
© dpa/Harry Langer
Einfach ein guter Typ: Florian Niederlechner verlässt Hertha BSC und wechselt zu 1860 München
Er selbst ahnte es schon seit Monaten, jetzt ist es offiziell. Florian Niederlechner erhält bei Hertha keinen Vertrag mehr. Dafür darf er die Karriere bei seinem Lieblingsklub fortsetzen.
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Wer wissen will, wie Florian Niederlechner tickt, der muss sich nur seine Reaktion auf das womöglich letzte Tor anschauen, das er jemals für Hertha BSC geschossen haben wird. Gut drei Wochen ist das her. Der Berliner Fußball-Zweitligist spielte beim SSV Ulm, als Niederlechner seinen Kopf in eine Freistoßflanke von Michael Cuisance hielt und den Ball zum 3:2-Endstand ins Ulmer Tor verlängerte.
Selbst höchstauflösende Kameras vermochten später nicht die letzten Zweifel zu zerstreuen, ob Herthas Stürmer den Ball wirklich berührt hatte. Der Jubel Niederlechners aber ließ keine Fragen offen: Er ballte die Fäuste und schrie seine Freude hinaus.
Diese Freude war echt, und niemals hätte Florian Niederlechner so ausgelassen gejubelt, wenn er den Ball nicht berührt hätte. Sich einen Treffer aneignen zu wollen, der ihm gar nicht zusteht: So tickt Niederlechner definitiv nicht. Ihm ging es immer um den Erfolg der Mannschaft. „Mir ist gar nicht so wichtig, Tore zu machen, ich will einfach Spiele gewinnen“, hat Niederlechner einmal gesagt.
Nach dem Sieg in Ulm hat Herthas Trainer Stefan Leitl explizit die Bedeutung seiner Einwechselspieler hervorgehoben. Sie hätten noch einmal fußballerische Qualität und Charakter ins Spiel gebracht.
Ein Kreis schließt sich.
Florian Niederlechner über seine Rückkehr zu seinem Jugendverein TSV 1860 München
Das mit dem Charakter war wohl auf Florian Niederlechner gemünzt – ohne ihm die fußballerische Qualität absprechen zu wollen. Die war immerhin so groß, dass er zeitweise, wenn auch vor seiner Zeit bei Hertha BSC, sogar als Kandidat für die deutsche Nationalmannschaft galt.
Sowohl auf seine fußballerische als auch seine charakterliche Qualität wird Hertha künftig verzichten müssen. Am Montag gab der Klub bekannt, was eigentlich schon längst bekannt war: Niederlechners auslaufender Vertrag wird nicht verlängert. Er wechselt zurück in seine bayrische Heimat, wo er auch schon ein Haus gebaut hat, und wird künftig für den Drittligisten 1860 München auflaufen. „Ein Kreis schließt sich“, sagte er.
Niederlechner hat schon in der Jugend ein Jahr für die Münchner gespielt, ist sowieso ein echter Blauer, wie die Fans der Löwen in Abgrenzung zum FC Bayern, den Roten, heißen. „In meinem Heimatdorf sind gefühlt alle Sechzig-Fans. Ich schaue möglichst jedes Spiel, weil mir dieser Verein so viel bedeutet“, hat er Anfang des Jahres erzählt.
Aber in zweieinhalb Jahren in Berlin ist Florian Niederlechner ein bisschen auch ein blau-weißer Herthaner geworden: „Ich liebe diesen Verein. Das hätte ich nicht gedacht, als ich vor zwei Jahren gekommen bin.“
Fredi Bobic holte ihn zu Hertha
Niederlechner war einer von zwei Transfers, die Herthas damaliger Sportchef Fredi Bobic im Januar 2023 final abgewickelt hat. Doch während Holstein Kiel Fabian Reese schließlich erst zur neuen Saison gehen ließ, kam Niederlechner für eine überschaubare Ablöse bereits im Winter vom FC Augsburg nach Berlin.
Insgesamt 75 Pflichtspiele hat Niederlechner seitdem für Hertha bestritten, dabei sechzehn Tore geschossen und vier vorbereitet. Er ist vor zwei Jahren mit dem Klub aus der Bundesliga abgestiegen – und war anschließend einer der Ersten, der sich bereit erklärte, zu bleiben, um den Unfall wieder zu korrigieren.
Bei Herthas Fans hat ihm das großen Respekt eingebracht. Genau wie das, was er später über die Abstiegsmannschaft sagte: „Letzte Saison waren wir keine Mannschaft, sondern eigentlich ein Sauhaufen. Deshalb sind wir abgestiegen.“ Den Anhängern sprach er damit aus der Seele.
„Flo ist ein angenehmer Junge, ein guter Typ“, hat Pal Dardai in seiner Zeit als Trainer bei Hertha einmal über Niederlechner gesagt. Und überhaupt wird man im Verein wohl niemanden finden, der schlecht über ihn redet. Niederlechner entsprach nicht dem Bild des abgehobenen Fußballprofis. Er hat nie vergessen, wo er herkommt, war immer freundlich und nahbar.
Auch wenn seine sportliche Bedeutung zuletzt merklich abgenommen hatte und er immer seltener in der Startelf stand (in den jüngsten neun Spielen nur noch einmal), hat sich Niederlechner nie hängen lassen. Dass Hertha künftig auf ihn verzichtet, ist trotzdem verständlich. Im Oktober wird er 35.
Niederlechner selbst hat schon länger geahnt, dass es so kommen würde. Bereits im Januar hat er im Interview mit dem Tagesspiegel erzählt, er gehe davon aus, dass er in der Rückrunde seine letzten Spiele für Hertha bestreiten werde, weil sein Vertrag wohl nicht verlängert werde.
Florian Niederlechner klang dabei nicht enttäuscht und auch überhaupt nicht böse. Wenn man sich die vergangenen Wochen noch einmal vergegenwärtigt, dann war er das wohl auch nicht.
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