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Botschafter. Philipp Lahm soll dabei helfen, die EM 2024 nach Deutschland zu holen.

© Roland Weihrauch/dpa

Botschafter Lahm rührt Werbetrommel: Erhält Deutschland die EM? Gar nicht mehr so sicher!

Der DFB hat bei der WM auch neben dem Platz keinen guten Eindruck hinterlassen. Das könnte negative Folgen für die EM-Bewerbung haben. Ein Kommentar.

Noch vier Tage – und dann gehört das WM-Spektakel in Russland der Historie an. Nicht alles ist deshalb gleich Vergangenheit. Die Analysen des sportlichen Erfolgs und Misserfolgs der 32 Teams sind eine aktuelle Herausforderung und besonders Entscheidungen beim Krisenmanagement fordern alle Kräfte. Der deutsche Fußball ist erstmals seit der EM 2004 wieder damit beschäftigt, die richtigen Konsequenzen aus einem enttäuschenden Abschneiden zu ziehen. Parallel dazu ist die Aufarbeitung der schlechten Außendarstellung von DFB und Nationalmannschaft dringend geboten.

Doch damit nicht genug. Präsident Reinhard Grindel muss zudem den schicksalsträchtigen 27. September 2018 im Visier haben. In Nyon wird das 17-köpfige Uefa-Exekutivkomitee sein Votum abgeben, ob Deutschland oder die Türkei als Gastgeber der Europameisterschaft 2024 den Zuschlag erhält. Der DFB hat für seine Bewerbung viel Geld investiert. Philipp Lahm wurde als Botschafter engagiert und eine internationale Agentur für etwa eine Million Euro damit beauftragt, in den Ländern der Uefa-Exco-Mitglieder die PR-Werbetrommel zu rühren.

Die Erfahrung lehrt, dass so etwas flankierende Maßnahmen sind, aber viel gravierender sind andere Fakten. Allen voran der sportpolitische Stellenwert eines Bewerbers und der Ruf seiner Offiziellen. Und auch da war die WM für den DFB kein Erfolgserlebnis. Die Vorfälle nach dem Schweden-Spiel und das allzu fordernde Auftreten deutscher Team-Repräsentanten hinter den Kulissen, die zwar von DFB-Präsident Grindel dementiert werden, sorgten in Moskau für Ärger und lassen alte Ressentiments neu aufleben.

Hoher Stellenwert? Nicht mehr!

Dass Schiedsrichter Felix Brych nach nur einem Einsatz nach Hause geschickt wurde, hängt damit natürlich nicht zusammen, sondern ist ein Intrigenspiel – trotzdem ist es ein weiteres Mosaiksteinchen dafür, wie es um den deutschen Einfluss und Stellenwert bei Fifa und Uefa bestellt ist.

Das sportpolitische Geflecht im internationalen Fußball ist von jeher eine Mixtur aus Egoismen und Animositäten. Und da werden dem angeblich „neuen DFB“, den Grindel und seine Entourage so gerne proklamieren, in der neuen Zeitrechnung von Fifa und Uefa eher weniger als mehr Sympathien entgegengebracht. Nur ein Beispiel für die Kleinig- oder Nichtigkeiten, die Otto Normalverbraucher gar nicht wahrnehmen kann: Seit den siebziger Jahren waren DFB-Präsident Neuberger, im Fifa-Exco gern als „Herman, the German“ gewürdigt, und seine Nachfolger immer mittendrin, heute gehen viele Funktionäre eher vorsichtig auf Distanz zu Grindel.

Nach der Enthüllung des Sommermärchen-Skandals brachte der Quereinsteiger viel Zeit auf, um Kontakte auf für ihn völlig unbekanntem Terrain zu knüpfen, ist aber dort mit seinem Polit-Sprech nie richtig angekommen. Es bleibt daher spannend bis zum 27. September: Deutschland kann sich mit seiner EM-Bewerbung dank der Qualität der Stadien und anderer Rahmenbedingungen durchaus als Favorit fühlen. Die internationalen Ränkespiele bieten derzeit aber reichlich Raum für unangenehme Überraschungen.

Harald Stenger war von 2001 bis 2012 Pressesprecher der Nationalmannschaft.
Harald Stenger war von 2001 bis 2012 Pressesprecher der Nationalmannschaft.

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Harald Stenger war von 2001 bis 2012 Pressesprecher der Nationalmannschaft. Hier schreibt er im Wechsel mit Frank Lüdecke, Nadine Angerer, Jens Hegeler, Sven Goldmann, Roman Neustädter und Philipp Köster.

Harald Stenger

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