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Eisschnellläuferin Pechstein einigt sich mit Verband: Ein kaum für möglich gehaltenes Happy End
Nach über 16 Jahren endet der Rechtsstreit der früheren Ausnahmeathletin. Hier zeigt sich einmal mehr, wie schwer Urteile in der Sportgerichtsbarkeit nachzuvollziehen sind.

Stand:
Der Rechtsstreit zwischen der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein und dem Eislauf-Weltverband (ISU) mutete lange Zeit an wie der sprichwörtliche Schrecken ohne Ende. Über 16 Jahre lang dauerte der Kampf der Berlinerin um Gerechtigkeit und Entschädigung. Dass die Auseinandersetzung nun „ein klares und versöhnliches Ende gefunden“ hat, wie ihr Lebensgefährte Matthias Große mitteilte, hätte man sich kaum ausmalen können.
Seitdem die ISU Pechstein 2009 für zwei Jahre gesperrt hatte, weil überhöhte Werte von Retikulozyten als verbotene Methode des Blutdopings gewertet wurden, kämpfte Pechstein an allen juristischen Fronten um Wiedergutmachung. In ihrer 2010 veröffentlichten Autobiografie hatte sie ihre Selbstmordgedanken in dieser Zeit offenbart.
Diese Causa ist ein Lehrbeispiel, wie es im Umgang mit abnormalen Werten nicht zugehen sollte. Im Falle Pechstein wurde von Wissenschaftlern attestiert, dass sie eine vererbte Blutanomalie hat, die erklärt, wie die Werte, die bei der Probe einst ermittelt wurden, zustande kamen.
Insofern ist der jetzt gefundene Vergleich längst überfällig. Zumal das Verfahren am Sportgerichtshof Cas höchst umstritten war.
Urteile im Zusammenhang mit Dopingproben sind manchmal schwer nachzuvollziehen
Ihr Rechtsanwalt Simon Bergmann sagte 2022 in einem Interview mit dem Tagesspiegel: „Nach Abschluss des Cas-Verfahrens hatte sich herausgestellt, dass die These des Dopingvergehens nicht stimmt. Die Anomalie wurde damals beim Cas bereits diskutiert. Am Ende lief es darauf hinaus, dass wir hätten beweisen müssen, um welche Form der Blutanomalie es sich handelt. Das war in der Kürze der Zeit nicht zu machen. Also wurde sie verurteilt.“
Wie schwer Urteile im Zusammenhang mit Dopingproben nachzuvollziehen sind, zeigte sich gerade zuletzt. Nachdem Jannik Sinner, der aktuelle beste Tennisspieler der Welt, im März 2024 beim Masters-Turnier in Indian Wells zweimal positiv auf das anabole Steroid Clostebol getestet wurde, wurde er jüngst nach einem Deal mit der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) für gerade mal drei Monate gesperrt. Was nicht nur Kollegen als großes Unrecht empfinden.
Neben dem Gefühl der Genugtuung, das Pechstein nun zu Recht empfindet, könnte der Vergleich auch die Chance für einen Neuanfang bei der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) sein.
In den vergangenen anderthalb Jahrzehnten wirkte der Verband auch deshalb so dysfunktional, weil neben ausbleibenden Talenten und strukturellen Defiziten auch immer eine Rolle gespielt hat, wer es gut oder vermeintlich nicht so gut mit Pechstein meint. Pechsteins Lebensgefährte Große wurde 2020 zum Präsidenten der DESG gewählt.
Im besten Fall kann aus dieser Entscheidung eine Art Aufbruchstimmung entstehen. Es gibt einige Talente mit guten Perspektiven im Verband. Wenn der Fokus sich ganz auf das Sportliche richtet, könnte die aktuelle Phase eines Tages als Wendepunkt zum Guten gelten.
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