
© AFP/Michael Tran
Baseball: Amazon-Serie „A League of their own“: Erst zur Benimmschule, dann zum Training
Über die in den 1940er Jahren gegründete und in den USA damals sehr beliebte Baseballliga für Frauen gibt es nun auch eine Serie.
Stand:
Carson Shaw schmeißt ihr Gepäck über den Zaun. Ihr Kleid spärlich zugeknöpft und sichtlich in Eile, rennt sie dem Zug Richtung Chicago hinterher, den sie mit großer Mühe nach dessen Abfahrt noch erwischen kann Ihr Ziel: Das Probetraining für die erste US-amerikanische Baseball-Liga der Frauen. Dafür hat sie in ihrem Dorf in Idaho alles stehen und liegen lassen. Sie bricht mit den Konventionen der adretten Hausfrau, die zu Hause auf ihren Mann wartet, um sich ihren Traum zu erfüllen.
Bereits die Einstiegsszene der neuen Amazon-Serie „A League of their own“ schafft es, mit gängigen Rollenklischees zu brechen. Thematisiert wird die Gründung der All-American Girls Professional Baseball League (A.A.G.P.B.L.) im Jahr 1943. Eine Zeit, in der der Großteil der Männer bei der Armee ist und die Frauen inmitten des Zweiten Weltkriegs die Gesellschaft unterhalten sollen – ladylike versteht sich. Mit kurzen Röckchen, geschminkt und abseits jeglicher sportlichen Robustheit.
[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]
Die Handlung, die bereits in dem 1992 erschienenen gleichnamigen Film „Eine Klasse für sich“ mit Geena Davis, Lori Petty, Madonna, Rosie O’Donnell und Tom Hanks starbesetzt verfilmt wurde, basiert auf historischen Ereignissen. Gegründet von Philip Wrigley hatte die A.A.G.P.B.L. bis 1954 Bestand und entwickelte sich zu einem Publikumsmagneten. Ganz vorne mit dabei: die Rockford Peaches mit ihren rosafarbenen Uniformen, die nicht nur zu den Gründungsmitgliedern zählten, sondern ebenso zum Rekordmeister emporstiegen und zahlreiche Star-Spielerinnen in ihren Reihen hatten.
Wichtig bei den „Girls“ war ein stets gutes Benehmen und damenhaftes Aussehen. Ansonsten konnte es schon einmal passieren, dass Spielerinnen wegen ihrer zu kurzen Haare aus dem Team verwiesen wurden, wie es Josephine D’Angelo 1944 passierte. Ohne Lippenstift kam niemand aufs Feld, Benimmschulen gehörten genauso zum Tagesablauf wie das sportliche Training, Hosen waren in der Öffentlichkeit verboten.
Rund 400 der 650 Spielerinnen seien homosexuell gewesen
Während diese Rollenklischees in der Hollywood-Vorlage gekonnt vorgeführt werden, greift die Serie zusätzlich einen zweiten Handlungsstrang auf und erzählt von den Erlebnissen der Schwarzen Pitcherin Maxine Chapman, gespielt von Chanté Adams. Ausgeschlossen von dem eingänglichen Vorspielen, muss sie sich ihren eigenen Weg suchen und Widerstände überwinden, die jene der weißen Frauen noch übertreffen.
Zu dieser Zeit war Schwarzen aufgrund der Rassendiskriminierung nur die „Negro League“ vorbehalten – und diese wurde von Männern dominiert. Ausnahmen waren die drei Spielerinnen Toni Stone, Connie Morgan und Mamie Johnson, die in gemischt-geschlechtlichen Teams antraten.
Angelehnt an ihren Werdegang wird in „A League of their own“ die Rolle der Max’ abgebildet, die neben der Arbeit versucht, ein Team zu finden, es aber trotz ihrer enormen Fähigkeiten schwer hat, von den Männern ernst genommen zu werden. Hinzu kommt die Identitätskrise einer jungen Frau, der zunehmend queere Charaktere begegnen und der es schwerfällt, sich in eines der bestehenden Rollennormative einzuordnen.
Hier wird ein weiterer Aspekt ersichtlich, den die Produzenten Abbi Jacobson – die im Übrigen die Rolle Shaws übernahm – und Will Graham im Gegensatz zum Film herausstellen. Während Lesben im Frauensport ein bis heute gerne aufgegriffenes Klischee darstellen, ist die Thematisierung in diesem Kontext nicht so weit aus der Luft gegriffen, wie man meinen könnte.
So erklärte Maybelle Blair, die 1948 für die Peoria Redwings auflief und bei den Dreharbeiten als Beraterin tätig war, dass ihrer Meinung nach rund 400 von den 650 Spielerinnen der Liga homosexuell gewesen sein dürften. Sie eingeschlossen. Die 95-Jährige outete sich im Juni bei einer Promo-Aktion der Serie erstmals als lesbisch.
Frauen bis heute unterrepräsentiert im Baseball
Zu ihrer aktiven Zeit war das Thema Sexualität ein Tabu, Homosexuelle wurden gesellschaftlich und rechtlich angefeindet, trans Personen (wie in der Serie dargestellt) traf es noch schlimmer. Viele der Regeln für die Baseball-Spielerinnen sollen – wenngleich nicht offiziell – auch deswegen so streng gewesen sein. Die Kleidung sollte von einer vermeintlich lesbischen Wahrnehmung ablenken, die Fraternisierung von Spielerinnen unterschiedlicher Teams war untersagt, im eigenen Klub gab es Aufpasserinnen. Allein der Verdacht, lesbisch zu sein, konnte dazu führen, aus der Liga ausgeschlossen zu werden und womöglich dann als geisteskrank diagnostiziert zu werden.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Das Skript von „A League of their own“ ist derweil stark darauf bedacht, all diesen Geschichten Gehör zu verschaffen. Angefangen von der heterosexuellen Schönheit Maybelle (Molly Ephraim), die ihre Kinder zu Hause gelassen hat, um im Sport erfolgreich zu sein, bis hin zu Lupe Garcia (Roberta Colindrez), die nicht nur butch, sondern ebenso Kind kubanischer Einwanderer ist. Dabei hat jede Rolle ihre Wertigkeit, wird in ihrer Komplexität mit Humor und einem aktuellen Seitenhieb versetzt.
Denn wenn wir uns anschauen, was seit den Fünfzigern passiert ist, bleibt das Resümee ernüchternd. Nachdem die Liga mit dem Vorwand, zu unweiblich zu sein wieder abgeschafft wurde, blieb es lange still um den Frauen-Baseball. Die Protagonistinnen wurden erst circa 40 Jahre später in die Hall of Fame aufgenommen, als erneut der Versuch unternommen wurde, eine Liga zu etablieren. Bis heute sind Frauen in dem Sport allerdings unterrepräsentiert und hauptsächlich bei der oft als „weiblich“ bezeichneten Softball-Variante zu finden.
Große Karrieren oder gar Gleichberechtigung in Wahrnehmung und Bezahlung sind mehr als nur Raritäten. Doch auch darauf soll mit der Serie verwiesen werden. Darauf, dass die Entwicklung weitergeht und weitergehen muss. „Wir sehen uns in der nächsten Saison“, sagt Carson zum Abschluss von Staffel eins und die Zuschauerschaft darf gespannt sein, was in einer möglichen Fortsetzung auf sie zukommt. Genug Anekdoten gäbe es allemal.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: