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Beim Weltcup in Oberhof war schon zu sehen, dass Bö nicht mehr ganz schnell unterwegs ist.

© dpa/Martin Schutt

Update

Biathlon-Dominator Johannes Thingnes Bø macht Schluss: „Das ist richtig hart“

Der beste Biathlet der jüngeren Geschichte hört völlig überraschend auf. Johannes Thingnes Bø beendet bereits nach dem Winter seine Karriere – und macht nicht bis Olympia weiter.

Stand:

Er hat so lange die Biathlon-Szene dominiert, dass er gar nicht mehr aus der Loipe und vom anschließenden Podestplatz wegzudenken ist: Johannes Thingnes Bø. Und doch muss man sich zukünftig umstellen, denn am Samstag verkündete der 31-Jährige, dass er seine Karriere nach diesem Winter beenden werde. Und nicht wie geplant bis zu den Olympischen Spielen noch ein Jahr weiter langlaufen und schießen werde. 

Die Bekanntgabe während des Weltcups in Ruhpolding fiel ihm sichtlich schwer. Bø las seinen Rücktrittstext von seinem Handy ab, und bekam gerade so einen Satz heraus, bevor er auf dem Podium in Tränen ausbrach und erst einmal kurz nicht weitersprechen konnte.

„Das ist richtig hart“, sagte Bø und wischte sich die feuchten Augen wieder trocken. Immer wieder wurde er von seinen Tränen überwältigt. Aber der Norweger habe „das Gefühl, dass die Zeit gekommen ist, die Familie zu priorisieren“, schrieb der zweimalige Vater bei Instagram.

„In den letzten sechs Saisons habe ich Spitzensport und Familienleben unter einen Hut gebracht. Es war fantastisch, aber auch sehr herausfordernd“, so Bø. „Ursprünglich hatte ich geplant, noch ein Jahr weiterzumachen, aber die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele verlangt mir und meinen Mitmenschen noch mehr ab.“

Fünfmal Olympiagold und 20 WM-Siege

Doch so viel der Sport auch von ihm forderte, Bø holte alles raus, was ging, und schrieb in seinen mehr als zehn Jahren in der Loipe und am Schießstand Geschichte als einer der besten Biathleten aller Zeiten. Seit 2012 hat der Norweger alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Mit seinen 31 Jahren blickt er auf fünf Olympiasiege und 20 WM-Goldmedaillen zurück. Nur Landsmann Ole Einar Björndalen kann bei den WM-Titeln mit dem Ausnahmekönner aus Stryn mithalten.

88
Mal stand Bø ganz oben auf dem Siegerpodest

Zudem holte Bø bisher 79 Weltcupsiege und insgesamt 88 Karrieresiege. Nur Björndalen steht in dieser Statistik mit insgesamt 95 Erfolgen vor ihm. 2023 holte Bø in Oberhof als erster männlicher Biathlet sieben Medaillen bei einer Weltmeisterschaft, davon fünfmal Gold.

Bereits mit 16 Jahren galt Bø als vielversprechendes Talent und gewann zahlreiche Juniorenrennen. Im April 2012 wurde er mit nur 18 Jahren in den A-Nationalkader für den Weltcup 2012/13 aufgenommen und war damit das zweitjüngste Teammitglied aller Zeiten. 2013 gewann er seinen ersten Weltcup und war mit 20 der jüngste Weltcupsieger seit Mark Kirchner 1991.

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In seiner gesamten Karriere fiel Bø als äußerst athletischer Sportler auf. Das zeigte sich vor allem in seiner Anfangszeit, in der Bø ein deutlich besserer Langläufer als Schütze war. Er schaffte es oft, die fehlende Leistung an der Scheibe mit seinen Schlusssprints auszugleichen und kam so trotz Strafrunden oder -minuten noch auf vordere Plätze. Über die Jahre näherte sich das Können in beiden Disziplinen einander an.

Ich war 13 Jahre alt, und mein Traum war, das gleiche zu schaffen wie du, Tarjei.

Johannes Thingnes Bø, Biathlet, an seinen Bruder

Dabei hätte es in der Familie aus Stryn alles ganz anders kommen können. Bø kam vor allem wegen seines fünf Jahre älteren Bruders Tarjei zum Biathlon. „Hätte er sich nicht für Biathlon entschieden, dann hätte ich es auch nicht getan“, sagte Bø immer wieder in Interviews. Auch bei seiner Verabschiedung dankte der Norweger seinem Bruder: „Das Ende eines Traumes rückt näher, ein Traum, der erweckt wurde, als mein Bruder Tarjei 2006 Weltmeister wurde“, blickte er zurück.

„Ich war 13 Jahre alt, und mein Traum war, das gleiche zu schaffen wie du, Tarjei. 2012 waren wir dann plötzlich gemeinsam im Nationalteam, was für eine Reise war das seitdem.“

Goldmedaillengewinner Bø freut sich über seinen Sieg bei den Olympischen Spielen 2022.

© dpa/Hendrik Schmidt

Tarjei Bø ist selbst Olympia- und Gesamtweltcupsieger sowie mehrfacher Weltmeister im Biathlon. Ihren ersten gemeinsamen Höhepunkt erlebten die Brüder 2015 in Finnland. Bei der Weltmeisterschaft schnappte sich der jüngere Johannes Bø seinen ersten Weltmeistertitel, vor seinem Bruder Tarjei, der Bronze gewann. Die Familiengeschichte fand ihren Höhepunkt 2022 bei den Olympischen Winterspielen: Zusammen liefen sie in den Staffeln gleich zweimal zu Gold.

Und gerade die Familie gab für die Biathlon-Legende den Anstoß für seine Entscheidung, nun Schluss zu machen: „Als ich für Weihnachten nach Hause kam, wusste ich, dass das das einzig Richtige war, was ich tun konnte.“

Als Vorbild machst du weiter. Es ist ein gutes Beispiel für junge Athleten, weil du immer mal einen schlechten Tag haben kannst, aber du musst dich da durchbeißen und nach vorn schauen.

Johannes Thingnes Bø, Biathlet

Ein bisschen zeichnete sich auch zuletzt im Einzelrennen von Ruhpolding bereits ab, dass Bø der Kampfgeist ein wenig abhandengekommen zu sein scheint. Noch angeschlagen von Infekten landete der Norweger nur auf Platz 85. „Nach dem dritten Schießen wusste ich, dass ich weit weg von den Weltcuppunkten bin. Ich bin eine lockere Runde gelaufen, um nochmal ein extra schnelles Schießen zum Schluss zu üben. Danach wollte ich aussteigen und keine Energie verschwenden“, sagte er in der Sportschau.

Er winkte bereits ins Publikum und ließ die Stöcke schleifen, rutschte auf den Skiern aus dem Schießstand. Doch dann kam Emilien Jacquelin, einer der größten Kontrahenten des Norwegers, angerauscht. „Emilien hat gefragt, ob ich ihn nicht eine Runde begleiten will (lacht) und dass es nicht erlaubt sei, das Rennen aufzugeben, wenn du im Gelben Trikot läufst“, sagte er. Also lief Bø weiter.

Der Gesamtweltcup-Führende beendete das Einzelrennen mit dem schlechtesten Ergebnis seiner gesamten Karriere, doch er nahm es gelassen. „Als Vorbild machst du weiter. Ich bin froh, dass Emilien da war und mir geholfen hat, die richtige Entscheidung zu treffen. Es ist ein gutes Beispiel für junge Athleten, weil du immer mal einen schlechten Tag haben kannst, aber du musst dich da durchbeißen und nach vorn schauen.“

Bevor er die Skier an den Nagel hängt, erwarten den Rekordweltmeister noch einige Rennen, am Sonntag zum Beispiel der Massenstart in Ruhpolding. Am 24. Januar beginnt der Biathlon-Weltcup in Antholz, Mitte Februar startet die Weltmeisterschaft in der Schweiz. Seine letzten Rennen wird der fünfmalige Gesamtweltcupsieger im März bei seinem Heimspiel am Holmenkollen in Oslo absolvieren. (mit dpa)

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