinsamen Mannschaft bei einem bedeutenden Sportwettbewerb an. Zunächst blieb der Erfolg des neuen europäischen Teams aus, aber die Veränderung tat dem Wettbewerb gut.

Seit 1979 gibt es ein europäisches Team im Ryder Cup

Zwei Jahre später bestritt Team Europa erstmals ein Heimspiel. Im englischen Surrey fiel die Niederlage gegen die Amerikaner mit 9,5:18,5 zwar erneut verheerend aus, aber „die Zuschauer haben das gesamte Team aus voller Überzeugung unterstützt“, erinnert sich Bernhard Langer. Der Deutsche war damals für Europa am Start. Bis heute ist er der erfolgreichste Spieler des europäischen Ryder-Cup-Teams mit zehn Teilnahmen als Spieler und einem triumphalen Auftritt als Kapitän 2004. Skepsis seitens der Briten gegenüber einer europäischen Auswahl habe es damals keine gegeben, „eher Neugierde, wie sich das Team schlagen würde“.

Bernhard Langer gewann den Ryder Cup als Spieler und Kapitän.
Bernhard Langer gewann den Ryder Cup als Spieler und Kapitän.

© AFP

Tatsächlich wendete sich das Blatt schon bald zugunsten der Europäer. Seit 1985 konnten sie zehn von vierzehn Ryder-Cup-Duellen gegen die USA gewinnen. Die wichtigste Veränderung aber erlebte der Wettbewerb selbst, er wurde durch die Erschließung eines ganzen Kontinents zu einem echten Spektakel – und zu einem profitablen obendrein. Denn plötzlich konnte der gastgebende Golfclub nicht mehr nur allein Prestige für sich verbuchen, sondern sogar Geld mit dem Turnier verdienen. Anfangs waren das noch wenige hunderttausend Pfund, heutzutage ist der Ryder Cup ein Millionengeschäft. Die schottischen Gastgeber rechnen für Gleneagles in diesem Jahr mit einem Umsatz von 100 Millionen Pfund – allein in der Austragungswoche. Und längst ist das Ereignis auch für Menschen interessant geworden, die sich ansonsten eher wenig für den Golfsport begeistern können. „Der Ryder Cup hat eine sensationelle Entwicklung genommen und wird heute global auch von Nichtgolfern an den Fernsehschirmen verfolgt“, sagt Bernhard Langer. „Durch unsere Erfolge in den 80er und 90er Jahren konnten wir die Dominanz der Amerikaner brechen und den Wettbewerb interessanter und spannender gestalten.“

Doch wie viel Europa steckt tatsächlich im europäischen Ryder-Cup-Team? „Natürlich ist Golf ein britischer Sport, aber die Mannschaft ist heutzutage eine durch und durch europäische“, glaubt Journalist Squires. Dass die Fans nun mit einer europäischen Flagge statt des Union Jacks am Platz stehen, findet er da nur logisch. Und angefeuert würden alle Spieler gleichermaßen. „Wer auf dem Platz für Europa spielt, ist letztlich egal.“ Es gehe Squires zufolge „vor allem darum, gegen die Amerikaner zu sein“.

Der Ryder Cup hat den Golfsport in Europa populärer gemacht

Die Rivalität mit den USA ist also die Basis für den Erfolg der gesamteuropäischen Golfbewegung? Das sieht Martin Kaymer völlig anders. Der derzeit beste deutsche Golfprofi wird in der kommenden Woche zum dritten Mal am Ryder Cup teilnehmen. In der aktuellen Mannschaft zum Beispiel stecke sehr viel Europa. „Wir kommen alle aus unterschiedlichen Ländern, stehen aber in dieser einen Woche zusammen, obwohl wir jede andere Woche Konkurrenten sind.“ Britisch dominiert ist das Team des irischen Kapitäns Paul McGinley mit insgesamt sieben Spielern von der Insel zwar immer noch, doch Spanier, Franzosen, Schweden, Dänen und eben Deutsche sind inzwischen Normalität in der europäischen Auswahl.

Das galt in den ersten Jahren seiner Existenz für das Team Europa nur bedingt. Zunächst war es ein britisch-irisches mit einigen wenigen Festlandseuropäern, ein paar Spaniern und eben Bernhard Langer. Es dauerte bis zum Jahr 1997, bis es erstmals weniger Briten als Kontinentaleuropäer im Team gab – und bis heute ist die Austragung im spanischen Valderrama nicht nur deshalb eine einmalige Ausnahme. Es war auch das bisher einzige Mal, dass der Ryder Cup außerhalb Großbritanniens stattfand. Das Team Europa hat letztlich aber entscheidend dazu beigetragen, dass der Golfsport über die Grenzen des Vereinigten Königreiches hinweg populärer geworden ist, glaubt Neil Squires. „Man muss sich doch nur mal anschauen, was gerade in Frankreich passiert.“ In der Nähe von Paris findet 2018 der nächste Ryder Cup auf europäischem Boden statt. Und für die folgende Austragung in Europa vier Jahre später haben sich sieben Länder beworben, darunter auch Deutschland. Hierzulande fehlte bislang aber die Unterstützung aus der Politik. Das könnte einen Zuschlag für 2022 erschweren.

Held der alten Welt. Martin Kaymer lochte 2012 den entscheidenden Putt zum Sieg für Europa.
Held der alten Welt. Martin Kaymer lochte 2012 den entscheidenden Putt zum Sieg für Europa.

© AFP

Dabei ist der Nutzen für den Gastgeber inzwischen vielfältig. Die Duelle zwischen europäischen und US-Golfern auf dem Centenary Course von Gleneagles werden beispielsweise weltweit rund 500 Millionen Menschen in 183 Ländern im Fernsehen live verfolgen, ein Ryder-Cup-Ort ist längst auch Touristenmagnet. Für das kommende Wochenende rechnen die schottischen Gastgeber mit 45 000 Besuchern an den drei Turniertagen, mehr fassen die Tribünen nicht. Die Zuschauer werden Lieder für Martin Kaymer singen und eine Atmosphäre verbreiten, die es sonst nur im Fußballstadion gibt. „Es ist für die Fans viel leichter: entweder Europa oder USA. Man fühlt sich selbst viel zugehöriger, was das ganze Turnier unheimlich emotionalisiert“, erklärt Kaymer.

Die europäischen Spieler gelten als mental stärker im Mannschaftsduell

Und es gibt sogar bestimmte gemeinsame Tugenden, die dem europäischen Team inzwischen zugesprochen werden: „Europa wird in der Außendarstellung immer als das mental stärkere Team angesehen“, sagt Bernhard Langer. Als er 2004 die Mannschaft als Kapitän anführte, hat er diese spezielle europäische Mentalität besonders nachhaltig erlebt: „Egal ob Franzose, Spanier, Engländer, Ire oder Schotte, alle haben sich bedingungslos für das europäische Banner mit den zwölf Sternen eingesetzt.“

Dass es heute rund um dieses europäische Banner im Golfsport viele Interessen gibt, bringt die Entwicklung eines erfolgreichen Sportwettbewerbs naturgemäß mit sich. Tatsächlich wächst der Ryder Cup immer weiter, doch beispielhaft für die europäische Idee ist ein Wettbewerb dieser Art trotz des Europa-Teams für Jürgen Schwier nicht. „Fußball ist europäischer als Golf, denn im Fußball haben wir längst einen europäischen Spielbetrieb“, sagt der Sportwissenschaftler der Flensburger Europa-Universität. Das Gebilde einer Mannschaft wie beim Ryder Cup ist für Schwier „eher künstlich“. Zudem sei Europa aus rein sportökonomischer Sicht im Golf – anders als der Fußball – nicht der führende Kontinent. „Golf steht insgesamt eher für amerikanische Werte.“

Wenn dem so wäre, könnte Europa noch so häufig den Ryder Cup gewinnen, Sieger wären letztlich dennoch immer die USA. Denn wahr ist auch: Der Golfsport wurde zwar in Britannien erfunden, dennoch dreht sich heute im Golf fast alles um die Vereinigten Staaten. Selbst wenn es nur darum geht, sie in einem Kontinentalkampf zu besiegen.

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