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Erlösung nach 153 Tagen: Hertha BSC gelingt gegen Münster der erste Heimsieg der Saison
Es geht also auch im Olympiastadion. Hertha besiegt Preußen Münster mit 2:1. Sebastian Grönning erzielt beide Treffer für die Berliner, die am Ende unnötig zittern müssen.
Stand:
Nach dem Schlusspfiff kam auf den Kapitän Schwerstarbeit zu. Fabian Reese musste seinen Mitspieler Michael Cuisance einfangen und bändigen. Der Gesichtsausdruck des Franzosen, der vom Platz gleich Richtung Ersatzbank gestürmt war, passte nicht zur sonst freudigen Stimmung unter den 43.827 Zuschauern im Berliner Olympiastadion. Cuisance war richtig wütend.
Sein Trainer sah auch nicht durchgehend glücklich aus, als er seine Mannschaft nach dem Spiel um sich versammelte. „Er hat uns gelobt“, berichtete Kapitän Reese. „Der Rest bleibt intern.“
Das Lob war berechtigt, denn Hertha BSC hat am Samstag den ersten Heimsieg der Saison gefeiert, den ersten seit exakt 153 Tagen. Die Mannschaft zeigte die beste Leistung der gesamten Spielzeit, war griffig, entschlossen, leidenschaftlich und dem Gegner Preußen Münster klar überlegen. Am Ende aber musste sie mehr zittern, als nötig gewesen wäre. „Wir hätten das Spiel viel eher killen können“, sagte Abwehrchef Toni Leistner nach dem 2:1 (1:0)-Erfolg des Berliner Fußball-Zweitligisten.
Die letzte Gelegenheit, dies zu tun, hatte Hertha in der Nachspielzeit, als der eingewechselte Kevin Sessa und Cuisance allein auf Preußens Torhüter Johannes Schenk zuliefen. Anstatt abzuspielen, versuchte es Sessa mit einem Lupfer. Schenk hatte keine Mühe, den Ball einzusacken – was Cuisance letztlich auf die Palme brachte. „Du kannst solche Situationen nicht wegwerfen“, sagte Stefan Leitl. „Wir haben es getan.“
Wir haben uns vorgenommen, denen mal zu zeigen, wie Zweikämpfe gehen, und dass wir sie auffressen zu Hause.
Fabian Reese, Hertha BSC
Herthas Trainer bescheinigte seiner Mannschaft, „insgesamt ein Top-Spiel“ gemacht zu haben, und war nach eigener Aussage doch nicht ganz zufrieden. „Wir haben viel dafür getan, dass es noch ein spannender Nachmittag wurde“, sagte er. Denn nach zwei Toren von Sebastian Grönnig, den ersten beiden überhaupt für Hertha im eigenen Stadion, musste die Mannschaft nach dem Anschlusstreffer von Etienne Amenyido sechs Minuten vor dem Ende doch noch zittern.
Leitl hatte nach dem 3:0-Auswärtssieg in Nürnberg keinen Anlass für personelle Veränderungen gesehen. Er schickte dieselbe Startelf aufs Feld wie in der Vorwoche. Im Kader fehlte allerdings Mittelfeldspieler Leon Jensen, der sich im Abschlusstraining eine Oberschenkelverletzung zugezogen hat und wohl mehrere Wochen ausfallen wird.
Die Berliner begannen das Spiel so, wie es Leitl erwartet hatte: mit viel Energie, großer Lust und ganz anders als noch vor acht Wochen in der ersten Runde des DFB-Pokals, als die Preußen deutlich überlegen gewesen waren. Diesmal bestimmte Hertha das Geschehen, weil Leitl die richtigen Schlüsse aus der Begegnung im August gezogen hatte und sein Team mannorientiert gegen die Münsteraner spielen ließ.
Schon in der zweiten Minute hatte Marten Winkler die erste Chance. In der zehnten Minute folgte ein Traumtor von Fabian Reese, der aus 35 Meter Entfernung von der Seitenlinie aus getroffen hatte. Das vermeintliche 1:0 aber zählte nicht, weil Grönnig bei der Entstehung des Angriffs mit seinem dicken Zeh im Abseits gestanden hatte.
Ärgerlich für die Berliner. Aber im Unterschied zu den bisherigen Heimspielen brachte der Rückschlag sie diesmal nicht aus dem Tritt. Hertha spielte gefällig nach vorn und ließ defensiv wenig zu. „Wir haben uns vorgenommen, denen mal zu zeigen, wie Zweikämpfe gehen, und dass wir sie auffressen zu Hause“, sagte Reese.
Erst nach einer halben Stunde kam Münster erstmals gefährlich vor das Berliner Tor. Und wie! Nach einer starken Kombination tauchte Oscar Vilhelmson allein vor Tjark Ernst auf. Herthas Torhüter aber parierte den Schuss des Schweden genauso spektakulär wie den Nachschuss von Oliver Batista Meier. Beim dritten Versuch von Marvin Schulz flog ihm der Ball durch die Beine, aber Deyovaisio Zeefuik blockte den Schuss kurz vor der Linie.
Auf der anderen Seite sah Münsters Torhüter zehn Minuten vor der Pause nicht besonders glücklich aus. Eine Ecke des starken Michael Cuisance segelte über Schenk hinweg Richtung zweiter Pfosten. Grönning hatte keine Mühe, den Ball zum 1:0 einzuköpfen.
Hertha ließ beste Chancen ungenutzt
Die Vollendung war von eher geringem Schwierigkeitsgrad. Aber auch sonst nutzte Grönning die Chance, die sich ihm durch den monatelangen Ausfall von Dawid Kownacki eröffnet hat. Mit einem starken Einsatz bereitete er eine gute Gelegenheit für Jon Dagur Thorsteinsson vor, die der Isländer allerdings kläglich vergab. Grönning selbst hatte unmittelbar vor der Pause ebenfalls noch eine gute Chance zum 2:0, scheiterte aber an Schenk.
Zu Beginn der zweiten Hälfte, in der Julian Eitschberger den verletzten Zeefuik ersetzte, traten die Gäste deutlich forscher auf als vor der Pause. Doch noch bevor sich die Dinge in die falsche Richtung entwickeln konnten, sorgten die Berliner für klare Verhältnisse. Erneut durch Grönning, der einen Angriff, den Leistner mit einer Balleroberung am eigenen Strafraum eingeleitet hatte, mit seinem dritten Saisontor zum 2:0 abschloss.
In der Folge wirkte Hertha wie befreit. „In der Phase hatten wir 20 Minuten, die unglaublich waren: mit einer unfassbar hohen Dominanz, mit einer Welle nach der anderen“, sagte Leitl. „Da musst du das 3:0 nachlegen, dann ist das Thema auch durch.“
War es aber nicht. Allein Grönnig hatte nur zwei Minuten nach seinem zweiten Treffer zwei weitere gute Chancen, die Führung auszubauen. Marten Winkler traf zunächst den Pfosten – und schaffte es später, den Ball nach einer perfekten Hereingabe aus einem Meter über das Tor zu schießen. „Wenn wir so in einem Rausch sind und die Chancen haben, müssen wir die Tore einfach machen“, klagte Fabian Reese.
Angesichts der scheinbar beruhigenden Führung schien das nicht weiter schlimm zu sein. Doch die schlampige Chancenverwertung führte dazu, dass Hertha am Ende tatsächlich noch mal zittern musste – und dass bei einigen der Gesichtsausdruck nach dem Schlusspfiff nicht zur freudigen Stimmung passte.
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