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70 km/h schaffte unser Autor in der Spitze.

© Getty Images/Zoonar RF

Extremsport auf vier Rädern: Mit dem Bobbycar um die ganze Welt

495 Marathons in 495 Tagen, Zigtausend Liegestütze am Stück, übers Wasser laufen? Pah, unser Autor toppt all das.

Martin Einsiedler
Eine Glosse von Martin Einsiedler

Stand:

Verzeihen Sie den ein oder anderen Gedankenfehler in diesem Text. Sie müssen wissen, dass die vergangenen 365 Tage kräftezehrend für mich waren. Ich habe mit dem Bobbycar die Welt umrundet, Weltrekord! Und während meiner Reise habe ich an jedem einzelnen Tag einen weiteren Weltrekord aufgestellt. Auch das ist Weltrekord!

Ich habe unter anderem einen Geschwindigkeitsrekord mit meinem Bobbycar geschafft – handgestoppte 70 km/h (Abfahrt Großglockner). Außerdem zog ich mit meinem Gefährt einen mehrere Tonnen schweren Anhänger durch die Straßen Teherans. Ich erinnere mich auch noch daran, dass in der Türkei 17 Katzen in meinem Bobbycar-Anhänger Platz nahmen und mitfuhren. Hat’s noch nie gegeben.

Das Anstrengende waren gar nicht so sehr die Weltrekorde an sich. Viel beschwerlicher war es, sich jeden Tag irgendeinen Schwachsinn auszudenken, der rekordverdächtig ist. Gegen Ende, als mir die Fantasie fehlte, habe ich in einer Minute 70-mal mit meiner Zunge meine Nasenspitze angetippt. Rekord.

Neben der körperlichen Anstrengung zehrt der Zorn meiner Tochter an mir. Ich kann sie ja verstehen: Ich entwendete nicht nur ihr Bobbycar für ein Jahr, sondern gab es ihr auch noch verbeult zurück.

Aber was sollte ich machen? Bei der Abfahrt auf dem ersten Achttausender im Himalaya war ich noch bei vollen Kräften, später, als ich den Nanga Parbat hinunterschoss, bekam ich die Kälte nicht mehr aus meinen Gliedern und knallte hier und da gegen ein paar Felsbrocken – oder auch mal gegen den ein oder anderen Bergtouristen.

Und wie das so ist: Den schwerwiegendsten Unfall hatte ich auf den letzten Metern. Wohl in dem Gefühl, gleich zu Hause zu sein und es geschafft zu haben, wurde ich leichtsinnig. Auf der Berliner Oberbaumbrücke kreuzten zwei Touristen meinen Weg und überrollten mich mit ihren Koffern.

Seit vielen Jahren habe ich von einem solchen extremen Abenteuer geträumt. Angefangen hat alles in meiner Kindheit, als der Pfarrer in der Kirche erzählte, dass Jesus über den See Genezareth lief.

Wenig später hörte ich, dass ein Inder 27.000-mal am Stück den Hampelmann machte. Und völlig verblüfft war ich, als ich im Guinness-Buch las, dass ein Mann aus Malaysia einen fast 300 Tonnen schweren Zug zog – mit seinen Zähnen.

Inzwischen sind Weltrekorde en vogue geworden. Sie werden fast minütlich aufgestellt: Slacklinen in 2.500 Metern Höhe zwischen zwei Heißluftballons, 120 Triathlons in Folge, Zigtausende Liegestütze am Stück, mit dem SUP über den Atlantik – und neulich habe ich gelesen, dass jemand in 495 Tagen 495 Marathons laufen will.

Ein Star sein, wenn auch nur für ein paar Tage – das wollte ich auch. Also bereitete ich mich akribisch auf meine Unternehmung vor.

Ich trainierte zunächst mit dem Bobbycar im Wohnzimmer. Die Sitzposition machte mir zu schaffen. Ich bin 1,85 Meter groß, meine Knie sind im Bobbycar auf Ohrenhöhe. Als sich die Nachbarn unter mir wegen des Lärms beschwerten, unternahm ich meine ersten Versuche draußen.

Hier und da schenkten mir Erwachsene Blicke, die länger dauerten als üblich. Die Kinder dagegen fühlten sich herausgefordert. Manche fuhren in ihren Gefährten mit mir um die Wette. Bald schon war ich der Schnellste.

Meine Route war direkt: Nach Frankreich, dort in den Atlantik übersetzen – mit meinem zu einem Tretboot umgebauten Bobbycar. Dann von New York quer durch die Staaten, weiter über den Pazifik, Ankunft auf dem ostchinesischen Festland, dann Nepal, Pakistan, irgendwann Türkei und bald schon Berlin.

Ich muss sagen, Wüste und Berge haben mir schon zugesetzt. Geholfen hat mir auf meiner Reise mein Mindset, das ich zuvor durch Sitzungen mit dem früheren Nationaltorwart Oliver Kahn unter dem Motto „Weiter, immer weiter“ gestählt habe. Auch mein Krafttier, eine von meiner Tochter ausrangierte Peppa-Pig-Figur, stand mir in manch dunkler Stunde bei.

Nun habe ich es geschafft – und habe schon den nächsten Weltrekord im Blick. In wenigen Monaten mache ich mich wieder mit dem Bobbycar auf den Weg, dieses Mal aber auf nur drei Rädern. Und das soll es dann nicht gewesen sein. Es gibt noch mehr Räder, die ich abschrauben kann. Mein Weg wird kein leichter sein – aber er ist noch lange nicht zu Ende.

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